Nr. 1222
ZeitschrifL für Humor und Kuust
173
Der Wagc» fährt nicht nach dem Bahnhof
siegenden Qnelle seines Mundes anzufeuchten. Deshalb
nehme ich den Fahrschein mit einer gewissen Freude ent-
gegen. Er wirft das Nickelstück in seine Tasche. Dann
wendet er sich an die Fahrgäste in meiner Nachbarschaft.
„Also — die Äerrschaften sind Zeugen! Ich hab's von
Ansang an gesagt: der Wagen fährt nicht nach dem Bahn-
hos. Ich hab's ihm ein paarmal gesagt. !lnd nachher —
wer ist schuld? Immer der Schaffner. Aber die Äerr-
schasten sind Zeugen."
Rechts und links von mir erhebt sich Murmeln, ein
aus Zustimmung, beifälliger Entrüstung, Verwunderung und
verschiedenen andern Ingredienzien gemischtes Murmeln.
Lier und dort werden Zwiegespräche nngeknüpst. Theorien
werden anfgeworfen; als die am meisten einleuchtende wird
schließlich diese allgemein angenommen: Er wird halt nicht
deutsch können! — Dann werden gelehrte Antersuchnngcn
darüber angestellt, welche Sprache er wohl spricht.
Ich entfalte eine Nummer des letzten Morgenblattes.
Die Antersnchungen über die Sprache werden eingestellt.
Kopfschütteln.
Der Lcrr rechts ncben mir, ein dicker, freundlicher Lerr
mit einer landwirtschaftlichen Mütze auf dem Laupt, gibt
mir einen Stoß zwischen die Nippen. Er brüllt mir in die
Ohren: „Sie! Äams nöt ghört — der Wagen fährt nicht
nach dem Bahnhos!"
Ich packe meine Zeitung wieder zusammen und sehe
schlicht gerade aus. Neues Murmeln, aus dem sich wieder
eine Theorie herausschält. „Mit dem ist's nicht richtig!
Der ist ja gefährlich! Am End' wird er gar auf cinmal
wild. Man müßt' nach dem Schutzmann rufen." Ein Mann
vorn in der linken Ecke des Wagens, der schwerhörig zu
sein scheint, erkundigt sich, was denn los wäre. Er wird
darüber aufgeklärt, daß sich ein Wahnsinniger im Wagen
besände. Eine kleine diirre Fran mit einem Körbchen auf
dem Arm stüchtet erschreckt auf die vordere Plattform.
Ieht kommt die Laltestelle, in deren Nähe mein Friseur
wohnt. Der Schaffner schaut schies zu mir herüber, —
lauernd, abwartend. Ich winke. „Bitte, halten!"
Ein Naunen geht durch den Wagen. Blicke solgen
mir, indes ich ihn durchschreite, Blicke, die Erleichterung
kunden, Besreiung von schweren Nätseln. Der Schaffner
schaut mich verweisend an. „Warum haben S' denn nicht
gleich gesagt, wo Sie hinwollen? Bloß, daß wir hier unsere
Schererei haben! Ich kann doch nicht wissen, daß Sie sich
auskennen." — Während ich dann über die Straße gehe,
pressen sich viele Gesichter an die Scheiben des weiter
fahrenden Wagens.
Wenn ich wieder einmal mcine Neisetasche und meinen
Neisemantel bei mir habe und zufällig zu meinem Friseur
will, werde ich diese interessante Tatsache doch lieber aller
Welt mitteilen.
— „Warum svll man da erst an die See sahren. Mehr
hab ich von der Ostsee auch nicht zum Baden beansprucht,
weun ich dort war, als wie so ein Fleckchen."
2) s/i s/v/s
^ 9 ^
Ul3Vk7Ile!cflIlc?l pro!<U5c1l
6ui-ck lückei'al'UFes aus-
slckt. Lnt.nclUms 6ci-
I^lSl6un9SLlücI<s lu t.a6ct-
loscm 2ust.an6.
kl. 150-
t<ost.en lüi- Wüsctls. 16Mc, 3UeieI ..
3IIuZlrlsrls Kalologs üd>. I^sclsr- u. s.uxusv/arsn lloslsnlvs
l^lverl vloLenkain
ncn^on
vl'688UI'clI18t. u. 2!üellt6l'6i 6li6l8t. Kc1856liunll6
ßlrvl.u.kitmko. !vll1l!8!v6 I?lOv. 8rlLilS. (vlsclii )
KS- Bei Bestclliiiihcii bcziehc nian sich stets aiif diefe Zcitschrift.
^.UoiniKö lusertttöllnnllttllllu;: lluäoll IVlüSLe. L.ullOll06ll-lIx>n!<1ilioll.
ZeitschrifL für Humor und Kuust
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Der Wagc» fährt nicht nach dem Bahnhof
siegenden Qnelle seines Mundes anzufeuchten. Deshalb
nehme ich den Fahrschein mit einer gewissen Freude ent-
gegen. Er wirft das Nickelstück in seine Tasche. Dann
wendet er sich an die Fahrgäste in meiner Nachbarschaft.
„Also — die Äerrschaften sind Zeugen! Ich hab's von
Ansang an gesagt: der Wagen fährt nicht nach dem Bahn-
hos. Ich hab's ihm ein paarmal gesagt. !lnd nachher —
wer ist schuld? Immer der Schaffner. Aber die Äerr-
schasten sind Zeugen."
Rechts und links von mir erhebt sich Murmeln, ein
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wohnt. Der Schaffner schaut schies zu mir herüber, —
lauernd, abwartend. Ich winke. „Bitte, halten!"
Ein Naunen geht durch den Wagen. Blicke solgen
mir, indes ich ihn durchschreite, Blicke, die Erleichterung
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schaut mich verweisend an. „Warum haben S' denn nicht
gleich gesagt, wo Sie hinwollen? Bloß, daß wir hier unsere
Schererei haben! Ich kann doch nicht wissen, daß Sie sich
auskennen." — Während ich dann über die Straße gehe,
pressen sich viele Gesichter an die Scheiben des weiter
fahrenden Wagens.
Wenn ich wieder einmal mcine Neisetasche und meinen
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will, werde ich diese interessante Tatsache doch lieber aller
Welt mitteilen.
— „Warum svll man da erst an die See sahren. Mehr
hab ich von der Ostsee auch nicht zum Baden beansprucht,
weun ich dort war, als wie so ein Fleckchen."
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