Aeitschrift fürLsuMor und Aunfl
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I^'eniLnt terrible.
rau Gberst Schmitt war zwar eine ungewöhnlich gut-
mütige, aber trotzdem sehr kluge Dame. Daß zwischen
ihrer achtzehnjahrigen Tochter Lena und deren vetter,
dem Mberlcutnant tllühlbauer, eine Neigung sich herausgebildet
hatte, die über die unter verwandten gewöhnlich ohnehin nicht
allzu kräftige Liebe hinausging, stand ihr über jedem Zweisel.
Als aber eincs schöncn Morgens der kleine Ulilli, der
' Sohn ihrer ältesten Tochter, der bei der Großmama seit einigen
Ulochen zu Besuch war, sie in seiner kindlichen Unschuld sragte,
warum der vetter kjans der Tante Lena immer und immer
wiedcr im Garten „etwas in den Mund gesagt habe", da war
sie dennoch und nicht besondcrs angenehm überrascht.
Sie suchtc vor allcm das wißbegierige Gemüt des Aleinen
mit dcr Lrklärung zu beschwichtigen, daß Tante Lena wahr-
scheinlich Ghrenweh haben werde, denn sonsr hätte der vetter
ksans ihr seine Nkitteilungen gewiß auf dcm sonst üblichen tvege
zukommen lassen.
Außerdem aber trug sic ihm strengstens auf, ja niemand,
am allerwenigstcn aber dem Großpaxa davon ctwas zu klatschen,
der würde sonst mit seincm großen Säbel der armen kena ohne
weiteres dcn Aopf abhauen, und das werde doch der tvilli
sicherlich nicht wünschen.
Nachdem das Aind, dem das Aopfabhauen mächtig
imponiertc, versxrochen hatte, ganz gewiß zu schweigen, ließ
die Frau Mberst sofort ihre Tochter bitten, einige Augenblicke
in ihr Boudoir cinzutreten, sie habe mit ihr etwas tvichtiges
zu besprechen.
Lcna, eine nette Blondine, wußte, als der Bediente es ihr
ausrichtete, nur zu genau, um was sich diese tlnterredung in
der bsauptsache drehen werde. Die beiden, der vetter und sie,
waren pcinlichst bctroffcn gcwcscn, als plötzlich hinter einem
Busch der klcine Neffe auftauchte und ihr mit weit geöffneten,
zornigen Augen seine ksilfe gegen den bösen Vetter antrug.
In ihrer verlegenheit hatte sie das Bürschchen dadurch beruhigen
wollen, daß fle es versichcrte, es habe falsch gesehen, der vetter
lsans habe ihr nichts tun wollen, sondern ihr nur etwas in
den Mund gesagt. Der Nichtsnutz hatte das nun wahrscheinlich
der Mama geratscht und infolgcdessen wagte sich Lena vor Angst
kaum in das Zimmer, wo ihre Richterin mit gerunzelter Stirne
sie erwartete. lvie eine Sünderin stand sie da, die Augen zu
Boden gerichtet, den blopf, in dessen'Nacken der dicke Zopf so
traurig herabhing, als teilte er die Gewissensbisse seiner Trägerin,
tief auf die Brust gesenkt. In den ksänden hielt sie das feine
Spitzentuch, an dem sie beständig nestelte. Sie machte nicht
den geringsten versuch zu leugnen oder die schwere Schuld von
sich abzuwälzen, sondern gab mit leiser, aber sicherer Stimme
zu, daß sie sich von vetter ksans habe küssen lassen und fügte
nur als mildernden Umstand hinzu, daß sie nicht minder uner-
schütterlich entschlossen sei, sich von dem gcnannten Frevler so°
gar heiraten zu lassen.
„So, so, also Du läßt es aufs Lußerste ankommen, Lena.
Li, ei, schau 'mal einer so 'nc grasgrüne lvildnis an l Du weißt
doch, daß Papa dem Vetter ksans nicht besonders hold ist."
„Papa heiratet ihn ja auch nicht," meinte kena trotzig mit
den Achseln zuckend.
„Sei etwas weniger schnippisch, kena, und überlege einmal,
ob Du Dir einen ungeschicktcren Moment hättest aussuchen können,
diese Geschichte zur Lntscheidung zu bringen, als gerade jetzt,
wo Papa so furchtbar schlecht gelaunt istl"
„Du kennst doch Papa, wie aufgeregt er immer vor jeder Be-
förderung war. Das ändert sich ja schon in den nächsten Tagen.
Ls fällt ihncn gar nicht ein, ihm den blauen Brief zu senden."
(Lortsetzung Seite 30)
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I^'eniLnt terrible.
rau Gberst Schmitt war zwar eine ungewöhnlich gut-
mütige, aber trotzdem sehr kluge Dame. Daß zwischen
ihrer achtzehnjahrigen Tochter Lena und deren vetter,
dem Mberlcutnant tllühlbauer, eine Neigung sich herausgebildet
hatte, die über die unter verwandten gewöhnlich ohnehin nicht
allzu kräftige Liebe hinausging, stand ihr über jedem Zweisel.
