Zeitschrist für Humor und Kunst
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Die Blumen
Frau Karpf hat eine
kleine Villa vor der Stadt, und
Frau Oberinspektor Müller
kam eines schönen Nachmit-
tages heraus, um Frau Karpf
zu besuchen.
„Guten Tag, meine liebe
Frau Karpf," sagte Frau
Oberinspektor Müller, „nein,
was Sie doch für herrliche
Blumen in Ihrem Garten
haben. ilnd noch dazu um
diese Iahreszeit!"
Frau Oberinspektor Mül-
ler versteht zwar nicht viel
von Blumen, noch ist sie über-
haupt eine Freundin derselben,
aber sie weiß, Frau Karps
hört es gern, wenn man ihre
Blumen lobt. Denn diese sind
ihr ganzer Stolz, und deren
Pflege ist ihre Lebensausgabe.
„Wirklich, meine Liebe,"
antwortet Frau Karpf mit
eitler Selbstgefälligkeit, „ist
das Ihr Ernst? Wie gütig
Sie sindl"
Nebenbei allerdings gibt
es ihr einen vernehmlichen
Stich durchs Lerz. Sie wird
nun nicht umhin können, ihre
schönsten Stücke zu opsern und
sie ihrem liebenswürdigen Be-
suche zu verehren.
„Aber natürlich, meine
Gute," knüpft die Frau Ober
inspektor Müller an die Frage
der Frau Karpf an, „es ist
mein voller, mein heiligster
Ernst. Wer könnte diese lieb-
lichen Kinder Floras betrach-
ten, ohne in hellstes Entzücken
auszubrechen? And wer müßte
nicht gleichzeitig in aufrichtigste
Bewunderung geraten, wenn
er bedenkt, wieviel kunstge-
rechte Pflege ünd aufopfernde
Sorgfalt dazu gehört, diese süße Liugenweide aus unschein-
baren Pflänzchen hervorzuzaubern? Nein, meine beste Frau
Karps, ich sage es noch einmal und betone es ganz aus-
drücklich, es ist mein Ernst."
„Sie glauben garnicht, teuerste Freundin," erwidert
Frau Karps, „wie ein so warmes Wort der Anerkennung
aus berufenem Munde wohltut. Aber was gälte mir all
die herrliche Zier, gäbe sie mir nicht Gelegenheit, andern
damit eine Freude zu machen? Indessen, meine liebe Frau
Oberinspektor, was bedeuten Ihnen mit Ihrein geläuterten
Geschmack einpaar so anspruchslose und armselige Kinderchen
der Natur?"
„Frau Karpf, geehrte Freundin," versichert in seierlich
beschwörendem Tone die Frau Oberinspektor Müller, „wenn
ich je einen ungerechten Vorwurf mit ungeheuchelter Ent-
rüstung zurückgewiesen habe, so ist es dieser. Allein schon
— „Du bist anscheinend schlechter Laune, Klara?"
— „Anscheinend? Lieber köimmel, und ich dachte
Wunder, wie sehr ich dich darunter leiden ließe."
die von ebensoviel Großmut wie klneigennützigkeit zeugende
Andeutung, sich einiger Ihrer Lieblinge zu Gunsten anderer
entäußern zu wollen, ist so wahrhast beglückend und er-
hebend, daß sie die freudigste Genugtuung aller Blumen-
freunde hervorrufen muß."
„And ich muß ebenso feierlich dagegen protestieren,"
beschwor auch Frau Karpf, „daß ich auch nur einen Schimmer
von Besriedigung an meiner Blumenzucht hätte, wüßte ich
nicht, daß andere meine Freude daran mit mir teilten.
Also müssen Sie mir schon erlauben, meine Beste, Ihnen
einige bescheidene Blümchen mit in Ihre düstere Stadt
hinein zu geben."
„Am mich für meine ganze Lebenszeit zu Ihrer un-
tröstlichen Schuldnerin zu mache». meine gütige Freundin!"
