?r. 1248
Zeitschrift für Humor und Kunst
141
Der Sund Willibald
den Brief semer Tante, traurig in seinem Garten spazierte,
ereignete sich etwas sür ihn sehr Merkwürdiges. Aus dem
Nebenhause hörte er plötzlich die schrille, hohe Stimme seiner
Tante. „Willibald! Willibald!" rief sie. „Sollte ihr etwas
zugestoßen sein." dachte der Neffe; „ich werde zu ihr eilen."
Da aber klang es: „Willibald, du Schwein! Du infame
Bestie!" Ein Klatschen und Klopfen wurde hörbar, begleitet
von jämmerlichem Geheul, dann flog die Tür aus, und >n
den Garten stürzte ein laut klagender lleiner Köter, verfolgt
von der humpelnden alten Dame, die einen Stock jchwang
und fortwährend rief: „Willibald, du Schwein! Ich werde
dir Sauberkeit beibringen. Warte, Willibald, du Satan,
wenn ich dich kriege!"
Tante Ratalie hatte das kleine Lündchen Willibald
getauft. And ihre Absicht war, an diesem Lunde Willibald
jeden Tag den Aerger auszulaffen, den ste von dem Men-
schen Willibald auszustehen glauble. O, dieser Willibald
wenigstens sollte sie jetzt gründlich kennen lernen!
Der Mann, der das reizende lleine Lündchen verkauft
hatte, mochte wohl kein Lundekenner gewesen sein. Willi-
bald blieb nicht so klein; er wurde groß und stark, und das
war sehr gut für ihn, denn sonst hätte er die vielen Prügel
unmöglich aushalten können, die jeden Tag auf ihn nieder-
hagelten. Meistens wurden die Exekutionen im Garten voll-
zogen. Natürlich, damit man die Begleitreden nebenan
hören könnte. „Willibald, du Schuft," hieß es dann, „wie
hast du dich wieder aufgeführt! Du gemeines Vieh! Läß-
liche Bestie! Schubiak! Satan!" Ihren ganzen geringen
Vorrat an Beschimpfungen kramte Tante Natalie aus. And
je mehr sie aus den Lund Willibald wütete, desto höher
wuchs auch in ihr der Laß gegen den Menschen Willibald.
Der Lund Willibald aber war von sanfmütigem Cha-
rakter. Ie mehr Prügel er bekam, desto demütiger schaute
er Tante Natalie an. Er leckte die Land, die ihn mal-
trätierte, und schien mit allem wohlzufrieden. Sowie er
seine Gebieterin erblickte, wedelte er sreundlich mit dem
Schwanz. Den zog er freilich traurig ein, wenn sich dann
der Knüppel zeigte, aber seine Zuneigung schien nichts ver-
mindern zu können. And dann kam der Tag, an dem seine
Tugend in hellstem Glanze erstrahlte. Oder vielmehr die
Nacht. Es war eine finstere Regennacht, die gute Gelegen-
heit bot, in ein einzeln stehendes, von einer reichen alten
Dame bewohntes Laus einzubrechen. Diese Gelegenheit
nahm ein gewisscr Lerr Meffke wahr, den man acht Tage
vorher aus dem Zuchthaus entlaffen hatte. Als Willibald,
der Neffe im Nachbarhause, durch die kreischcnden Rufe
seines Dienfimädchens gcweckt wurde, nebenan müßte etwas
passiert sein, waren die Ereignisse jchon einem entscheidenden
Ende zugeführt worden. Zwei zur Lilfe herbeigeeilte Poli-
zisten hätten Lerrn Meffke bereits sestgenommen. Willi-
bald, der ewig geprügelte Köter, hatte ihn, ohne je Dressur
und Vorbildung dazu genoffen zu haben, keck gestellt. Trotz
des tiefen Stiches, den ihm Lcrr Meffke mit dem sorglich
bereit gehaltencn Messer in den Rücken versetzte, hatte er
nicht von ihm abgelassen, ihn zu Boden geworsen, — mein
Gott, Zuchhauskost macht den Menschen nicht kräftig! —
und mit starken Zähnen festgchalten. „Wenn Sie den
Lund nicht gehabt hätten,Madamchen,"sagte der eine Poli-
zist zu Tante Natalie, „wär's Ihnen schlimm gegangen!" und
dcr andcre hatte hinzugefügt: „Wir kennen doch Meffken!"
Tante Natalie vergoß Tränen. Sosort schickte sie zum
Ticrarzt. Mitten in der Nacht mußte er aufstehn und
herbeieilen, um Willibalds, des Lundes, Wunde auszu-
waschen und nach allen Regeln seiner Kunst zu verbinden.
„Es ist nicht schlimm," tröstete er Tante Natalie, und sie
drückte ihm dankbar die Land. Willibald, der Lund, aber
wunderte sich, daß er keine Prügel bekam.