Als aber eincs schöncn Morgens der kleine Ulilli, der
' Sohn ihrer ältesten Tochter, der bei der Großmama seit einigen
Ulochen zu Besuch war, sie in seiner kindlichen Unschuld sragte,
warum der vetter kjans der Tante Lena immer und immer
wiedcr im Garten „etwas in den Mund gesagt habe", da war
sie dennoch und nicht besondcrs angenehm überrascht.
Sie suchtc vor allcm das wißbegierige Gemüt des Aleinen
mit dcr Lrklärung zu beschwichtigen, daß Tante Lena wahr-
scheinlich Ghrenweh haben werde, denn sonsr hätte der vetter
ksans ihr seine Nkitteilungen gewiß auf dcm sonst üblichen tvege
zukommen lassen.
Außerdem aber trug sic ihm strengstens auf, ja niemand,
am allerwenigstcn aber dem Großpaxa davon ctwas zu klatschen,
der würde sonst mit seincm großen Säbel der armen kena ohne
weiteres dcn Aopf abhauen, und das werde doch der tvilli
sicherlich nicht wünschen.
Nachdem das Aind, dem das Aopfabhauen mächtig
imponiertc, versxrochen hatte, ganz gewiß zu schweigen, ließ
die Frau Mberst sofort ihre Tochter bitten, einige Augenblicke
in ihr Boudoir cinzutreten, sie habe mit ihr etwas tvichtiges
zu besprechen.
Lcna, eine nette Blondine, wußte, als der Bediente es ihr
ausrichtete, nur zu genau, um was sich diese tlnterredung in
der bsauptsache drehen werde. Die beiden, der vetter und sie,
waren pcinlichst bctroffcn gcwcscn, als plötzlich hinter einem
Busch der klcine Neffe auftauchte und ihr mit weit geöffneten,
zornigen Augen seine ksilfe gegen den bösen Vetter antrug.
In ihrer verlegenheit hatte sie das Bürschchen dadurch beruhigen
wollen, daß fle es versichcrte, es habe falsch gesehen, der vetter
lsans habe ihr nichts tun wollen, sondern ihr nur etwas in
den Mund gesagt. Der Nichtsnutz hatte das nun wahrscheinlich
der Mama geratscht und infolgcdessen wagte sich Lena vor Angst
kaum in das Zimmer, wo ihre Richterin mit gerunzelter Stirne
sie erwartete. lvie eine Sünderin stand sie da, die Augen zu
Boden gerichtet, den blopf, in dessen'Nacken der dicke Zopf so
traurig herabhing, als teilte er die Gewissensbisse seiner Trägerin,
tief auf die Brust gesenkt. In den ksänden hielt sie das feine
Spitzentuch, an dem sie beständig nestelte. Sie machte nicht
den geringsten versuch zu leugnen oder die schwere Schuld von
sich abzuwälzen, sondern gab mit leiser, aber sicherer Stimme
zu, daß sie sich von vetter ksans habe küssen lassen und fügte
nur als mildernden Umstand hinzu, daß sie nicht minder uner-
schütterlich entschlossen sei, sich von dem gcnannten Frevler so°
gar heiraten zu lassen.
„So, so, also Du läßt es aufs Lußerste ankommen, Lena.
Li, ei, schau 'mal einer so 'nc grasgrüne lvildnis an l Du weißt
doch, daß Papa dem Vetter ksans nicht besonders hold ist."
„Papa heiratet ihn ja auch nicht," meinte kena trotzig mit
den Achseln zuckend.
„Sei etwas weniger schnippisch, kena, und überlege einmal,
ob Du Dir einen ungeschicktcren Moment hättest aussuchen können,
diese Geschichte zur Lntscheidung zu bringen, als gerade jetzt,
wo Papa so furchtbar schlecht gelaunt istl"
„Du kennst doch Papa, wie aufgeregt er immer vor jeder Be-
förderung war. Das ändert sich ja schon in den nächsten Tagen.
Ls fällt ihncn gar nicht ein, ihm den blauen Brief zu senden."
(Lortsetzung Seite 30)
Werk/Gegenstand/Objekt
Pool: UB Meggendorfer Blätter
Titel
Titel/Objekt
Sommer
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Inschrift/Wasserzeichen
Aufbewahrung/Standort
Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio
Objektbeschreibung
Objektbeschreibung
Bildbeschriftung: Nur der D-Zug rast verdoppelt, / Vollgepfropft und schweißdurchschäumt!
Maß-/Formatangaben
Auflage/Druckzustand
Werktitel/Werkverzeichnis
Herstellung/Entstehung
Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Entstehungsdatum
um 1905
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1910
Entstehungsort (GND)
Auftrag
Publikation
Fund/Ausgrabung
Provenienz
Restaurierung
Sammlung Eingang
Ausstellung
Bearbeitung/Umgestaltung
Thema/Bildinhalt
Thema/Bildinhalt (GND)
Literaturangabe
Rechte am Objekt
Aufnahmen/Reproduktionen
Künstler/Urheber (GND)
Aufbewahrungsort (GND)
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 62.1905, Nr. 760, S. 29
Beziehungen
Erschließung
Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication