Zeitschrift für Humor und Kunst
Glaubhaft
— „Na, alter Freund, auf so ein Wiedersehn
müssen wir aber einen tüchtigen Schluck nehmen!"
— „Ia, das wollen wir. Im Eeiste hab ich dieses
Wiedersehen übrigens schon oft gefeiert."
NotLejlla Ljava
an mir vorbei nach dem Bücherregal, das hinter mir stand.
„Deine sämtlichen Werke sind noch nicht dabei" sagte
ich lachend.
„Nein," antwortete er, „die such ich auch nicht bei dir;
sag' mal, du hast doch den kleinen Brockhaus?"
„Gewiß! Was willst du denn wissen?"
„Tja! — das ist eine Geschichte — ein poetisches
Erlebnis-"
,Nllso los!"
„Also — sitze ich da letzten Sonntag in meinem Arbeits-
zimmer oder Salon oder Eßzimmer oder Rauchkabinett oder
wie du es sonst nennen willst denn es ist alles zugleich —
und feile an einem Früh-
lingslied,-"
„Novemberwetter schafft
diebesteStimmung für Früh-
lingslieder," meinte ich auf-
munternd.
„Da tickt etwas ans Fen
ster, und wie ich aufsehe,
erblicke ich das reizendste,
schlankste, graziöseste Vögel
chen, das du dir denken kannst.
oben zart olivgrün, unten
gelb, flammend gelb, der
lange schmale Wippschwanz
der Länge »ach schwarz und
gelb geftreist, eine Bachstelze
und doch wieder keine Bach-
stelze,mitguten klugen Vogel-
augen mich betrachtend und
dann wieder ans Fenster
tickend — wer weiß, dacht' ich, vielleicht gar eine der Musen,
vielleicht Erato oder Kalliope, im gelben Vogelgewand den
Dichter bei seiner Arbeit aufsuchend, ihm zu helfen, ihn
anzufeuern-
Morgens beim ersten Morgengrauen weckt mich das
muntere Ticken; wenn ich zu Mittag esse, wenn ich arbeite,
plötzlich ertönt es an meinem Fenster; Tag für Tag —
ist das nicht rührend und seltsam?
Ich habe wohl manchmal daran gedacht, daß das Tier-
chen vielleicht durch Lunger getrieben mich aufsucht, und
bin ihm zuliebe ein wahrer Nero geworden; denk dir,
ich habe eine Fliege gefangen und so in ein Klümpchen
Buttcr gedrückt, daß sie nur zappeln, aber nicht fortfliegen
konnte, und habe dieses grau-
sige Klmstwerk auss Fenster-
sims gelegt in der Äoffnung,
inein Liebling käme und ver-
zehrte die Fliege; — aber:
mitnichten! Also - nicht
aus dem tierischen Instinkt
des Lungers kommt er, son
dern — aus — — reiner
Liebe zu mir! Wohin anders
auch soll die Kreatur aus
dem gemeinen ewigen Kam-
pfe des Alltags sich flüchten
als in den Frieden, in die
Festtagsstille, die um den
Dichter webt, als zu dem
Dichter, der Mensch und
Getier, Baum und Strauch,
Moos und Gestein mit glei-
cher Liebe umfaßt! Welch
Genügfam Sonntagsjäger (nachdem cr drctmal.ohne
zu treffcn, nach einem Äasen geschoffen hak>:
„Aber umgjchaut hat er halt doch!"
Glaubhaft
— „Na, alter Freund, auf so ein Wiedersehn
müssen wir aber einen tüchtigen Schluck nehmen!"
— „Ia, das wollen wir. Im Eeiste hab ich dieses
Wiedersehen übrigens schon oft gefeiert."
NotLejlla Ljava
an mir vorbei nach dem Bücherregal, das hinter mir stand.
„Deine sämtlichen Werke sind noch nicht dabei" sagte
ich lachend.
„Nein," antwortete er, „die such ich auch nicht bei dir;
sag' mal, du hast doch den kleinen Brockhaus?"
„Gewiß! Was willst du denn wissen?"
„Tja! — das ist eine Geschichte — ein poetisches
Erlebnis-"
,Nllso los!"
„Also — sitze ich da letzten Sonntag in meinem Arbeits-
zimmer oder Salon oder Eßzimmer oder Rauchkabinett oder
wie du es sonst nennen willst denn es ist alles zugleich —
und feile an einem Früh-
lingslied,-"
„Novemberwetter schafft
diebesteStimmung für Früh-
lingslieder," meinte ich auf-
munternd.
„Da tickt etwas ans Fen
ster, und wie ich aufsehe,
erblicke ich das reizendste,
schlankste, graziöseste Vögel
chen, das du dir denken kannst.
oben zart olivgrün, unten
gelb, flammend gelb, der
lange schmale Wippschwanz
der Länge »ach schwarz und
gelb geftreist, eine Bachstelze
und doch wieder keine Bach-
stelze,mitguten klugen Vogel-
augen mich betrachtend und
dann wieder ans Fenster
tickend — wer weiß, dacht' ich, vielleicht gar eine der Musen,
vielleicht Erato oder Kalliope, im gelben Vogelgewand den
Dichter bei seiner Arbeit aufsuchend, ihm zu helfen, ihn
anzufeuern-
Morgens beim ersten Morgengrauen weckt mich das
muntere Ticken; wenn ich zu Mittag esse, wenn ich arbeite,
plötzlich ertönt es an meinem Fenster; Tag für Tag —
ist das nicht rührend und seltsam?
Ich habe wohl manchmal daran gedacht, daß das Tier-
chen vielleicht durch Lunger getrieben mich aufsucht, und
bin ihm zuliebe ein wahrer Nero geworden; denk dir,
ich habe eine Fliege gefangen und so in ein Klümpchen
Buttcr gedrückt, daß sie nur zappeln, aber nicht fortfliegen
konnte, und habe dieses grau-
sige Klmstwerk auss Fenster-
sims gelegt in der Äoffnung,
inein Liebling käme und ver-
zehrte die Fliege; — aber:
mitnichten! Also - nicht
aus dem tierischen Instinkt
des Lungers kommt er, son
dern — aus — — reiner
Liebe zu mir! Wohin anders
auch soll die Kreatur aus
dem gemeinen ewigen Kam-
pfe des Alltags sich flüchten
als in den Frieden, in die
Festtagsstille, die um den
Dichter webt, als zu dem
Dichter, der Mensch und
Getier, Baum und Strauch,
Moos und Gestein mit glei-
cher Liebe umfaßt! Welch
Genügfam Sonntagsjäger (nachdem cr drctmal.ohne
zu treffcn, nach einem Äasen geschoffen hak>:
„Aber umgjchaut hat er halt doch!"