Am nächflen Tage wurde ein schöner, neucr Teppich
in den Garten gelegt, dort, wo das sonnigste Fleckchen war.
Auf diesen Teppich mußte sich Willibald, der Lund, nieder-
legen, und eine große Schüssel voll Milch wurde neben ihn
gesetzt. Das war Krankenkost, denn Fleisch war jetzt nicht
gesund für ihn, das hätte womöglich Wundsieber erzeugen
können. „Aber wenn du erst gesund bist, Willibald, mein
Lerzchen," sagte Tante Natalie, „dann bekommst du einen
ganzen Schinken. Einen ganzen großen Schinken sollst du
haben, Willibald, mein Lerzchen."
Das Lerzchen soff die Milch und schlies ein. Tante
Natalie bewachte seinen Schlaf vnd sann dabei über elwas
Wichtiges nach, das sie schließlich veranlaßte, leise auszustehn
und ins Laus zu gehn. Lier Paßte sie am Fenster auf,
bis Willibald sich rührte. And dann ries sie: „Lektor, komm
her! Lierher, Lektor, mein Lerzchen!"
!246- 26. tlovlir. 1914. Illsoilions^obübrsn Lxsspalt. n-onparöillsrsils miginigs Inssrstsii-Lnuabiiis bsi 6lldoIj IVI0886, äkIHIIIiekII-1lp8l!!i!lIII.
unvkvn.Lasel, Lerlln, Lreslan, Luäapesl, 6kemn!t2, 661n, vresäeii, vüsseläork, I'ranlLkurt, Lamdurx, I^elpriix, LlaLäeburx, Llauudelur, Xüiuberx, Lra^, Str-assdurxi. L., Stuttxart, ^Vieu, 2vr!cti.
'LstsIluuxsn Luk äis ^veksuausxLde dei allsu Lued- uuä Kuustdauäluuxen. 2situuxs-Lxpeäjtioi>en uuä k*08täiuteru. tzuarlslpreis (13 IHuiumern) lu Oeutsedlauä 2!. 8.—,
ostds2ux A. 3.05, untsr Lreu^dauä A. 3.L5. lu Oesterrsied-IInesru L 3.60, ^ostbsLux L 8.85, uutsr Xreurdauä L 4.—. Lür äie suäeren dsuäer äes >V6ltp08tveroius
nter Lreurdauä «. 4.30 -- Lr. 5.50. Linrelne ^ummer 30 kk-r. oä. 36 k. — Hsttausxsde (lltaxik) Mri. 26 »etts a 60 kttz. oä. 60 d nur äured äsn Luoddanäel.
86ltens kt-lefmai'ken l
-iarant. eodt — LurL A. Vroisl. ^
^ratis. L.Mazri»,Isaumdur§(8aal6) 26
Siickiiteii-tiii'Iis!
Iditiiiig-j^stgitiiiigeii
k'abrilc,
ümvkIeirlenlieM
Wohltat und Hilfe. Auf Hei-
lung hinwirk. VieleDaiikschr.
AufklärendeBroschürerc.geg.
30Pfg. in Markend. 8 ekiisve
kamp's Lsnäagsn - Vsr-
sanädaus. 0ll88släorf 85,
Wilhelmplatz 10, I. Etage.
^kt geaenüber dem Hanptbahnhof nnd
Ouisburg 85, Königstraße 38.
f0fMöN-m8kIb8!gi888klI.°krilIlI-80ll!3!6l1
bestedt. I^tzbenstedenä abxebiläeter
Loläat ist uatürlieds Orosse unä 11
mm stark. Llit einer Inkanteriekoriu
srei L^atalox mit ^bbiläunxsu äer vorkanäenen
Wslken^attunxen, odne jeäe Laukverpfliektunx,
ruxesanät. kreis per Oisssform L1.2.L»0 bis ^,1.5.50.
Isäsr, aiieli äer Kleiiistk Lllftrsg, vlrä gern angs-
nnmmell Mä pünktlied ausgeklllirt. Inekerllllg an
krivale. — korto vvä kiselillalimo oitrs. —
6Le88rormeQkadrik, Leip2i§-6odli8 A. 58.
UvU» , OvUuvluvL , ^.susssrs ^allisods 8tr 119 121
^!leiui§6 lQ86rat.enamia1im6: kuäoli l>l0886, ^.NQOnoen-Lxxeäitioii.
Zeitschrift für Humor und Kunst
141
Der Sund Willibald
den Brief semer Tante, traurig in seinem Garten spazierte,
ereignete sich etwas sür ihn sehr Merkwürdiges. Aus dem
Nebenhause hörte er plötzlich die schrille, hohe Stimme seiner
Tante. „Willibald! Willibald!" rief sie. „Sollte ihr etwas
zugestoßen sein." dachte der Neffe; „ich werde zu ihr eilen."
