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Meggendorfer-Blätter — 61.1905 (Nr. 745-757)

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Nr. 751
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Meggendorfer-Blätler, München

Die Gerechtigkeitswage.

bu Muhammed, der junge Kalif, saß mißmutig auf seinem
Prachtdiwan; seine perlenbesetzte Wasserpfeife schmeckte
ihm nicht und aufrichtige Trauer erfüllte sein Perz;
denn Ali ed-Danaf, sein getreuer Großwesir, war gestorben,
nachdem er fast ein halbes Jahrhundert die Regierungsgeschäfte
mit solch tiefer Weisheit und Pingabe geführt hatte, daß dem
Kalifen fast nichts zu tun übrig blieb.
Nun gab es zwar im Lande viele, die auf Grund ihrer
Fähigkeiten das Erbe Ali ed-Danafs beanspruchen konnten;
aber gerade dieser Umstand brachte den Kalifen in arge Ver-
legenheit, da die Gerechtigkeitsliebe seiner Dynastie im Laufe
der Jahrhunderte sprichwörtlich geworden war und er tatsächlich
nicht wußte, welcher von den Bewerbern den berechtigtsten
Anspruch auf den verantwortungsvollen Posten des Großwesirs
hatte. In diesen Zweifeln fiel ihm plötzlich die Wunderwage
ein, welche Passan ibn Enes, der Großvater seines Vaters, vor
vielen, vielen Jahren von Er-Rabia — dem im Rufe eines

hatte. In den schwierigsten Fällen, wo menschliche Einsicht
nicht mehr zu entscheiden vermochte, auf welcher Seite das Recht
und auf welcher das Unrecht sei, nahmen die Kalifen ihre Zu-
flucht zu dieser Wunderwage, und was sie entschied, war un-
anfechtbar und lautere Wahrheit. Abu Muhammed freute sich
nicht wenig über seinen guten Einfall, berief sofort seinen
ganzen Pofstaat, die Würdenträger und sein gesamtes Volk und
sprach also zu ihnen: „Freundei wie ihr wißt, ist Ali ed-
Danaf, mein getreuer Großwesir, zu seinen Vätern eingegangen
und hat mir damit die schwere Pflicht auferlegt, einen würdigen
Nachfolger zu bestimmen; bei der großen Anzahl vorzüglicher
und oft bewährter Bewerber jedoch, die hiebei in Betracht
kommen, vermag ich mit meinem schlichten Menschenverstände nicht
zu entscheiden, welcher von ihnen das begründetste Anrecht auf diese
höchste Stelle besitzt. Um also bei der Ernennung nach bestem
Wissen und Gewissen vorzugehen, habe ich beschlossen, die Ver-
dienste jedes einzelnen auf der goldenen Wunderwage zu wägen
und ihr die Entscheidung zu überlassen, auf daß Gerechtigkeit
und nur Gerechtigkeit walte! Die Weisheit
des Propheten stehe uns bei!" Auf einen
Wink des Kalifen trugen nun zwei Sklaven
eine herrliche goldene wage herbei; der Kalif
aber nahm die mit schweren Siegeln versehene
Ernennungsurkunde, auf der alle Pflichten,
welche dem Großwesir zukamen, sorgfältig ver-
zeichnet waren und legte sie auf die eine
Schale der wage; dann sprach er: „wer da
glaubt, daß seine Verdienste und Fähigkeiten
so schwer in die Wagschale fallen, daß sie
das Gewicht der andern Schale aufheben, der
trete vor und werfe das Päckchen seiner Ver-
dienste auf jene Seite der wage." . . . Lin
breitschultriger Mann mit ernsten Zügen trat
vor und legte sein Paket auf die leere Schale
— tief sank sie nieder, aber das Gegengewicht
war schwerer, „wer ist dieser Mann?" fragte
der Kalif den alten Kadi der Pauptstadt, der
alle Würdenträger und bedeutenden Männer
des Landes kannte. „Es ist Ali ed-Adem,"
erwiderte dieser, „unser junger Kriegsheld,
der vor drei Jahren mit einem kleinen päuf-
lein den räuberischen Linfalpunsrer Nachbarn
vom Stamme Fezzaru zurückgeschlagen, die
Angreifer bis in ihre Pauptstadt verfolgt und
Dich zum Kalifen von Fezzaru ausgerufen hat;
es war ein tapferes Stückchen und sein Paket
enthält Mut und Entschlossenheit." Nuham-
med lächelte dem Krieger freundlich zu und
hieß den Nächsten nähertreten. Es war ein
hochgewachsener Mann mit energischem und
doch freundlichen Gesichtsausdruck. Auch er
legte sein Päckchen auf die leere Schale;
wiederum sank sie tief hernieder, aber das
Gewicht der andern erwies sich als schwerer.
Der Kalif wandte sich fragend zu dem alten
Kadi. „Das ist Ali ed-Kadir," war die Ant-
wort, „Dein Stellvertreter im Lande der Fez-
zaru; durch geschicktes Benehmen, Taktgefühl
und festes Auftreten hat er es in zwei Jahren
so weit gebracht, daß Du die Männer von
Fezzaru heute zu Deinen treuesten Untertanen
zählen kannst; sein Paket enthält ,Intelligenz

peiligen stehenden Kadi von Bagdad — zum Geschenke erhalten


Konditormeister: „Nun, hast Du Deine Bäckerprüfung gut bestanden?"
Lehrling: „M ja!"
Konditormeister: „was hättest Du aber getan, wenn Du durchgefallen wärst?
Lehrling: „Dann wäre ich Konditor geworden."
 
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