izg Meggendorfer-Blätter, München
Daruin " „Der Postsekretär Müller,.der sich erst vor kurzem
verlobt hat, schaut qar nicht aus wie ein glücklicher
Bräutigam. Was muß denn da vorgegangen sein?"
— ,,Ich glaube. daß da was zurückgegangen ist."
Der Hund Wiüibald Von Peter RobUison
Daß mein Freund Willibald schließlich doch, allem §r-
warten zuwider, Erbe seiner Tante Natalie wurde ünd jetzt
in sehr reichlichcm Genuß irdischer Güter schwelgen
kann, verdankt er einzig und allein seincm vierbcinigen
Namensvetter, dem §>unde Willibald. —
Ms Willibald — nicht der Lund, denn der war
damals noch gar nicht geboren, sondern mein Freund
— noch kurze Löschen mit Leibchen trug wohnte er
mit seinen Eltern draußen vor dem Wall in einem
klemen Lause, an das ein kleiner Garten stieß. Da-
nebcn lag das große Laus der Tante Natalie mit
eincm großen Garten dabinter, und der große und
der kleine Garten waren nur durch einen niedrigen
Staketenzaun voneinander geschieden. Wenn der
kleine Willibald in seinem Garten spielte, und dann
auf elnmal nebenan die lange, schwarze Gestalt der
Tante sich sehen ließ, wünschte er wohl, daß statt des
Staketenzaunes rin solider und recht hoher aus dicken
Brcttern da gewesen wäre, durch die man nicht hätte
hindurchsehen können. Denn wenn die Tante streng
und mahnend über dcn Zaun hinüber fragte: „Was
machst du denn da Willibald? Du willst dir wohl
deinen hübschen Anzug schmutzig machen. Weißt du
nicht, daß deine Eltern dir nicht so viele Anzüge
laufen können?" — dann blieb einem so schüchternen
kleinen Iungen, wie Wiliibald es leider Gottes war
gar nichts anderes übrig, als die Freude an seinem
Spiel zu vcrlicren und stch wieder in das schützende
Äaus zu verfiigen. —
Als Willibald fünfzehn Jahre alt war, starben seine
Eltern. Der Vormund vermietete das kleine Laus, und
Willibald mußke in das große Laus nebenan ziehn.
Tante Natalie hatte sich erboten, ihn bei sich aufzu-
nehmen. „Aber du brauchst mir niemals zu sagen, daß
du mir dafür dankbar bist," erklärte sie ihm. „So etwas
gibt es nicht; Aubank ist der Welt Lohn!" Willibald
fand sich mit dieser Begrüßungsrede ab. Sie war
ihm nichks Ungewohntes; bei jedem Wcihnachts- und
Geburtstagsgeschenk hatte ihm die Tante die altbackenc
Wahrheit vorgehalten, daß Andank der am liebsten
gezahlte Lohn wäre. Von seinen Eltern her wußte
er, daß Tante Natalie zu dieser ohnehin nicht schwer
zu erringenden Erkenntnis durch cin besonderes eigenes
Erlebnis gekommen war. Siebzehn Iahre alt — du
lieber Gott, wie lange war das nun schon hcr! —
hatte sie sich mit einem armseligen Kerlchen von Stu-
denten verlobt, Ihr Vater, ein viel beschäftigter
Lldvokat, hatte dem jungen Menschen das Studium
bezahlt, hatte ihn während der Neserendarzeit an-
ständig unterhalten, und dann, nach dem zweiten Exa
men, yatts dic Lochzeit sein und der Schwiegersohn
allmählich die Praxis des Schwiegervaters übernehmen
sollen. Aber eines schönen Tages hatte der Vräuti-
gam die Iurisprudenz an den Nagel gehängk — nur
figürlich, denn in Wirklichkeit kann ste leider nicht
ausgehängt werden — und war Künstler geworden,
Welcher Branche, ist ja gleichgiltig. And die Tante
Natalie hatte er so nebenbei auch im Stich gelassen.
Vielleicht hatte er recht getan, vielleicht auch nicht
aber der Tante konnte man es schließlich auch nicht
verübeln, wenn sie nun ihr Leben lang auf die An-
dankbarkeit der Welt schwur.
Es schien, als wollte sie der Rechtswissenschafk
den dauials vcrlorenen Iünger durch Willibald er-
setzen. „Du wirst Iurist," sagte sie, beaufsichtigte seine Schul-
arbeiten und kontrolliertescineFortschritte. IedeschlechteNv-
te, die er mitbrachte, war natllrlich ein Zeichen seines Andanks.
— „Mein Gehalt ist zwar klein, Fräulein Coelestine,
aber denken Sie daran, was unser Schiller sagt: Raum
ist in der kleinsten Äiitte sür ein glücklich liebend Paar."
— „Aber Äerr Akkuarius, meine Mama sagte, wenn
Sieheiraten haben Sie Ansprnch aufDienstwohnung."
