I^eggcndorfer-Blätter, INünchen
Wichtig für Werhändler.
Belohnte Ehrlichkeit.
an welche Adresse er den so unrechtniäßig er-
worbenen Schirm zurücksenden könne. Das fehlte
auch nicht. Das erste, was er der treuen Gattin
erzählte, war diese Geschichte, und er war hoch
erfreut, als diese ihm eine Karte vorwies aus
Ragaz, auf der der Hotelier „unter bester Ver-
dankung der Anzeige" mitteilte, daß ein Stamm-
gast des ksotelrestaurants sich wegcn des Schirmes
geineldet, und daß nach den gemachten Angaben
es sich jedenfalls um den mitgenommenen handle.
„Na, das tut mir ordentlich wohll" rief
Tobias Lhrle sehr erleichtert.
„Aber, wo hast Du denn den schönen Schirm?"
fragte etwas zögernd die besorgte Gattin.
„Den Schirm? Den muß ich doch draußen
abgestellt haben."
Die Frau Professor eilte hinaus auf den
Aorridor.
„Ls ist nichts da von einem Schirm."
Der kserr Professor eilte hinaus auf den
Aorridor. Lr suchte, suchte. Ia, wirklich — es
war nichts da von einem Schirml Im Zug
hatte er ihn noch gehabt, das wußte er genau.
Also hinaus an die Bahn; der Zug, mit dem
er gekommen, blieb ja hier liegen. Lr fragte
auf dem Bureau, fragte links und fragte
rechts. Nichts, nichts. Der schöne Schirm
(Lortsetzung Seite 7)
Linfachster Auerochsenfang durch Drahtschlingen mit rotem Papier überzogen.
Belohnte Ehrlichkeit.
dieser pfingsttour trennte er fich von ihm, aber nur, wie es schien, um
seiner Gutmütigkeit die Arone aufzusetzen.
Als nämlich der bserr Professor des andern Tags stch in Zürich im
Metzgerbräu mit einem Freunde zusammenfand, war dessen zweites Wort
zu dem etwas später Lrscheinenden^ „Ia, Alter, Du hast wohl das große
Los gewonnen, daß Du mit einem so feinen seidenen Schirm auf die Reise
gehst, statt Deines mir seit zwei Lustren wohlbekannten ehrwürdigen
Reiseschirms?"
Ietzt erst wurde der professor gewahr, daß er in der Tat über Nacht
Besitzer eines wahren Prachtexemplars von Schirm geworden war, der mit
dem alten, bisher so treuen Reisekumpan gar nichts, aber auch gar nichts
gemeinsam hatte, als einen ähnlich geformten Griff. Dieser hatte auch das
tlnglück — „das Glück", korrigierte dsr Freund — verschuldet. Gestern in
dem vollgepfropften Schirmständer des thotels hatte Tobias Lhrle einfach nach
dem Griff gegriffen und dabei, ohne es zu ahnen, einen so guten Griff
getan. Letztcren Ausdruck brauchte der Freund; Tobias Lhrle war nicht
der Mann, das so zu nennen.
„Ich muß sofort ins tsotel Lattmann schreiben," bemerkte er, „denn
höchst wahrschcinlich ist dort die verwechslung vor fich gegangen."
„Das kannst Du ja tun," meinte der Freund, „aber Du wirst Dir nicht
einbilden, daß der Fremde, dessen Schirm Du erwischt, dort wartet, bis der
ehrliche verwechsler fich meldet, wenn er überhaupt an ein so gutes Aamel
glaubt! Der ist natürlich längst über alle Berge. Und außerdem kannst
Ou den Schirm ja gerade so gut auf der Bahn odec in einem andern Lokal
gepackt haben. Uebrigens hat ein j?rofessor so oft schon einen Schirm zu
scinem Schaden verwechselt, daß es wohl auch einmal umgekehrt sein
kann, ohne daß er sich große Skrupel zu machen braucht."
Aber dieser Zuspruch half nichts. Tobias Lhrle fühlte sich in seinem
Gewissen beunruhigt, und noch desselben Abends schrieb er in der Sache
an das Lsotel. In zwei Tagen wollte er wieder zu ksause in Aonstanz
sein und hoffte — hoffte wirklich — da Antwort vorzufinden,
Ls lag ein weißes Blatt Papier
Am Schreibtisch — früh am Ulorgen;
Lin scharfgespitzter Bleistift lag
Daneben sonder Sorgen.
Lin Iüngling fand die beiden so —
wie für ihn hergerichtet,
Lr fuhr sich durch das Lockenhaar,
Und sxrach: „Ietzt wird gedichtetl"
Ein Zittern ging durch das Papier,
Dcm Stift die Sinne schwanden . . .
Sie tauschten einen langen Blick
Und — hatten sich verstanden.
Das erste Wort entguoll bereits
Dem hehren Vichtermunde —
Lin Riß — und dem Papiere gab
Der Stift die Todeswunde.
Dann brach er sich die Spitze ab
Ulit einem schrillen Arache —
kseil euch— ihr starbt den tseldentod
Um eine edlc Sachel Ernft
Wichtig für Werhändler.
