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Meggendorfer-Blätter — 60.1905 (Nr. 732-744)

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Nr. 744
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https://doi.org/10.11588/diglit.28104#0154
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Meggendorfer-Blätter, München


Unverhoffte Anteilnahme.

Vater wamperl: „Brrrl So einen Mehlpapp
möcht' ich nicht essen . . .


Da möcht' mir gleich —


schlecht werden I" . . .


Die Kunst der Schlußfolgerung.

H^^err Julius Finde war Geheimpolizist der Residenzstadt. Als solcher
/ genoß er den wohlerworbenen Ruf eines außerordentlichen Talentes,
aus den kleinsten Geringfügigkeiten richtige Schlüsse zu ziehen. So
war es ihm in vielen Fällen gelungen, verbrechen auf die Spur zu kommen
und verschwundene Personen zu entdecken, wo der Scharfsinn des Detektiv-
korps nicht mehr ausreichte.
Auch heute war ihm ein dringendes Schreiben von der polizeizentrale
zugekommen. Am Ufer des Stadtkanales wurde im Morgengrauen ein
perrenhut gefunden — ganz nahe am Wasser. Er möge zu eruieren ver-
suchen, wem der put gehöre, ob ein Verbrechen, Selbstmord oder
Unfall vorliege.
Sofort bemächtigte sich nach dem Durchlesen des amtlichen Schreibens
bei Finde der Spurgeift des gewiegten Geheimpolizisten. Auf dem Schreib-
tisch lag ein put, ein ganz gewöhnlicher put, schwarz, abgetragen, von
gebräuchlicher runder Form. Dem harten, bestaubten put fehlte das Futter.
Finde nahm den put in die pand, betrachtete ihn von innen und
außen, nahm dann die Luxe zu pilfe und begann ein Selbstgespräch, das
war so seine Gewohnheit. Frau Finde, die im anstoßenden Zimmer saß,
hörte zwar jedes Wort, doch störte sie ihren Mann durch kein lautes Wort
oder Geräusch, denn sie wußte schon, daß jeder Zwischenfall ihren Mann
in seinem scharfsinnigen Gedankengang lähme.
Finde begann seine lauten Schlußfolgerungen:
„Der put war seinerzeit ein feiner Modehut. Das beweist die Güte
des Filzes und die Form. Letztere trug man vor drei Jahren. Demnach
muß der Eigentümer der Kopfbedeckung vor drei Jahren in guten ma-
teriellen Verhältnissen gewesen sein. Daß aber der put verbogen und schmutzig
ist, beweist, daß der Besitzer in seinen Vermögensverhältnissen zurück-
gekommen sein muß, da er sich seit dieser Zeit keinen neuen kaufen konnte.
Der Mann muß aber auch verheiratet sein, denn das Band des putes
wurde bald nach dem Kaufe neuerdings angenäht. Die kleinen Nähnadel-
stiche weisen auf Frauenhand hin. Der Zwirn ist schon etwas verfärbt,
das beweist eben, daß die Frau für ihren Mann früher gesorgt hatte; später
hatte sie sich aber um ihn nicht gekümmert, denn sonst wäre der put nicht
so staubig und voller Flecken."
Finde tat einen tiefen Zug aus seiner pfeife und monologisierte weiter:
„Also der Mann hat eine Frau, die für ihn anfangs gesorgt, später
aber ihn ganz vernachlässigt hat. Demnach heiratete er sie vor drei Jahren,
sie lebten anfangs in Eintracht, später müssen Zwistigkeiten eingetreten
sein. Aus der Feinheit des putes muß geschlossen werden, daß der Besitzer
etwas auf sich hielt, dann aber verwahrloste. Die Schuld muß demnach an
der Frau liegen. Sie war verschwenderisch, richtete den Mann materiell
zugrunde."
Finde nahm ein Meßband zur pand und konstatierte die Kopfweite
des putes, dann fuhr er fort:



AbonnernenL-Kinladung.
Weggendorfer - WLätter, München.
II. Nuartal. 1905. 61. Band. 17. Jahrgang.
Mit nächster Lummer beginnt ein neues Luartal (61. Hand) und ersuchen wir unsre vrrehrlichrn Abon-
nenten, ihre Bestellungen sofort Zu erneuern, damit in der regelmäßigen Zusendung keine Verzögerung rinkrikk. —
Preis pro Luartal (13 Nummern) in Deutschland Mk. 3.—, Postbezug Mk. 3.05, in Srsterrrich-llngarn Ar. 3.60
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Sei direkter Zusendung unter Kreuzband: In Deutschland 3 Mk. 25 Pfg., in Sestrrreich-Ungarn Nr. 4.—
ins Ausland Mk. 3.60 — 4 Franks 50 Cts. — Einzelne Nummer 30 Pfennig oder 36 Heller.

München — Eßlingen — Wien I (Domgafse 4).

Mag der MegWöorfer-Mtter.
 
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