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Meggendorfer-Blätter, München
„Es ist alles Tun so voll Miihe, daß niemand ausreden kann. Das Auge
sieht sich nimmer satt, und das Ohr hört sicb iiimmer satt."
Daß dies nun einmal sv ist und wirklich und wahrhastig stimmt, davon
war vielleicht niemand so iiberzeugt wie Mutter Wiebke, wenn sie es auch
nicht so schön ausdriicken konnte wie König Salomo. Der hat sich iiber dieses
Thema recht nachdenklich geäußert, wie ihr ja wohl wissen werdet. Wenn
ihr es noch nicht wißt, so könntet ihr es gleich eininal nachlesen, es wird euch
nichts schaden. Diese Geschichte läuft euck nicht fort; ich warte inzwischen
gern so lange.-
Mit der Miihseligkeit alles Tuns hätte sich Mutter Wiebke schließlich
ohne ein Wort abgefunden, denn dazu sind wir ja am Ende da. Aber eine
Angerechtigkeit schien es ihr, eine schreiende Angerechtigkeit, daß gar so ost
ihre Mühe ganz umsonst gewesen war. So viele Aussichten, kleine und große,
um die sie die Lände geregt hatte, waren ihr zcrronnen. „All wieder umsonst!"
das war Mutter Wiebkes alter Seufzer.
Von Lause aus halte sie dieses Mißtrauen gegen den Lohn menschlichen
Miihens nicht mitgebracht. O nein: ihr Vater war ja der Totengräber
gewesen an Sankt Barbara Friedhof, und dessen Arbeit war nie umsonst
gewesen; jedesmal, wenn der seine drei Stunden tiichtig gegraben hatte, dann
hatte das auch ganz richtig seinen Zweck gehabt. Da hatte sie sich mit dem
Iohann versprochen, der Steuermann war auf dem Schoner „Alte Leimat".
Drei Monate hatte die Brautzeit dauern sollen, und gleich hatte sie die Lein-
wand gekauft und dann alle Abende bis spät in die Nacht aufgesessen. Ihre
ganze Wäscheaussteuer hatte sie mit eigenen Länden genäht. Gerade aber,
als sie am letzten Tischtuch den letzten Nadclstich tat, da hatten sie es durch
die Straße geschrien, daß draußen in der Bucht die „Alte Leimat" daran
wäre, jämmerlich zu strandcn. Alle waren von Vord gerettet worden, — bis
auf den Iohann. und die Katharina hatte die ganze fertige Arbeit in den
Kasten legen müssen.
Ganze zwanzig Iahre später, schon ein wenig altjüngferlich versauert, hatte
Mutter Wiebkes Mühe
Von Peler Robinson
ver Ziebndnjährige
silr lveihnLchl kam im letzlen jjahr,
llnä Muiter snr öescheren cischte,
va ivsr es ihr so rechl nicht klsr,
lllie jie's rvohl mit äem jjungen mschte.
llnspp lechrehn sjshre ivsr er stt,
lrug leine ersien Isngen siolen,
lst mal geletzt unä ivsr äsnn bslä
Seneigt. noch toll herumrutolen;
Sprach einmsl ivie ein silter gar,
lltar äann ein rechter siinärkopl ivieäer;
Lss noch lnäisnerlchmöker rivsr
llnä äoch such sieiner öuch äer Lieäer;
lllsr balä ein bihchen llegelkslt.
siat er sich msl herumgesiritlen,
llnä äsnn gesitlet musierbssi,
Musil' er rum Lanr äen öscklilch bitten.
sich js, äs ivsr r ivohl sckiver genug,
ven slungen ricblig ru belchenken.
Ilun, Multer lsnä äss Ilechte klug,
llen junge» sierrn nicht gsr ru krsnke»
llnä äoch trotz slleäem äss Ilinä,
l>sr er noch etivsr ihr gelchienen,
Mit lchön gemilchtem singebinä
2u rechter llleihnscht ru beäienen.
vock äieles jjskr — ivie snäers gsiw.
llielch grosier Sckritt isi äss geivelen!
siell ltrshsi sm ksum äer sierren SIsn^.
l)er ssimge, ksum noch recht genelen
llnä i» äer Linäe noch äen llrm, —
ver jjunge such ivsr mitgerogen.
sisuni scholl >m Sommer äer Msrm,
Isi er äem siinäheilsnesi entllogen.
Sie nskme» ihn, äer gsr lo bst,
llnä gsben ihm äie Maiinesivsfle».
sir rog hinsus rur Msnnerist,
llm mit sm grosie» lllerk ru lcksllen,
Lrlebte, ivsr nur Msnnesdlick
Soll lcksun äer Schlschten heisies Moräen,
llnä ksm lo sisrk unä lelt ruriick
Unä isi »u» gsnr ein Msnn geivoräen.
vurchs Limmer geht äer llleihnschtshsuch.
ver Multer 8sbe» ru emplsngen,
kilt lroh äer Sok». voch ist äs suck —
Sie hst es lisiig sbgelsngen
kin psckchen. lllie's msnchmsl lo gehsi
sist es, äem jjungen nschrureilen,
Siä, 2eit gelsllen unä ksm lpst, —
vsrinnen liegt äsr sireur von kilen.
GeLanenfis
sie dann noch den Krämer Wiebke ge-
nommen, der schon an die Fünfzig heran
war. Mit Sechzig war er gestorbe», ge-
rade als er sich draußen am Wasser
das kleine Laus gekauft hatte, in dem
er ein Schiffausrüstungsgeschäft hatte
betreiben wollen. Alles war fertig und
geriistet, der ganze Kram zusammenge-
kauft gewesen, bis zum letzten Sack Schiffs-
zwieback und zur lehten Stange Priem.
„All wieder umsonst!" hatte Mutter
Wiebke gesagt und ihrenMann begraben.