Zeitschrift fiir Humor und Kunst 139
Beim Photographen — „Bitte jetzt ein freundliches Gesicht zu machen"
-- „Warten S' ein Momentz ich zieh' nur meine
Stiefel aus."
Der Lund Willibald
Es muß gesagt werden, daß
Willibald, als er zur Aniversi-
tät ging, ganz ehrlich den Willen
hatte, seiner Tante Wünschen
nachzukommen, und daß es ihm
selbft am meisten leid tat, als
er ihr nach sechs Semestern
schließlich doch eröffnen mußte,
daß ihn statt der verwickelten
Angelegenheiten der Menschen
die Amstände der anorganischen
Dinge mehr interessiert hatten.
Statt Iurist war er Chemiker
geworden. —
„Nun gut," sagte Tante
Natalie, „Andank ist der Welt
Lohn. Aber jeder muß selbst
zusehn, wo er bleibt." And dann
kümmerte sie sich nicht mehr um
Willibald. Aber aus ihrem
Testament, in dem er als Äaupt-
erbe stand, strich sie ihn vor-
läufig noch nicht.
Das kam erst später. Da
hatte Willibald sich verheiratet
und war in das kleine ererbte
§>aus gezogen. Nun waren die
Tante und er wieder Nachbarn
geworden. And jetztz da Tante
Natalie den Neffen fast täglich
in seinem Garten zu Gesicht be-
kam, fing sie an, sich vorzuhalten,
wie sehr er sie eigentlich ent-
täuscht hätte. Melleicht war es
auch das Alter, das sie zänkisch
machte, — kurz und gut, sie be-
gann, starken Verdruß an der
Nachbarschaft zu empfinden.
Schließlich hatte sie täglich ihren
Aerger. Bald waren nebenan
die Teppiche zu stark geklopst
worden, bald hatte dort das
Dienstmädchen zu laut in der
Küche gesungen, — es gab so
vieles, das die Tante störte, und
sie vcrbat sich diese Störungen
in bissigen Briefen. Willibald
antworlete höflich und logisch,
aber Löslichkeit und Logik sind in
solchem Falle nur geeignet, das Feuer zu schüren. And als
Willibald eines Tages, da Tante Natalie gerade blütenweiße
Wäsche in ihrem Garten zum Trocknen aufgehängt hatte,
ganz unschuldig auf seinem Grundstück Ankraut und dürre
Zweige verbrannle, und der Wind Ruß und Asche auf die
Wäsche trieb, — da lief der Krug des Verdruffes über.
Denn daß ein Mann in seiner Arglosigkeit ausgehängte
Wäsche, das Verbrennen von Ankraut und ungünstigen
Wind böswillig kaum in Zusammenhang bringen wird. das
sah die Tante natürlich nicht ein. Es war eine ausgesuchte
Bosheit Willibalds. Was für ein niederträchtiger Mensch
das doch war!
And jetzt lief Tante Natalie zum Notar und stieß ihr
Testament um. Sehr grllndlich stieß sie es um, denn sie
vermachte ihre ganze Labe den sogenannten milden Stif-
tungen. Am ihren Aerger gehörig auszutoben, zeigte sie
Willibald dies in einem höhnischen Briefe gleich vom Bureau
des Notars aus an. Aber ihr Lerz brauchte noch mehr
Ablenkung, und sie sand sich auf dem Leimweg. Da stand in
einer Straße ein Mann, hielt ein Lündchen auf dem Arm
und gab die Absicht kund, dieses Lündchen an denjenigen
zu verkaufen, der geneigt wäre, seinen durchaus ansehnlichen
Wert zu bezahlen. Es wäre ein reizendes Lündchen ver-
sicherte der Mann, und würde immer so lieb und klein
bleiben. Tante Natalie sah sich das Lündchen an und sand,
daß es ein widerwärtiger, abscheulicher Köter wäre. And
gerade deshalb kaufte sie das Lüudchen und trug es gleich
auf den Armen nack Lause. Fast erdrückte sie das Tier
in ihrer Wut. — --
Als Willibald an diesem Abend, recht bedrückt durch
Beim Photographen — „Bitte jetzt ein freundliches Gesicht zu machen"
-- „Warten S' ein Momentz ich zieh' nur meine
Stiefel aus."
