12
Meggendorfer-Blätter, München
Nr. 122'
Lerr Drischkaleit und der Vohnenkuchen
der siegreich enden sollte, nnd deshalb richtete sie noch aus
dem Zuge heraus an Lerrn Drischkaleit das Wort. „Im
Winter muß es doch schrecklich einsam bei Ihnen sein.
Na, Sie sitzen ja wohl nicht die ganze Zeit da draußen."
Drischkaleit aber, der Esel, sah den Strohhalm nicht, der
ihm hingehalten wurde; oder eigentlich war es schon eher
ein Strick, ein solides Tau. Nein, er nrerkte nichts und
sagte nur, auch im Winter wäre es herrlich in Schlorrkitten,
so herrlich, daß man gewiß nicht fortzufahren brauchte. Da
ruckte der Zug an. Tante Lermine erhob ihre Stimme.
„Der Mensch soll es nicht immer zu gut haben, Lerr Drisch-
kaleit. And wenn Sie zur Abwechslung doch einmal von
Schlorrkitten fortgehn, dann besuchen Sie uns doch. Mel-
leicht so um Weihnachten herum." Lerr Drischkaleit lief
ein Stiickchen neben dem Zug einher. „Mit dem allergrößten
Vergnügen!" schrie er. !lnd dann blieb er zurück. Aber
die Bernhardineraugen blickten wieder etwas freudiger.
Tante Lermine schloß das Fcnster. „Na also, zu
Weihnachten wird er uns besuchen."
„Ach ja!" sagte Kusine Klara.
Zn den nächsten Monaten kamen eine Reihe von An-
sichtskarten von Lerrn Drischkaleit. Er schien zu ihrer Er-
zeugung eigens einen Photographeu engagiert zu haben,
der ganz Schlorrkitten nebst den Vorwerken Blaschkitten
und Worschkitten hatte photographieren müssen; das Guts-
haus von allen Seiten, das Billardzimmer darin, das Speise-
bimmer, das ehemalige Wohnzimmer der verstorbenen Mama
Drischkaleit — „Boudoir" hatte Lerr Drischkaleit aus die
Karte geschrieben und das sinnige Wort sogar zu unter-
streichen sich erlaubt — Partien am Spirdingsee und so
weiter. Wenn er jemand mit Schlorrkitten eine Offerte
hätte inachen wollen, hätte er nicht eindringlicher verfahren
können. Nun, im Grunde steckte ja auch eine Offerte dahinter.
Am zwanzigsten Dezember traf Lerr Drischkaleit tat-
sächlich ein. Aber erft am dreiundzwanzigsten klingelte er
zart an Tante Lermines Tür, — so lange schien er sich
angstvoll im Lotel verborgen gehalten zu haben. Auch suchte
er noch nach einer Begründung sür seine Neise; landwirt-
schaftliche Maschinen wollte er sich ansehn, erzählte er. Tante
Lermine aber ließ das nicht gelten. „Ach was, Lerr Drisch-
kaleit, Ihre Wirtschast ist sicher so gut in Ordnung, daß
Sie keine neuen Maschinen brauchen." Da senkte er verlegen
die Bernhardineraugen.
Tantes Äoffnung auf eine Verlobung unter dem Weih-
nachtsbaum oder wenigstens beim Silvesterpunsch erfüllte
sich nicht. Lerr Drischkaleit schien, fern dem Boden seiner
Leimatprovinz, noch ängstlicher als im Sommer. Da teilte
mir Tante Lermine einen Entschluß mit. „Löre mal, das
kann ich so nicht länger ansehn. Für den Dreikönigstag
wird Drischkaleit zum Nachmittagskaffee eingeladen, und
dazu backe ich einen Bohnenkuchen. Es ist ein alter, schöner
Brauch, in einen Napskuchen zwei Bohnen hineinzubacken,
und wenn dann ein junges Mädchen und ein junger Mann
je ein Stück mit einer Bohne bekommen, — nun, du weißt
doch, daß es dann heißt, sie werden noch im selben Iahr
ein Paar werden. Wenn Drischkaleit dann nicht Mut
bekommt-"
Tantes Absicht war mir nicht ganz klar. „Ia, wie
kannst du denn wissen, daß nun gerade Klara und Drisch-
kaleit die Bohnen bekommen werden?"
