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Zeitschrift für Lsumor und Tiunsl

Seine Leidenschaft.
ein Freund Eduard ist sonst ein ganz netter Kerl, ein
vernünftiger, normaler Mensch. In seinem Aeußeren
unterscheidet er sich in nichts von andern Leuten. Er
hat ein liebenswürdiges, sanftes Gesicht mit einem kleinen, auf-
gewirbelten Schnurrbart. Seine Haare trägt er nie länger als
z mm mit der Maschine geschoren, und auf seiner Nase sitzt
ein Zwicker mit einer schönen schwarzen Einfassung. Seine
Anzüge sind von unauffälligem Schnitt und zeigen die un-
bestimmten Farben der Toga des Durchschnittskulturmenschen.
Kurz, er ist vollkommen normal.
Und doch hat dieser so harmlose junge Mensch eine Leiden-
schaft, eine wilde, furchtbare Leidenschaft, die ihn zuweilen
widerstandslos mit sich fortreißt, die ihn zu ihrem willenlosen
Sklaven erniedrigt. Diese Leidenschaft ist weder das Nikotin,
noch der Alkohol, weder der grüne Tisch, noch der grüne Rasen,
sondern — die Köchinnen.
Es ist dies etwas ganz Eigentümliches. Die Damen der
guten Gesellschaft nämlich, mögen sie noch so jung oder so reizend
sein, machen auf Eduard wenig Eindruck, hingegen braucht er
nur eine hübsche Küchenfee zu sehen und es ist zehn gegen eins
zu wetten, daß er sich sofort sterblich in sie verliebt und ein
Verhältnis mit ihr anbahnt. So ein verschwiegenes, intimes
Tete-a-Tete mit einem netten Küchenkäfer in dessen ureigenstem
Wirkungskreis geht ihm über alles, viel hat er dabei geduldet
und ertragen, vor herannahenden Hausfrauen ist er oft in
Schränke und unter Tische gekrochen, Hunde haben ihn gebissen,
Katzen ihn gekratzt. Einmal wäre ihm fast der kleine Finger
beim Speckschneiden abhanden gekommen, ein andermal gossen
sie ihm kochendes Wasser über die Sonntagshosen. Aber es
half alles nichts; er ließ sich nicht abschrecken und ging seinem
unglückseligen Hange weiter nach.
Man wird begreifen, daß es unter solchen Umständen keine
Kleinigkeit war, Eduard zu verloben. Aber schließlich hatten
seine alten Herrschaften und besonders seine Schwiegermama
in 8p6, die energische Frau Kommerzienrat Kern, das Kunst-
stück doch fertig gebracht, und Eduard begann allen Ernstes, seine
Rolle als glücklicher Bräutigam zu erfassen. Alle zwei Tage
mindestens erschien er zu Besuch bei den Kernschen Damen,
und man bemerkte keine Ausbrüche der furchtbaren Leidenschaft
mehr, die ihn früher in ihrem Banne hielt. So schien es, als
ob es binnen kurzem eine glückliche Ehe mehr geben sollte, als
plötzlich das entsetzliche Ereignis eintrat, von dem meine ge-
sträubte Feder Kunde geben soll.
Als nämlich Eduard, mit einem radgroßen Rosenstrauß be-
waffnet, eines Tages gegen zwölf Uhr bei seiner Schwiegermama
klingelte, fand er das Nest leer. Da ihm aber das mitleidige
Stubenmädchen versicherte, daß die Damen sehr bald zurück-
kommen würden, trat er dennoch in den Salon ein, um dort zu
warten. Das besorgte er auch gründlich, aber die Damen kamen
nicht. Endlich hörte er die Lntreetüre gehen, voll Freude
stürzte er auf den Korridor, aber es war niemand da; an-
scheinend war das Stubenmädchen hinausgegangen. So lief
denn der brave Eduard, sich im höchsten Grade mopsend, auf
dem langen Flure auf und ab, der sich noch weit in einen
Seitenflügel hinein erstreckte.
Gott, war das langweilig I Lin paarmal ertappte sich
Eduard beim Gähnen. Aber plötzlich ging es wie ein elektrischer
Schlag durch ihn. Horch, was war das? Hatte da nicht eben
ein Topfdeckel geklirrt? Richtig, hinter dieser Türe mit den
matten Glasscheiben war ja die Küche. Gb man da nicht. . .
Hm, aber die Braut! Ach was, Braut; wer weiß, in welcher
Konditorei die saß und schleckte.


(öauner-ösumor.


was soll ich denn nun machen?"
— „Bleiben Se noch e bißchen drin, vielleicht kommt 'ne
Wasserhose."
Mit zwei langen Schritten war er an der Türe, die er ganz
leise und behutsam öffnete. Donnerwetter, war das eine Küche,
groß und hell wie ein Saal! Aber wer stand denn dort, ihm
den Rücken zukehrend, an dein weiß gescheuerten Küchentisch?
Das war ja der reizendste Schatz, der je ein Kotelette panierte
oder ein Rebhuhn spickte!
Und während der Schein des Herdfeuers auf dein Fußboden
lustig hin und her tänzelte, während der Braten auf der Hlatte
von Zeit zu Zeit anheimelnd zischte, ging Eduard auf den
Zehenspitzen, mit beiden Armen balancierend, auf die süße
Küchenfee zu. Und indem er seine großen Hände ganz sachte
über ihre Augen legte, flötete er in seinen höchsten und ver-
liebtesten Tönen: „Rate, wer bin ich?!"
„Ein altes, unverschämtes Nilpferd sind Sie!" ries die Kleine
entrüstet, indem sie sich energisch herumwandte. Aber im
nächsten Augenblick wollte sie vor Schreck in die Erde sinken. „Ach,
der gnädige Herr I Ich dachte, es wäre — es wäre — der Friedrich !"
„So?" sagte Eduard, den: die eigentümliche Begrüßung
weiter nichts Ungewöhnliches war, „der Friedrich? Hier, der
Kutscher? Ja, was erlaubt sich denn der unverschämte Mensch? —
Aber er ist doch gar nicht hier!"
„Er putzt hinten die Türschlösser," sagte die Kleine, puterrot.
Eduard streichelte ihr beruhigend die Wange. „Na, na,
werden Sie doch nicht gleich so rot, Kindchen. — Ja, sagen Sie
'mal," fuhr er dann in geschäftsmäßigem Tone fort, „meine
liebe — — — liebe — — —"
„Martha!" hauchte sie.
„Also, meine liebe Marthel, ja, wann kommen denn nun
die Damen eigentlich zurück?"
„Ach!" sagte sie unschuldig und vertrauensvoll, „die gnädige
Frau und das gnädige Fräulein werden wohl nicht so bald
zurückkommen."
„Aeh," heuchelte Eduard, „sehr bedauerlich. Und die Lina
wohl auch nicht? Und außerdem muß man wohl klingeln, wenn
man herein will, was? Und der Friedrich, sagen Sie 'mal, das
ist wohl sonst ein ganz tüchtiger Mensch, der putzt, bis alles
blitzblank ist, was?" (Zorlsetzung Seite Z5§.)
 
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