„O Limmel, nein, Verehrteste! Die Schuldnerin bin
ich, wenn ich weiß, daß die Blicke einer solch ausgezeichneten
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Die Blumen
Frau Karpf hat eine
kleine Villa vor der Stadt, und
Frau Oberinspektor Müller
kam eines schönen Nachmit-
tages heraus, um Frau Karpf
zu besuchen.
„Guten Tag, meine liebe
Frau Karpf," sagte Frau
Oberinspektor Müller, „nein,
was Sie doch für herrliche
Blumen in Ihrem Garten
haben. ilnd noch dazu um
diese Iahreszeit!"
Frau Oberinspektor Mül-
ler versteht zwar nicht viel
von Blumen, noch ist sie über-
haupt eine Freundin derselben,
aber sie weiß, Frau Karps
hört es gern, wenn man ihre
Blumen lobt. Denn diese sind
ihr ganzer Stolz, und deren
Pflege ist ihre Lebensausgabe.
„Wirklich, meine Liebe,"
antwortet Frau Karpf mit
eitler Selbstgefälligkeit, „ist
das Ihr Ernst? Wie gütig
Sie sindl"
Nebenbei allerdings gibt
es ihr einen vernehmlichen
Stich durchs Lerz. Sie wird
nun nicht umhin können, ihre
schönsten Stücke zu opsern und
sie ihrem liebenswürdigen Be-
suche zu verehren.
„Aber natürlich, meine
Gute," knüpft die Frau Ober
inspektor Müller an die Frage
der Frau Karpf an, „es ist
mein voller, mein heiligster
Ernst. Wer könnte diese lieb-
lichen Kinder Floras betrach-
ten, ohne in hellstes Entzücken
auszubrechen? And wer müßte
nicht gleichzeitig in aufrichtigste
Bewunderung geraten, wenn
er bedenkt, wieviel kunstge-
rechte Pflege ünd aufopfernde
Sorgfalt dazu gehört, diese süße Liugenweide aus unschein-
baren Pflänzchen hervorzuzaubern? Nein, meine beste Frau
Karps, ich sage es noch einmal und betone es ganz aus-
drücklich, es ist mein Ernst."
„Sie glauben garnicht, teuerste Freundin," erwidert
Frau Karps, „wie ein so warmes Wort der Anerkennung
aus berufenem Munde wohltut. Aber was gälte mir all
die herrliche Zier, gäbe sie mir nicht Gelegenheit, andern
damit eine Freude zu machen? Indessen, meine liebe Frau
Oberinspektor, was bedeuten Ihnen mit Ihrein geläuterten
Geschmack einpaar so anspruchslose und armselige Kinderchen
der Natur?"
„Frau Karpf, geehrte Freundin," versichert in seierlich
beschwörendem Tone die Frau Oberinspektor Müller, „wenn
ich je einen ungerechten Vorwurf mit ungeheuchelter Ent-
rüstung zurückgewiesen habe, so ist es dieser. Allein schon
— „Du bist anscheinend schlechter Laune, Klara?"
— „Anscheinend? Lieber köimmel, und ich dachte
Wunder, wie sehr ich dich darunter leiden ließe."
die von ebensoviel Großmut wie klneigennützigkeit zeugende
Andeutung, sich einiger Ihrer Lieblinge zu Gunsten anderer
entäußern zu wollen, ist so wahrhast beglückend und er-
hebend, daß sie die freudigste Genugtuung aller Blumen-
freunde hervorrufen muß."
„And ich muß ebenso feierlich dagegen protestieren,"
beschwor auch Frau Karpf, „daß ich auch nur einen Schimmer
von Besriedigung an meiner Blumenzucht hätte, wüßte ich
nicht, daß andere meine Freude daran mit mir teilten.
Also müssen Sie mir schon erlauben, meine Beste, Ihnen
einige bescheidene Blümchen mit in Ihre düstere Stadt
hinein zu geben."
„Am mich für meine ganze Lebenszeit zu Ihrer un-
tröstlichen Schuldnerin zu mache». meine gütige Freundin!"
„O Limmel, nein, Verehrteste! Die Schuldnerin bin
ich, wenn ich weiß, daß die Blicke einer solch ausgezeichneten