Daruin " „Der Postsekretär Müller,.der sich erst vor kurzem
verlobt hat, schaut qar nicht aus wie ein glücklicher
Bräutigam. Was muß denn da vorgegangen sein?"
— ,,Ich glaube. daß da was zurückgegangen ist."
Der Hund Wiüibald Von Peter RobUison
Daß mein Freund Willibald schließlich doch, allem §r-
warten zuwider, Erbe seiner Tante Natalie wurde ünd jetzt
in sehr reichlichcm Genuß irdischer Güter schwelgen
kann, verdankt er einzig und allein seincm vierbcinigen
Namensvetter, dem §>unde Willibald. —
Ms Willibald — nicht der Lund, denn der war
damals noch gar nicht geboren, sondern mein Freund
— noch kurze Löschen mit Leibchen trug wohnte er
mit seinen Eltern draußen vor dem Wall in einem
klemen Lause, an das ein kleiner Garten stieß. Da-
nebcn lag das große Laus der Tante Natalie mit
eincm großen Garten dabinter, und der große und
der kleine Garten waren nur durch einen niedrigen
Staketenzaun voneinander geschieden. Wenn der
kleine Willibald in seinem Garten spielte, und dann
auf elnmal nebenan die lange, schwarze Gestalt der
Tante sich sehen ließ, wünschte er wohl, daß statt des
Staketenzaunes rin solider und recht hoher aus dicken
Brcttern da gewesen wäre, durch die man nicht hätte
hindurchsehen können. Denn wenn die Tante streng
und mahnend über dcn Zaun hinüber fragte: „Was
machst du denn da Willibald? Du willst dir wohl
deinen hübschen Anzug schmutzig machen. Weißt du
nicht, daß deine Eltern dir nicht so viele Anzüge
laufen können?" — dann blieb einem so schüchternen
kleinen Iungen, wie Wiliibald es leider Gottes war
gar nichts anderes übrig, als die Freude an seinem
Spiel zu vcrlicren und stch wieder in das schützende
Äaus zu verfiigen. —
Als Willibald fünfzehn Jahre alt war, starben seine
Eltern. Der Vormund vermietete das kleine Laus, und
Willibald mußke in das große Laus nebenan ziehn.
Tante Natalie hatte sich erboten, ihn bei sich aufzu-
nehmen. „Aber du brauchst mir niemals zu sagen, daß
du mir dafür dankbar bist," erklärte sie ihm. „So etwas
gibt es nicht; Aubank ist der Welt Lohn!" Willibald
fand sich mit dieser Begrüßungsrede ab. Sie war
ihm nichks Ungewohntes; bei jedem Wcihnachts- und
Geburtstagsgeschenk hatte ihm die Tante die altbackenc
Wahrheit vorgehalten, daß Andank der am liebsten
gezahlte Lohn wäre. Von seinen Eltern her wußte
er, daß Tante Natalie zu dieser ohnehin nicht schwer
zu erringenden Erkenntnis durch cin besonderes eigenes
Erlebnis gekommen war. Siebzehn Iahre alt — du
lieber Gott, wie lange war das nun schon hcr! —
hatte sie sich mit einem armseligen Kerlchen von Stu-
denten verlobt, Ihr Vater, ein viel beschäftigter
Lldvokat, hatte dem jungen Menschen das Studium
bezahlt, hatte ihn während der Neserendarzeit an-
ständig unterhalten, und dann, nach dem zweiten Exa
men, yatts dic Lochzeit sein und der Schwiegersohn
allmählich die Praxis des Schwiegervaters übernehmen
sollen. Aber eines schönen Tages hatte der Vräuti-
gam die Iurisprudenz an den Nagel gehängk — nur
figürlich, denn in Wirklichkeit kann ste leider nicht
ausgehängt werden — und war Künstler geworden,
Welcher Branche, ist ja gleichgiltig. And die Tante
Natalie hatte er so nebenbei auch im Stich gelassen.
Vielleicht hatte er recht getan, vielleicht auch nicht
aber der Tante konnte man es schließlich auch nicht
verübeln, wenn sie nun ihr Leben lang auf die An-
dankbarkeit der Welt schwur.
Es schien, als wollte sie der Rechtswissenschafk
den dauials vcrlorenen Iünger durch Willibald er-
setzen. „Du wirst Iurist," sagte sie, beaufsichtigte seine Schul-
arbeiten und kontrolliertescineFortschritte. IedeschlechteNv-
te, die er mitbrachte, war natllrlich ein Zeichen seines Andanks.
— „Mein Gehalt ist zwar klein, Fräulein Coelestine,
aber denken Sie daran, was unser Schiller sagt: Raum
ist in der kleinsten Äiitte sür ein glücklich liebend Paar."
— „Aber Äerr Akkuarius, meine Mama sagte, wenn
Sieheiraten haben Sie Ansprnch aufDienstwohnung."