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Meggendorfer-Blätter — 60.1905 (Nr. 732-744)

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Nr. 733
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Zeitschrift für L)umor und Aunst







Und er sang, sang von sich, von dem Himmel
und den Gestirnen und von allem, was ihm
vor die Augen kam. Und alles schien ihm
des Singens und Freuens wert. Sein weg sührte
ihn durch ein armseliges Dorf. Not und Armut
herrschten dort, und doch fand er auch hier noch
Lust, zu singen. Fast auf die Erde niedergebrochen
waren die alten Dächer von Stroh; aber als die
Sonnenlichter darauf spielten, da schienen sie ihm
von eitel flimmerndem Golde, daß es eine Pracht
war. Und die kleinen Fensterhöhlen, an denen einige
kümmerliche Blumen wuchsen, dünkten ihm so traulich
und friedlich, als hielten sie neidisch das köstlichste Glück
umschlossen. Ein echter, recht schmutziger Dorfrange ver-
gnügte sich an einer Pfütze, indem er mit einer Weiden-
rute in das schmutzige Wasser schlug, daß es jedesmal
hoch aufspritzte.
Jeder andre hätte gescholten über den Ungezogenen
und wäre in weitem Bogen herumgegangen. Nicht also
der glückliche Hafis. Er sah in dem schmutzigen Rangen
einen allerliebsten Engel, küßte ihn, schenkte ihm ein
paar bunte Bilder und plauderte mit ihm. Als nun der
Junge von neuem mit der Rute in das Wasser schlug
und Hafis ganz mit schmutzigen Tropfen übersät wurde,
mußte der Jüngling lachen über den drolligen kleinen
Kerl und ging dann singend und dazwischen über sein
Abenteuer lachend, die Straße weiter.
Da stand eine grobe, zerlumpte Dienstmagd und
scheuerte an der Dorfstraße ihre Eimer, wie war es
doch so schön, das Volk bei der Arbeit zu sehen, dachte
Hafis und sang und sang. Dabei stieß er unabsichtlich
im Vorbeigehen mit dem Fuß an den einen Eimer.
Aber da fuhr die Dienstmagd auf und fing an zu
zetern und schalt ihn in den gröbsten Ausdrücken.
Hafis lauschte entzückt auf ihre Worte.
„Welche köstliche, derbe Natur, von keiner Kultur
verfälscht!" sagte er. „wie schön dünkt uns schon
das Bellen des Hundes! wieviel mehr nicht die
urwüchsige Sprache dieser Bauerndirnei Schilt doch,
so viel Du magst — ich weiß, auch Du hast ein
Herz und kannst Liebe geben und forderst Liebe.
Gepriesen sei Allah!"
Und er ging weiter seine Straße und sang
und sang, wohin er auch kam und was seine
Augen auch sahen — herrlich war es und schön,
und würdig des Freuens und Singens.
Hafis aber wurde älter. Sein Glück war zwar
ohne Grenzen; doch er blieb ein armer Schlucker.
Freilich, er spürte nichts davon, daß er arm war.
war es nicht sogar ein Segen? wenn ersehen mußte,
wie sauer sich's andre werden ließen, um ihre Säckchen mit

kleine Hafis war zu einem stattlichen
/ Jüngling herangereift. Bis in diese
Jahre hatte er sich die Liebe der Menschen
und die Gunst der Götter erhalten. Es gab
keinen Menschen, der ihn nicht seines freundlichen,
hilfsbereiten Wesens und seiner schönen Gestalt
wegen gern hatte. Und dabei war er belesen in allen
Schriften und bewandert in allem wissen. Es konnte
ihm also an nichts fehlen. So machte er sich auf, wandte
seiner Vaterstadt den Rücken, um sich in der großen,
weiten Welt umzutun und nach dem Glücke zu suchen.
Nach dem Glücke suchen! Eigentlich wußte er nichts
daraus zu machen. Das Glück? war er denn nicht
glücklich? Hätte das Leben nicht immer so bleiben können?
was sollte er das Glück suchen? Aber seine verwandten
sprachen so viel davon, daß er dazu geboren sei, sein
Glück zu machen, und daß er es ganz bestimmt draußen
in der weiten Welt finden würde. So ging er also, das
Glück zu suchen; aber er war zu glücklich, um zu wissen,
was Glück ist.
Meilenweit war er schon gewandert. Da kam
er in einen Hain, der ein heiliger war und von
Menschen gemeinhin nicht betreten wurde. Ihn aber
hatte der Stern ahnungslos dahin geführt. Und da es
so erfrischend kühl dort war und ein so süßes, trauliches
Dämmerlicht herrschte und die Wipfel so einschläfernd
sangen und rauschten, legte er sich neben den plätschern-
den CZuell und schlief ein.
Hafis träumte.
Wunderliebliche Feen, wie die Huris des siebenten
Himmels, sprangen aus der (Puelle und tanzten im
Reigen um ihn her. Line von ihnen, die schönste
und am prächtigsten geschmückte, trat zu ihm und
rief ihn beim Namen.
„was suchst Du hier, Hafis?" fragte sie.
„Ich suche das Glück, schöne Fee," gab er zur
Antwort.
„Du wirst umsonst danach suchen, denn das
Glück liegt in den Augen, Hafis."
„In den Augen?"
„Ja, Hafis. Möchtest Du solche Augen haben, die
das Glück sehen — allüberall?"
„G gib sie mir, Du herrliches Weib!" flehte der
Jüngling.
Nun lief die Fee nach der (Puelle zurück, tauchte
ihre Finger in das Wasser und bestrich damit Hafis'
Augen.
Als er erwachte, waren die Feen verschwunden.
Er schüttelte den Kopf, freute sich seines Traumes und
schritt seine Straße weiter. Und wie er so wanderte, kam
eine unwiderstehliche Lust über ihn, zu jauchzen und zu singen.
 
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