Belohnte Ehrlichkeit.
an welche Adresse er den so unrechtniäßig er-
worbenen Schirm zurücksenden könne. Das fehlte
auch nicht. Das erste, was er der treuen Gattin
erzählte, war diese Geschichte, und er war hoch
erfreut, als diese ihm eine Karte vorwies aus
Ragaz, auf der der Hotelier „unter bester Ver-
dankung der Anzeige" mitteilte, daß ein Stamm-
gast des ksotelrestaurants sich wegcn des Schirmes
geineldet, und daß nach den gemachten Angaben
es sich jedenfalls um den mitgenommenen handle.
„Na, das tut mir ordentlich wohll" rief
Tobias Lhrle sehr erleichtert.
„Aber, wo hast Du denn den schönen Schirm?"
fragte etwas zögernd die besorgte Gattin.
„Den Schirm? Den muß ich doch draußen
abgestellt haben."
Die Frau Professor eilte hinaus auf den
Aorridor.
„Ls ist nichts da von einem Schirm."
Der kserr Professor eilte hinaus auf den
Aorridor. Lr suchte, suchte. Ia, wirklich — es
war nichts da von einem Schirml Im Zug
hatte er ihn noch gehabt, das wußte er genau.
Also hinaus an die Bahn; der Zug, mit dem
er gekommen, blieb ja hier liegen. Lr fragte
auf dem Bureau, fragte links und fragte
rechts. Nichts, nichts. Der schöne Schirm
(Lortsetzung Seite 7)
Linfachster Auerochsenfang durch Drahtschlingen mit rotem Papier überzogen.
Belohnte Ehrlichkeit.
dieser pfingsttour trennte er fich von ihm, aber nur, wie es schien, um
seiner Gutmütigkeit die Arone aufzusetzen.
Als nämlich der bserr Professor des andern Tags stch in Zürich im
Metzgerbräu mit einem Freunde zusammenfand, war dessen zweites Wort
zu dem etwas später Lrscheinenden^ „Ia, Alter, Du hast wohl das große
Los gewonnen, daß Du mit einem so feinen seidenen Schirm auf die Reise
gehst, statt Deines mir seit zwei Lustren wohlbekannten ehrwürdigen
Reiseschirms?"
Ietzt erst wurde der professor gewahr, daß er in der Tat über Nacht
Besitzer eines wahren Prachtexemplars von Schirm geworden war, der mit
dem alten, bisher so treuen Reisekumpan gar nichts, aber auch gar nichts
gemeinsam hatte, als einen ähnlich geformten Griff. Dieser hatte auch das
tlnglück — „das Glück", korrigierte dsr Freund — verschuldet. Gestern in
dem vollgepfropften Schirmständer des thotels hatte Tobias Lhrle einfach nach
dem Griff gegriffen und dabei, ohne es zu ahnen, einen so guten Griff
getan. Letztcren Ausdruck brauchte der Freund; Tobias Lhrle war nicht
der Mann, das so zu nennen.
„Ich muß sofort ins tsotel Lattmann schreiben," bemerkte er, „denn
höchst wahrschcinlich ist dort die verwechslung vor fich gegangen."
„Das kannst Du ja tun," meinte der Freund, „aber Du wirst Dir nicht
einbilden, daß der Fremde, dessen Schirm Du erwischt, dort wartet, bis der
ehrliche verwechsler fich meldet, wenn er überhaupt an ein so gutes Aamel
glaubt! Der ist natürlich längst über alle Berge. Und außerdem kannst
Ou den Schirm ja gerade so gut auf der Bahn odec in einem andern Lokal
gepackt haben. Uebrigens hat ein j?rofessor so oft schon einen Schirm zu
scinem Schaden verwechselt, daß es wohl auch einmal umgekehrt sein
kann, ohne daß er sich große Skrupel zu machen braucht."
Aber dieser Zuspruch half nichts. Tobias Lhrle fühlte sich in seinem
Gewissen beunruhigt, und noch desselben Abends schrieb er in der Sache
an das Lsotel. In zwei Tagen wollte er wieder zu ksause in Aonstanz
sein und hoffte — hoffte wirklich — da Antwort vorzufinden,
Ls lag ein weißes Blatt Papier
Am Schreibtisch — früh am Ulorgen;
Lin scharfgespitzter Bleistift lag
Daneben sonder Sorgen.
Lin Iüngling fand die beiden so —
wie für ihn hergerichtet,
Lr fuhr sich durch das Lockenhaar,
Und sxrach: „Ietzt wird gedichtetl"
Ein Zittern ging durch das Papier,
Dcm Stift die Sinne schwanden . . .
Sie tauschten einen langen Blick
Und — hatten sich verstanden.
Das erste Wort entguoll bereits
Dem hehren Vichtermunde —
Lin Riß — und dem Papiere gab
Der Stift die Todeswunde.
Dann brach er sich die Spitze ab
Ulit einem schrillen Arache —
kseil euch— ihr starbt den tseldentod
Um eine edlc Sachel Ernft
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Wichtig füt Tierhändler; Heldentod
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildunterschrift: Einfachster Auerochsenfang durch Drahtschlingen mit rotem Papier überzogen.
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1905
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1910
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 62.1905, Nr. 758, S. 6
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
Universitätsbibliothek Heidelberg