Der Lund Willibald
Es muß gesagt werden, daß
Willibald, als er zur Aniversi-
tät ging, ganz ehrlich den Willen
hatte, seiner Tante Wünschen
nachzukommen, und daß es ihm
selbft am meisten leid tat, als
er ihr nach sechs Semestern
schließlich doch eröffnen mußte,
daß ihn statt der verwickelten
Angelegenheiten der Menschen
die Amstände der anorganischen
Dinge mehr interessiert hatten.
Statt Iurist war er Chemiker
geworden. —
„Nun gut," sagte Tante
Natalie, „Andank ist der Welt
Lohn. Aber jeder muß selbst
zusehn, wo er bleibt." And dann
kümmerte sie sich nicht mehr um
Willibald. Aber aus ihrem
Testament, in dem er als Äaupt-
erbe stand, strich sie ihn vor-
läufig noch nicht.
Das kam erst später. Da
hatte Willibald sich verheiratet
und war in das kleine ererbte
§>aus gezogen. Nun waren die
Tante und er wieder Nachbarn
geworden. And jetztz da Tante
Natalie den Neffen fast täglich
in seinem Garten zu Gesicht be-
kam, fing sie an, sich vorzuhalten,
wie sehr er sie eigentlich ent-
täuscht hätte. Melleicht war es
auch das Alter, das sie zänkisch
machte, — kurz und gut, sie be-
gann, starken Verdruß an der
Nachbarschaft zu empfinden.
Schließlich hatte sie täglich ihren
Aerger. Bald waren nebenan
die Teppiche zu stark geklopst
worden, bald hatte dort das
Dienstmädchen zu laut in der
Küche gesungen, — es gab so
vieles, das die Tante störte, und
sie vcrbat sich diese Störungen
in bissigen Briefen. Willibald
antworlete höflich und logisch,
aber Löslichkeit und Logik sind in
solchem Falle nur geeignet, das Feuer zu schüren. And als
Willibald eines Tages, da Tante Natalie gerade blütenweiße
Wäsche in ihrem Garten zum Trocknen aufgehängt hatte,
ganz unschuldig auf seinem Grundstück Ankraut und dürre
Zweige verbrannle, und der Wind Ruß und Asche auf die
Wäsche trieb, — da lief der Krug des Verdruffes über.
Denn daß ein Mann in seiner Arglosigkeit ausgehängte
Wäsche, das Verbrennen von Ankraut und ungünstigen
Wind böswillig kaum in Zusammenhang bringen wird. das
sah die Tante natürlich nicht ein. Es war eine ausgesuchte
Bosheit Willibalds. Was für ein niederträchtiger Mensch
das doch war!
And jetzt lief Tante Natalie zum Notar und stieß ihr
Testament um. Sehr grllndlich stieß sie es um, denn sie
vermachte ihre ganze Labe den sogenannten milden Stif-
tungen. Am ihren Aerger gehörig auszutoben, zeigte sie
Willibald dies in einem höhnischen Briefe gleich vom Bureau
des Notars aus an. Aber ihr Lerz brauchte noch mehr
Ablenkung, und sie sand sich auf dem Leimweg. Da stand in
einer Straße ein Mann, hielt ein Lündchen auf dem Arm
und gab die Absicht kund, dieses Lündchen an denjenigen
zu verkaufen, der geneigt wäre, seinen durchaus ansehnlichen
Wert zu bezahlen. Es wäre ein reizendes Lündchen ver-
sicherte der Mann, und würde immer so lieb und klein
bleiben. Tante Natalie sah sich das Lündchen an und sand,
daß es ein widerwärtiger, abscheulicher Köter wäre. And
gerade deshalb kaufte sie das Lüudchen und trug es gleich
auf den Armen nack Lause. Fast erdrückte sie das Tier
in ihrer Wut. — --
Als Willibald an diesem Abend, recht bedrückt durch