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München

Der fdilaue
Rntonin
Don 1*1. Roda Roda
Tante Klara fchrieb
mir einen fjprefj-
brief, deffen Inhalt
mich höchlich über-
rafchte. Der Brief
mar ziemlich lang. 0
Ruf den erften zehn
Seiten erzählte Tante
Klara, fie hätte vor
zwei Jahren mit Mr.
Brown aus RewBorh
vier Wochen in Rei-
chenhall verbracht.
Mr. Brown, der in
feiner Jugend Braun
hiefj und in Darm-
ftadt lebte. Er habe
Tante Klara fehr lieb
gewonnen. Sie gin-
gen täglich miteinan-
der fpazieren und
machten Rusflüge
über dieRamsau nach
dem Königsfee. Mr.
Brown wäre Witwer
und fchwer reich. Ei-
ner der vielen Millio-
näre von tlew Bork,
die drüben noch nicht
mitzählen, zu Haus
aber mächtig impo-
nieren. 00
Rls ich foweit gelefen
hatte, dachte ich er-

Praktifth


Wir richteten gemein-
fam alles zum Emp-
fang der Dollarprin-
zeffin her. Und war-
teten ftündlich auf
ein Telegramm. War-
teten — drei, fechs,
acht Tage. 00
„Du, Tante, ich glau-
be, die kommen gar
nicht.“ 00
„Oh, Tie hommen ge-
wi§, Rntonin! Mr.
Brown ift fehr reell
und würde (ich nicht
erlauben . . .“ 00
Wir warteten noch
drei Tage. 00
„Tantchen, ich mulj
heute dringend in die
Stadt.“ 00
„Tu’s nicht, Rntonin
— vielleicht trifft
heute die nachricht
ein.“ 00
Ich blieb, und Tant-
chen rekapitulierte
alle inre Rarfchläge:
Brav fein, lieb fein,
aufmerkfam fein.
Höflich, fromm, und
anftändig. Flicht etwa
der Richte den Hof
machen, fondern der
Millionenerbin. 00
Eines Tages endlich
ftürzte Tantchen zu
mir auf die Terraffe,

fchredct, dafj meine
gute Erbtante Klara
heiraten wollte. Erft
fieben Seiten fpäter
hob (ich der fchmerz-

Der Haus- und ßartenbefitjer Pröpphe findet, dafj die Erdbeeren am betten
fchmecken, wenn man fie felbft pflückt und gleich verzehrt. Rus diefem
ßrunde feijt er lieh zurzeit der Reife mitten in die Beete und braut dort
an Ort und Stelle feine Erdbeerbowle!

fchwenkte eine De-
pefche und jubelte:
„Sie kommen, fie
kommen.“ Und freute
Eich mächtig, die gute

liehe Druck von mei¬
nem Herzen. Rein, Tante Klara hatte
nichts Uebles im Sinn. Rudi Mr. Brown
war nicht fo. Er will feiner reizenden
alten Treundin nur eine hleine Ruf-
merhfamkeit erweifen und fchickt feine
Tochter und Richte, die ihre Europareife
machen, zu Tante Klara zu ßaft. Tantchen
fchrieb mir: die Tochter wäre Mr. Browns
Einzige, die Richte aber ein Waifenhind,
ganz auf Mr. Browns 6üte angewiefen.
0 Ich, ich follte augenblicklich packen
und zu Tante Klara reifen. Es müfjte
natürlich ausfehen, als wäre ich zu-
fällig zu Befuch gekommen. Tantchens
Programm war auf einer hurzen Brief-
feite eng und bündig zufammengefaljt.
Man kann’s noch hürzer ausdrücken:
Ich follte kommen, fehen und liegen.
„Siegen“ ift hier ein Euphemismus für
Heiraten. Selbftverftändlich Milj Brown
und nicht etwa die Richte.


Tante. Das Spitjen-
ding, das fie auf dem Kopfe trägt, war
ihr aufs linke Ohr gerutfeht. 00
Ich fprang auf, umfafjte Tantchen und
tanzte mit ihr einen Walzer auf den
Steinfliefen. Die Rite honnte es wahr-
haftig noch ganz fein. 00
Ich pfiff — natürlich pfiff ich: „Hab’
mich lieb . . Tantchen neigte den
Kopf und blinzelte mich an. Wir fchlei ften
graziös zwifchen den Korbmöbeln, tinhs
herum um den bunten Stuhl, rechts um
das Sofa. Ich pfiff, fchon ein wenig
atemlos, aber gefühlvoll, da . . . 00
Mit einem Ruck hielten wir an. Zwei
junge Damen ftanden vor uns und
lachten — lachten aus votier Kehle. 0
Mitj Beffie Brown und Miij Maud. (Eine
von zwei Rmerikanerinnen mulj ja
Maud heilen.) Milj Maud Ruland.
Die Depefche hatte fich ve.rfpätet. 00
Die beiden Damen packten ihre Koffer
 
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