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Meggendorfer-Blätter — 60.1905 (Nr. 732-744)

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Nr. 744
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https://doi.org/10.11588/diglit.28104#0161
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Zeitschrift für Lfurnor und Aunst


Mit hochrotem Koxfe ging er zu seinem Putzlappen zurück.
„Nun," rief ihm die Rätin erbost nach, „wenn Sie zu
Ihren: unverschämten Gelüge noch frech sein wollen, können
Sie ja gehen zum fünfzehnten. — Ach," setzte sie zu Eduard
gewandt hinzu, „ist es nicht entsetzlich, sich mit solchen faulen,
nichtsnutzigen und dazu noch verlogenen Menschen herumärgern
zu müssen!"
Und Eduard klappte zustimmend zusammen und sagte:
„In der Tat, gnädige Frau!"
Eine Stunde später saßen die Damen Kern beim Essen
und mit ihnen Eduard. Denn die Frau Kommerzienrat, die
sich nach ihrem Auftreten als Megäre in ihrer ganzen Liebens-
würdigkeit zeigen wollte, hatte darauf bestanden, daß er mit
ihnen speiste. Eduard war die Sache einigermaßen peinlich,
besonders seiner Manschetten wegen, die noch immer friedlich
in der Küche lagen, da er bei seiner eiligen Flucht ganz ver-
gessen hatte, sie mitzunehmen, wenn es ihn: nun auch bisher
gelungen war, sein etikettenwidriges Manko zu verbergen, so
fürchtete er doch, daß man bei Tisch seine peinliche Blöße ent-
decken würde. Und so kam es auch. Else Kern, die neben
ihm saß und ihn mit ihren großen Märchenaugen forschend
betrachtete, sagte plötzlich:
„Ich weiß nicht, Eduard, Du siehst heute so eigentümlich
mit Deinen Aermeln aus. Ah, jetzt sehe ich, Du hast ja keine
Manschetten an!"
„Ach, Verzeihung — xardon — bitte um Entschuldigung!"
stotterte Eduard. „Ich glaubte, es würde nicht bemerkt werden.
Ich muß sie zu Pause
vergessen haben. —
Bitte tausendmal um
Entschuldigung. Ah,
jetzt weiß ich, ja,
ich habe sie beim
Fortgehen in meinem
Zimmer liegen lass en.
Aber siehst Du," setzte
er mit einem glück¬
lichen Gedanken und
einer leichten Ver¬
beugung nach seiner
Braut hinzu, „das
kommt davon, wenn
man an nichts andres
denkt, nichts andres
im Kopfe hat als
Dich, liebe Else!"
Die Frau Rat
lachte amüsiert auf,
aber Elses Miene
wurde eher ernster.
Sie sah starr auf
seine pand.
„Du an mich ge¬
dacht? Wie Du an
mich denken magst,
sehe ich eben jetzt
sehr deutlich. Wo
hast Du denn Deinen
Verlobungsring?
Auch vergessen, was?" — Das traf Eduard wie ein elektrischer
Schlag. Bestürzt sah er auf seine Finger.
„Ach, tatsächlich! Ich weiß wirklich nicht. Ich werde ihn
doch nicht verloren haben. Er ist mir nämlich etwas zu groß.

Ich habe ihn doch aber heute früh noch gehabt, vor dem
waschen habe ich ihn abgezogen und auf das Tischchen gelegt."
Die Damen ließen Messer und Gabel ruhen und sahen
gespannt auf Eduard.
„Ja, da müssen Sie sofort nachsehen, perr Schmitt," sagte
die Rätin. „Und wenn er sich nicht findet, sofort annoncieren.
Gold mit Brillanten!"
„Na," sagte Eduard mit etwas erzwungener Lustigkeit,
„so schlimm wird es ja nicht gleich sein. Possen wir das Beste.
Aller Voraussicht nach liegt er ruhig und sicher zu Pause bei
meinen Manschetten."
Man begann wieder zu essen, sprach aber zunächst kein Wort.
Da mit einem Male lehnte sich die Rätin, ganz bleich im
Gesicht, nach hinten zurück und sah fassungslos bald auf Eduard,
bald auf ihren Teller.
„Aber . . . aber . . . perr Schmitt! Sehen Sie doch
hier . . . aus meinem Teller! Das ist ja Ihr Ring, Ihr Ver-
lobungsring!"
Zu Tode erschrocken sahen die beiden andern hin.
„Ja, perr Schmitt! Er ist es. Gold mit Brillanten. Und
wissen Sie, wo er war? Pier . . . hier ... in diesem Knödel!"
Alles war sprachlos. Da klopfte es an die Türe und bald
daraus erschien Friedrich auf der Schwelle, mit einem paar Man-
schetten in der pand. „Ich wollte bloß sagen, Frau
Kommerzienrat, daß ich die Stulpen hier in der Küche gesunden
habe, vielleicht kriegen Sie nu' 'raus, wer bei der Köchin
gewesen is'."
Damit stellte er die
Stulpen,diediewohl-
bekannten goldenen
Knöpfe Eduards aus-
wiesen, impertinent
grinsend aus die
Schwelle und ver-
schwand wieder. Man
wurde noch sprach-
loser. Endlich stand
Else Kern von ihrem
Stuhle aus. Die Lip-
pen fest zusammenge-
knissen, drehte sie
langsam ihren Ver-
lobungsring vom
Finger. Dannlegtesie
ihn vor Eduard hin
und sagte freundlich:
„Da, perr Schmitt,
haben Sie Ihren
Ring wieder. Stecken
Sie ihn Ihrer Mar-
tha an den Finger.
Mder lassen Sie sich
ihn durch die Nase
ziehen. Mder ver-
schlucken Sie ihn —
in einem Knödel!
Den Mund können
Sie ja weit genug
ausmachen." Dann
lachte sie kurz aus, wandte sich umsund verließ das Zimmer.-
Ist das nicht schrecklich? Ist das nicht entsetzlich? Ein so
netter junger Mann und muß eine so unglückselige Leiden-
schaft haben.
 
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