München
„Ja," lachte sie, „er ist sonst eine ganz brave Seele I"
„Nun," meinte Eduard resigniert, „da wird wohl nichts
andres übrig bleiben, als daß Sie mir etwas Gesellschaft leisten.
Also, ullons, meine holde Martha, aus diese Ban? von polz
werde ich mich setzen, wenn
Sie gestatten."
Na, das kam der Kleinen
allerdings etwas komisch vor.
Aber dem Bräutigam ihres
Fräuleins gegenüber ris¬
kierte sie keine Remonstra¬
tionen. Und so machte sie
denn gute, ja sogar sehr gute
Miene zum bösen Spiel, was
freilich zum Teil auch auf
den faszinierenden Einfluß
zurückzuführen war, den
Eduard seinerseits auf alle
Köchinnenherzen ausübte.
So plauschten sie denn ein
paar Minuten miteinander.
Aber plötzlich tat Marthel
einen kleinen Bestürzungs¬
schrei : „perrgott, ich vergesse
ja ganz, meine Knödel zu
machen; ich werde ja gar
nicht mehr fertig werden!"
„Na, wenn's weiter
nichts ist," rief Eduard
feurig, „da werde ich Ihnen
eben helfen. Na ja, glauben
Sie, ich kann's nicht? Ich
habe schon andre Sachen gemacht, wie ein paar lumpige Knödel
geknetet."
Marthel lachte ganze Trillerketten. „Sie können Knödel
kneten? Ich möchte fast wetten, Sie bringen keinen fertig."
„Gut!" sagte Eduard, „wetten wir. Drei gegen eins meinet-
wegen. Wenn ich gewinne, bekomme ich von Ihnen einen
Kuß, und wenn ich verliere, gebe ich Ihnen dreie!"
Und damit streifte er auch schon, trotzdem Marthel diese
Bedingungen gar nicht zu passen schienen, seine Rockärmel auf,
stellte seine Manschetten auf den Tisch und griff dann mit
beiden pänden, nachdem er sich von ihrer peinlichen Sauber-
keit überzeugt hatte, nach dem schon hergerichteten Teig.
Er knetete erst ein paarmal drin herum und dann formte er
drei so vollendete Knödel, wie sie selbst ein Gberhofleibkoch nicht
besser fertig bringen konnte.
Marthel war ganz baff. Aber als sich Eduard von ihrem
erstarrten kleinen Munde seinen süßen Lohn holen wollte, kniff
sie aus. Nein, das wollte sie nicht! Aber Eduard konnte sich
natürlich nicht menagieren. Er lief ihr nach und jagte sie
schließlich in der ganzen Küche herum. Zuletzt sah er schon
gar nicht mehr, wo er hinlief, und so rannte er denn plötzlich
an ein großes, an der Wand hängendes Blechbecken an, das
nun mit donnerähnlichem Krachen auf den Boden heruntertofte.
Und im selben Augenblick klingelte es am Entree.
Einen Augenblick standen die beiden da, wie zu Salz-
säulen erstarrt. Dann sprang Eduard auch schon lautlos aus
der Küche in den Flur und von dort in den Salon. Atemlos,
an allen Gliedern vor Entsetzen zitternd, brachte er dort seine
Aermel in Ordnung und versuchte die Teigspuren von seinen
Fingern zu entfernen. Unterdessen läutete man am Entree
Sturm. In gellender Raserei erklang die Glocke immer wieder,
bis Marthel endlich öffnen ging.
Es waren die Damen vom Pause. Die Frau Kommerzienrat
nahm sich erst gar nicht Zeit, ihrer Köchin im Entree etwas
zu sagen, sie stürzte sofort in die Küche, ihre Tochter hinterher.
Aber da brach es los, daß der zitternde Eduard jedes Wort
verstehen konnte; denn sie
war eben sehr energisch und
wußte ja nicht, daß jemand
im Salon wartete.
„Was ist denn das für
ein unerhörter Unfug in der
Küche? Wer hat denn die
große Schüssel hier herunter-
geworfen? Das war ja ein
schreckliches Getöse! Ach,
die Beulen! Nun, Antwort!
Warum können Sie nicht
gleich aufmachen, wenn ich
klingle, nun? Wie sehen
Sie denn überhaupt aus?
Martha! Martha! wer ist
hier in der Küche gewesen?
Denn hier ist doch jemand
bei Ihnen gewesen, eine
Mannsperson! Nun, nun!
Wollen Sie es nicht bald
sagen?"
Aber das arme Mädel
sagte nichts.
„Nun, dann werde ich
es Ihnen sagen," schrie die
Gnädige aufs neue, „wo
ist Friedrich?"
„Er putzt hinten die Türschlösser," antwortete Marthel
schluchzend.
„So! Die Türschlösser! In der Küche ist er bei Ihnen
gewesen. Zusammen habt ihr wieder gesteckt und euch gegen-
seitig von der Arbeit abgehalten. Sie faule, nichtsnutzige Person,
noch nicht 'malKnödel haben Sie gemacht. Aber ich will euch helfen!"
Mit dieser Drohung stürzte sie davon, um nun auch Friedrich
den Kopf zu waschen. Non dem, was sich in den Hinteren
Zimmern absxielte, vernahm Eduard der weiten Entfernung
wegen nichts. Erst nach einigen Minuten hörte er wieder, wie
sich eine erregte Menschenmasfe der Küche zuwälzte.
„Nun," rief die Rätin höhnisch, „da fragen Sie sie doch
selbst, da kann sie es ja sagen. Aber beschwindeln Sie mich
doch nicht!"
„Nu' also, Martha," sagte darauf eine erregte Kutscherstimme,
„bin ich hier in der Küche gewesen oder nicht?"
Aber Martha sagte wieder nichts, nur in ein hörbares
peulen brach sie aus.
In diesem Augenblick öffnete Else Kern, die der peinlichen
Szene entgehen wollte, die Türe zum Salon.
„Ah, guten Morgen, Eduard! — Mama, hier ist ja Eduard!"
Eduard, der sich unterdessen völlig gefaßt hatte, kam nun,
auf den Flur und begrüßte Braut und Schwiegermama.
„Ach, entschuldigen Sie, perr Schmitt," sagte die Rätin
„Sie sind wohl eben gekommen. Entschuldigen Sie. Ich habe
eine schreckliche Szene mit den Dienstboten. Else, geh doch
mit perrn Schmitt in den Salon! — Nun," herrschte sie dann
wieder den Kutscher an, „was sagen Sie nun? Sie heult.
Das beweist genug. Wer soll es denn überhaupt gewesen
sein! Ls ist ja niemand da außer Ihnen."
„Ich bin's nicht gewesen. Und wenn alle im Pause sagen,
ich bin's gewesen, ich bin's doch nicht gewesen. Und damit basta!"