Da aber klang es: „Willibald, du Schwein! Du infame
Bestie!" Ein Klatschen und Klopfen wurde hörbar, begleitet
von jämmerlichem Geheul, dann flog die Tür aus, und >n
den Garten stürzte ein laut klagender lleiner Köter, verfolgt
von der humpelnden alten Dame, die einen Stock jchwang
und fortwährend rief: „Willibald, du Schwein! Ich werde
dir Sauberkeit beibringen. Warte, Willibald, du Satan,
wenn ich dich kriege!"
Tante Ratalie hatte das kleine Lündchen Willibald
getauft. And ihre Absicht war, an diesem Lunde Willibald
jeden Tag den Aerger auszulaffen, den ste von dem Men-
schen Willibald auszustehen glauble. O, dieser Willibald
wenigstens sollte sie jetzt gründlich kennen lernen!
Der Mann, der das reizende lleine Lündchen verkauft
hatte, mochte wohl kein Lundekenner gewesen sein. Willi-
bald blieb nicht so klein; er wurde groß und stark, und das
war sehr gut für ihn, denn sonst hätte er die vielen Prügel
unmöglich aushalten können, die jeden Tag auf ihn nieder-
hagelten. Meistens wurden die Exekutionen im Garten voll-
zogen. Natürlich, damit man die Begleitreden nebenan
hören könnte. „Willibald, du Schuft," hieß es dann, „wie
hast du dich wieder aufgeführt! Du gemeines Vieh! Läß-
liche Bestie! Schubiak! Satan!" Ihren ganzen geringen
Vorrat an Beschimpfungen kramte Tante Natalie aus. And
je mehr sie aus den Lund Willibald wütete, desto höher
wuchs auch in ihr der Laß gegen den Menschen Willibald.
Der Lund Willibald aber war von sanfmütigem Cha-
rakter. Ie mehr Prügel er bekam, desto demütiger schaute
er Tante Natalie an. Er leckte die Land, die ihn mal-
trätierte, und schien mit allem wohlzufrieden. Sowie er
seine Gebieterin erblickte, wedelte er sreundlich mit dem
Schwanz. Den zog er freilich traurig ein, wenn sich dann
der Knüppel zeigte, aber seine Zuneigung schien nichts ver-
mindern zu können. And dann kam der Tag, an dem seine
Tugend in hellstem Glanze erstrahlte. Oder vielmehr die
Nacht. Es war eine finstere Regennacht, die gute Gelegen-
heit bot, in ein einzeln stehendes, von einer reichen alten
Dame bewohntes Laus einzubrechen. Diese Gelegenheit
nahm ein gewisscr Lerr Meffke wahr, den man acht Tage
vorher aus dem Zuchthaus entlaffen hatte. Als Willibald,
der Neffe im Nachbarhause, durch die kreischcnden Rufe
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zisten hätten Lerrn Meffke bereits sestgenommen. Willi-
bald, der ewig geprügelte Köter, hatte ihn, ohne je Dressur
und Vorbildung dazu genoffen zu haben, keck gestellt. Trotz
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nicht von ihm abgelassen, ihn zu Boden geworsen, — mein
Gott, Zuchhauskost macht den Menschen nicht kräftig! —
und mit starken Zähnen festgchalten. „Wenn Sie den
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Tante Natalie vergoß Tränen. Sosort schickte sie zum
Ticrarzt. Mitten in der Nacht mußte er aufstehn und
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„Es ist nicht schlimm," tröstete er Tante Natalie, und sie
drückte ihm dankbar die Land. Willibald, der Lund, aber
wunderte sich, daß er keine Prügel bekam.
Am nächflen Tage wurde ein schöner, neucr Teppich
in den Garten gelegt, dort, wo das sonnigste Fleckchen war.
Auf diesen Teppich mußte sich Willibald, der Lund, nieder-
legen, und eine große Schüssel voll Milch wurde neben ihn
gesetzt. Das war Krankenkost, denn Fleisch war jetzt nicht
gesund für ihn, das hätte womöglich Wundsieber erzeugen
können. „Aber wenn du erst gesund bist, Willibald, mein
Lerzchen," sagte Tante Natalie, „dann bekommst du einen
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haben, Willibald, mein Lerzchen."
Das Lerzchen soff die Milch und schlies ein. Tante
Natalie bewachte seinen Schlaf vnd sann dabei über elwas
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bis Willibald sich rührte. And dann ries sie: „Lektor, komm
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ruxesanät. kreis per Oisssform L1.2.L»0 bis ^,1.5.50.
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nnmmell Mä pünktlied ausgeklllirt. Inekerllllg an
krivale. — korto vvä kiselillalimo oitrs. —
6Le88rormeQkadrik, Leip2i§-6odli8 A. 58.
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