Tante Lermine zuckte die Achseln. „Wenn ich das nicht
mal arrangieren könnte, dann müßte ich ja dümmer sein
als Klara und Drischkaleit zusammen. Ich rühre die Bohnen
natürlich nicht in den Teig; ich stecke sie in den fertigen
Kuchen, auf der Innenseite. Änd den Kuchen zerschneide
ich selbst. Ein paar Gäste müssen wir noch haben, aber ich
lade nur Onkel Paul und Tante Luise ein. Iunge Leute
würden nur stören; da würde Drischkaleit ganz und gar
scheu werden."
Tante Lermine kann ausgezeichnet backen, aber solch
ein Kuchen, wie er diesmal der Form entstieg, war ihr noch
nie gelungen. Sie hatte vorher Angst gehabt, ob er auch
. 1227. 2. luli 1914. wsörlionsxodükrev 4xsspslt. I^oupui'silleLsilo 1 ülark. Alleinigö 1vs6rat6v-A.QNLlim6 bei s!IIl!0! 1 IV10886, Imillllllkll-slpklliklllll
^llnobsn, Osrlin, Lrsslsu, SuäLpsst, dksmni ts, Löln, vrssäsn, Oüsssläort, irrnnksui t, ttambnrx, b.sip2ig, Ltsxäoburss, blunnbsim, ttürnberx, UruA, Ltultkurt, IlV isn, Lürieb.
keslsHunxsn auk <Zis »oelieosusxLdv dei alisn ZZued- rurä Xuvetdaoäiunxen, ^eitunxs-Lxpsäitionen vnä kostäintsrn. OaartLlpreis (13 RurninerQ) jn Oeutsedlanä 21. 8.—,
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I?08td62ux 21. 3.0o, untsr j^reurdanä 21. 3.25. In Oesterreied-IInLLrn X 8.60, kostberux L 3.85, unter Krousdanä k —. d'ür äis auäeren diänäsr äes VVeltpostversins
unter Xreurbanä 21. 4.30 — 1'r. 5.50. Linsslns I^uminer 30 kkx. oä. 36 k. — ZLlon-Nek'tnusxrLbe (14täxix), fädrl. 26 käekte a 50 oä. 60 d nur äured äsn iiueddanäsl.
Irn kdoto - LLtalvA 1LVV
ApparLtv 1n versodLeäenen
2u8LN1M6N8Le1!uN86N.
tliiiiiittkiiteil
I kdolo^rLpdiscde I
^lppsrsle
I?rlsm6ngl3ssr, pslästsoder, I
lUbrsn, 6olä«Lrsn, Koklsi', >
I lVlusllcvkarsn.SprsolimLsoliln. >
I LLtLloßs äsr ^svvünsedtsn >
I0^85 D 6v.
Nerllo 6. 313
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Meggendorfer-Blätter, München
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der siegreich enden sollte, nnd deshalb richtete sie noch aus
dem Zuge heraus an Lerrn Drischkaleit das Wort. „Im
Winter muß es doch schrecklich einsam bei Ihnen sein.
Na, Sie sitzen ja wohl nicht die ganze Zeit da draußen."
Drischkaleit aber, der Esel, sah den Strohhalm nicht, der
ihm hingehalten wurde; oder eigentlich war es schon eher
ein Strick, ein solides Tau. Nein, er nrerkte nichts und
sagte nur, auch im Winter wäre es herrlich in Schlorrkitten,
so herrlich, daß man gewiß nicht fortzufahren brauchte. Da
ruckte der Zug an. Tante Lermine erhob ihre Stimme.
„Der Mensch soll es nicht immer zu gut haben, Lerr Drisch-
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leicht so um Weihnachten herum." Lerr Drischkaleit lief
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Tante Lermine schloß das Fcnster. „Na also, zu
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„Ach ja!" sagte Kusine Klara.
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Drischkaleit — „Boudoir" hatte Lerr Drischkaleit aus die
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dazu backe ich einen Bohnenkuchen. Es ist ein alter, schöner
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