Meggendorfer-Blätter (63.1905 (Nr. 771-783))

Zeitschrift für Humor und Aunst

sOö

Zukunftsbild in den Alpen.


„Siegfried, mei' Gold, sag' wie steh'n se, die Kredit?

Äer alte Freund.
Line lustige Geschichte von Paul Blisr.

n jeden! Jahr erschien — wie das nun schon ZUN!
zchntcnmal geschah — zum Geburtstag der schönen
Frau Lergemann ein Dienstmann und brachte einen
Strauß ganz prächtiger La France-Rosen für die Frau des
Hauses, und in dem Strauß versteckt mar eine kleine weiße
Karte, die — wie alljährlich — die paar Worte enthielt: Zum
Andenken an frohe Stunden! Lin alter Freund.
Und Frau Lmma nahm den Strauß entgegen, errötete
lächelnd und sagte dann zu ihrem Ulann: „Wenn ich nur
ivüßtc, wer der gute, alte Freund ist."
Darauf drohte der Gatte dann mit einem schelmischen
Lächeln und meinte: „Hör' 'mal, liebe Lmma, wenn ich nicht
so ein guter Lhcmann wäre, müßte ich jetzt wirklich eifer-
süchtig werden."
So hatte sich seit Jahren dieselbe Szene in ganz derselben
Weise stets an jedem Geburtstag abgespielt, und so verlief sic
auch diesmal wieder.
Die Kindcrschar umtanzte jubelnd den Gabentisch, und
alle Festlciluchnicr waren mehr oder minder mit den Geschenken
beschäftigt, nur die Frau des Hauses allein stand abseits, sah
mit träumenden Augen auf die Rosen und hing den Gedanken
an die Vergangenheit nach; — wer mochte dieser alte Freund
wohl sein? Wer war es, der in so stummer Verehrung jahraus
jahrein ihrer gedachte? — Sie grübelte lange, aber sic wußte
nicht, wen sie für den Spender halten sollte.
Da trat ihr Wann heran, beobachtete sic mit einem heim-
lich zufriedenen Lächeln und fragte dann ..Run, Frauchen, hast

Du denn für gar nichts andres mehr Augen, als nur für diese
anonyme Spende?"
Frau Lmma erschrak, errötete auch ein wenig, als ob
man sie auf verbotenen Wegen ertappt hätte, dann aber
lächelte sie mit offenherzigen Augen und antwortete: „Eigent-
lich sollte ich doch schon daran gewöhnt sein, diesen anonymen
Gruß als etwas Selbstverständliches hinzunehmen, und trotzdem
freue ich mich jedesmal aufs neue darüber, wenn er ankommt,
— ja, offen gestanden, ich hatte sogar schon heimlich Angst
ausgestanden, bevor der Strauß abgegeben war."
Der Gatte lächelte sehr fein, dann fragte er: „Nun und
wenn in diesen! Jahre kein Strauß gekommen wäre?"
„Dann wäre cs kein so froher Geburtstag für mich ge-
worden," entgcgncte sie offen.
„Na hör' 'mal," meinte er launig, „gelten Dir Dein Mann
und Deine Kinder so wenig?"
Mit heiterem Gesicht verneinte sie. „Du weißt recht gut,
daß ich mir in der Nezichung keinen Vorwurf zu machen habe,
lieber Lmil, — eine Schwäche aber habe auch ich, und das ist:
ein bißchen Eitelkeit."
Er stellte sich erstaunt und sah sie fragend an.
Lächelnd nickte sie. „Wäre jetzt kein Gruß von dem ano-
nymen Verehrer gekommen, so hätte ich mir sagen müssen:
,AH, jetzt bist Dn eine alte Frau geworden, jetzt hast Du keinen
Reiz mehr, jetzt hält man es nicht mehr der Mühe wert, Dir
Huldigungen darzubringen' — und das tut weh, selbst wenn
man auch wirklich schon zu altern beginnt."