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(06

Isleggendorfer-BIätler, Blünchen

Der -Liebesbrief.

— „lfolla, dcr Alte ist
selbst am Fenster und will
unsre Liebeskorrespondenz
abfangen I

wart', altcr Argus, ich
mill Dir cin Lricfchen her-
richten, an dem Du geuug
babcn sollst!

Vor dem guten, alten Aachelofen stand das 5ofa, darauf
ich mir mit meinen Aissen und Decken eine bequeme Lagerstatt
hergerichtet hatte. Als ich den Brief an Dich beendigt hatte,
löschte ich die Lamxe und griff im Dunkeln nach der Vfentür,
zog ste ganz auf und ließ mich dann schluchzend in die Aissen
fallen. Bald verfiel ich in Bewußtlosigkeit.

Da war mir's wie im Traum, als hörte ich ein verworrenes
Geräusch, Alopfen, Schreien, lferumtrapxen und dann ein
fürchterliches Gelächter von tausend Stimmen, hoch und tief,
kceischend und schluchzend, eine lföllenmusik. jdlötzlich hob mich
etwas in die lföhe und ich fühlte es kalt und naß über das
Gesicht rieseln. Ich riß die Augen auf, da fuhr mir wieder
das Aalte über den Aopf uud jetzt erkannte ich auch, was cs
war: ein großer Schwamm, den man über mir ausdrückte, daß
das wasser in ein untergehaltencs Waschbecken floß. Aber
Du guter Gott, das war doch kein wasser? Seit wann über-
schüttet man Ghnmächtige mit Tinte? Decke, Aissen, meine lfände,
meine Arme, alles schwarz, lktama mit geflecktem Gesicht, jdapa
und lfelene schwarzwciß gestreift und lachend, alle lachend, daß
ihuen die Tränen nur so herunterkollcrn. Das kam mir so
cmpörend vor, daß ich aufsprangund meiner Tntrüstuug gebührend
Luft machte ^— sie hörten nicht auf zu lachen. llnd als schließ-
lich der Doktor kam und die Iebra-Gesellschaft versammelt sah,
— ich hätt' ihn crdrosseln mögen — er lachte auch.

„kfaben wohl ein bissel stark Verlobung mitgefeiert, Fräu-
lein?" meinte er spöttisch und blinzelte zu lfelene hinüber.
Aber da wurde es mir zu bunt; ich, die sterben wollte,
noch ausgelacht und für beschwipst gehalten werdcn, gibt es
denn nur Spott und lfohn in der welt? Und ich erzählte,
weinend vor Zorn und Entrüstung und warf dem Doktor meine
Vcrwunderung an den Aoxf, daß er cine Aohlengasvergiftung
uicht von einem Ilatzenjammer unterscheiden könne. Wahr-
scheinlich sei ihm der letztere ein so geläufiger Zustand, daß
er alles in diescr Richtung taxiere. Er steckte meine Grob-
heitcn ruhig ein und rief in die Rüche den Befehl hinaus,
cin Bad herzurichtcn. Dann wurdeu die andern vernommen, die
zuerst iu mein Zimmer gckommcn warcn, und jeht erfuhr ich
endlich, welch' tllckischcr Zufall das Gelingen meincs vorsatzes
hatte scheitern lassen.

Die Aöchin war die Lrste gewesen, die mein Zimmer bc-
trat; sie hatte aber nur einen Lntsetzensschrei ausgestoßen
und war zu kjelene gelaufen, die ebenfalls schreiend zu Mama
rannte und die entsetzten Eltern in mein Iimmer zog, wo sie
händeringend einen regungslos auf dem Sofa licgenden kohl-
schwarzen Alumpen betrachtetcn. Im Zimmer allcs voll Ruß,
denn ich Unglückswurm hatte im Dunkeln statt der Bfentür die
in den Ramin mündende Tür aufgezogen und da in der Nacht
ein starker Sturm herrschte, tricb der Ruß in N)olken ins Zimmer.

Aber laß' Dir fertig erzähleni Als sie endlich heraus-
gefunden hatten, was das Schwarze am Sofa war, kriegten
sie's mit der Angst und jagten die Aöchin nach dcm Doktor.
Mama und ljelcne heulten (der lehtcrcn vcrgönn' ich dicsc
Viertelstundej. Papa rannte wie ein Raubtier im Aäfig hcrum,
bis cr die Flasche auf dcm Schrcibtisch cutdcckte und daran roch.
Ls war nämlich nichts mehr drinnen. Da — ua, das brauch'
ich Dir nicht mchr zu schildern, ich vergesse cs mcin Lcbtag nicht,
das gräßliche Gclächtcr.

Ictzt ist mir schon wicder ganz wohl; mchr als des Doktors
Mixturen hat mich dic Aussicht gesund gemacht, zu Dir fahren
zu dürfcn. Ach ljilde, das wird zu schön! Aeine Schule mehr,
Freiheit, goldcnc Freihcit und das herrliche Lebcn bei euchl
Ich habe mir schon fest vorgenommen, crst nach lfause zu kommen,
bis ich auch verlobt bin; entweder als Braut oder gar nicht.
Gelt, Dein Tousin, dcr Radett, wird ja bald Lcutnant? Nnd

Seitc 107.)



So', der Schwcfelfadcn
brennt ganz schönl

4


Lravol vicl Vergnügcn
zur Lektürel"
Image description

Werk/Gegenstand/Objekt

Titel

Titel/Objekt
Der Liebesbrief
Weitere Titel/Paralleltitel
Serientitel
Meggendorfer-Blätter
Sachbegriff/Objekttyp
Grafik

Inschrift/Wasserzeichen

Aufbewahrung/Standort

Aufbewahrungsort/Standort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Inv. Nr./Signatur
B 2529-158-1 Folio

Objektbeschreibung

Objektbeschreibung
Bildunterschrift: - "Holla, der Alte ist selbst am Fenster und will unsre Liebeskorrespondenz abfangen! // Wart', alter Argus, ich will Dir ein Briefchen herrichten, an dem Du genug haben sollst! // So', der Schwefelfaden brennt ganz schön! // Bravo! Viel Vergnügen zur Lektüre!"

Maß-/Formatangaben

Auflage/Druckzustand

Werktitel/Werkverzeichnis

Herstellung/Entstehung

Künstler/Urheber/Hersteller (GND)
Meggendorfer, Lothar
Entstehungsdatum
um 1905
Entstehungsdatum (normiert)
1900 - 1910
Entstehungsort (GND)
Esslingen am Neckar

Auftrag

Publikation

Fund/Ausgrabung

Provenienz

Restaurierung

Sammlung Eingang

Ausstellung

Bearbeitung/Umgestaltung

Thema/Bildinhalt

Thema/Bildinhalt (GND)
Karikatur
Satirische Zeitschrift
Mann
Fenster
Liebesbrief
Neugier
Streich <Scherz>
Feuer
Explosion

Literaturangabe

Rechte am Objekt

Aufnahmen/Reproduktionen

Künstler/Urheber (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Aufbewahrungsort (GND)
Universitätsbibliothek Heidelberg
Reproduktionstyp
Digitales Bild
Rechtsstatus
In Copyright (InC) / Urheberrechtsschutz
Creditline
Meggendorfer-Blätter, 62.1905, Nr. 766, S. 106

Beziehungen

Erschließung

Lizenz
CC0 1.0 Public Domain Dedication
Rechteinhaber
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