Zeitschrift für Humor und Kunst
Der kleine Professor
Alein-Hänschen spielt Magister. Ein äußerst schwsr Aapitsl
Tut sehr getehrt und wcis Wirä heute noch traktiect.
Und stellt sich voller Wiirde Ls dacf sich keiner mucksen,
2n seiner Schüler Areis. Wenn Hänschen so doziert.
Und Labei merkt von allen
Nicht einmal dec Soldat,
Daß Hänschen selbst vom Lesen
Noch keine Ahnung hatk F. jrahn.
Mutter Wiebkes MLHe
Schönes Geld war in den Landel
gesteckt worden, und ein gut Teil davon
war nicht wieder herauszuholen. Denn
natürlich mußte Frau Wiebke alles ver-
kausen, so gut es ging. Selbst das
Geschäft führen, das konnte sie nicht;
sich handeltreibend mit rauhem Seevolk
abzugeben und die vielen Dutzend Dinge,
die es auf den Planken braucht, so richtig
zu beschaffen, wie es auf dem Waffer
nun einmal sein muß, dazu gehört eben
doch ein Mann. Der glücklich gerettete
Rest reichte nicht hin und her; Mutter
Wiebke mußte, um sich halbwegs an-
ständig durckzubringen, noch tüchtig
nähen, stricken und ähnliche Landfertig-
keit üben, und ihre Tochter Fine mußte,
je größer sie wurde, auch ordentlich mit
heran.
Da war auch so manche Mühe
umsonst gewesen. Die Firma Elias
Stenzel Witwe, in deren schönen Laden
am Fischmarkt Frau Wiebke so viele
Paar Strümpfe, so manches Wollhemde
trug, verkündete ihr ständig durch den
beredten Mund ihres Inhabers, des
Lerrn Philipp Stobbien, sie habe ihr
Geschäft nicht zum Vergnügen der
Lieseranten, sondern zum Wohle ihrer
Kasse. llnd deshalb wußte Äerr Stobbien
an der Arbeit, die ihm Mutter Wiebke
zur geneigten Prüfung und Abnahme
entgegen hielt, gar oft die und jene
Fehler zu entdecken, die sein Gewiffen
dann zu einschneidenden Abzügen am
Macherlohn berechtigten. Ia, manchmal,
wenn er schlechter Lanne war, fand cr
wie ein Rezensent sogar Fehler, die
gar nicht da waren. Aber dagegen
konnte Frau Wiebke natürlich nicht auskommen. All wieder
umsonst.
Zu Weihnachten war es gewesen, da war die Fine
Wiebke durch irgendwelche sreundschaftliche Vermittlung
mitgenommen worden zu der schönen Abendunterhaltung,
die im Seemannshause die früheren Schüler der Navigations-
schule veranstalteten. Da hatte sie zum ersten Mal den
Lans Karsten gesehn, der ein tüchtiger junger Steuermann
war. And Äans Karstcn hatte die Fine Wiebke gesehen,
was zweifellos das Wichtigere war, und die Sache war
dann ihren Gang gegangen, bis richtig im Mai die Ver-
lobung war. Die Äochzeit wurde auf den 4. August sest-
gesetzt. „Ietzt muß ich mich an die Aussteuer heran machen,"
sagte Fine; „gleich morgen geh' ich nach der Sparkasse."
Aber was tat die Mutter da? Sie vcrsteckte einfach
Fines Sparkaffenbuch. „Is nich', mein Tochter," sagte sie,
„nicht ein Psennig wird jetzt abgehoben. Richt ein Stich
wird an der Aussteuer genäht. Nach der Äochzeit kannst
du dir eins nach dem andern anschaffen. Kannst ja dann
den ganzen Tag sitzen und nähen, wenn dein Mann auf
See ist. Kein einziges Stück darfst du dir vorher hinlegen."
Fine hatte nicht begreifen können, warum das so sein
sollte. Mutter Wiebke hielt den Mund; solche Dinge muß
man nicht auch noch verschreien. Genug, daß sie Bescheid
wußte. Ach ja, den Buckel sich krumm sitzen und die Äände
wund nähen, damit nachher alles umsonst war! Da mußte
vorsichtiger gehandelt werden, daß es der Tochter nicht so
ging, wie es der Mutter vor vierzig Iahren geschehen war,
mit ihrem ersten Bräutigam, dem Iohann.
Fine war natürlich unzusrieden. Was war denn das
sür ein Brautstand, in dem inan nicht sür den künstigen
Ehestand sorgen sollte! Lans Karsten war das alles gleich-
giltig. Er konnte nicht recht einsehen, warum sie um diese
Dinge sich so sehr bekümmerte Die hatten doch garnichts
mit der Lauptsache zu tun. Aber so sind die Männer,
wenn sie ans Leiraten denken. Schließlich, als das Gerede
der Freundinnen und das Staunen über solche Antätigkeit
vor der Lochzeit ihr gar zu sehr zusetzte, entschloß Fine
sich zu einer Gewaltmaßregel. Sie spürte ihrem Spar-
kassenbuch nach, fand es glücklich, besorgte das Nötige und
fing an zu nähcn. So, nun konnte sich die Mutter, wenn
es ihr paßte, sich auf den Kopf stellen. Das tat Frau
Wiebke sreilich nicht. Sie benutzte ihren Kops nicht, sich
darauf zu stellen, sondern nur, ihn traurig zu schütteln.
Warten wir's nur ab, warten wir's nur ab. —
Ende Iuli kam Lans Karsten aus Schweden zurück.
Für ganze vier Wochen hatte er sich frei gemacht. Alles
war in Ordnung: das Aufgebot bestellt, die kleine Wohnung
gemietet, und mit ihrer Wäsche war Fine auch schon bei
den letztcn Stücken. Als sie mit dem allerletzten fertig war.
Der kleine Professor
Alein-Hänschen spielt Magister. Ein äußerst schwsr Aapitsl
Tut sehr getehrt und wcis Wirä heute noch traktiect.
Und stellt sich voller Wiirde Ls dacf sich keiner mucksen,
2n seiner Schüler Areis. Wenn Hänschen so doziert.
Und Labei merkt von allen
Nicht einmal dec Soldat,
Daß Hänschen selbst vom Lesen
Noch keine Ahnung hatk F. jrahn.
Mutter Wiebkes MLHe
Schönes Geld war in den Landel
gesteckt worden, und ein gut Teil davon
war nicht wieder herauszuholen. Denn
natürlich mußte Frau Wiebke alles ver-
kausen, so gut es ging. Selbst das
Geschäft führen, das konnte sie nicht;
sich handeltreibend mit rauhem Seevolk
abzugeben und die vielen Dutzend Dinge,
die es auf den Planken braucht, so richtig
zu beschaffen, wie es auf dem Waffer
nun einmal sein muß, dazu gehört eben
doch ein Mann. Der glücklich gerettete
Rest reichte nicht hin und her; Mutter
Wiebke mußte, um sich halbwegs an-
ständig durckzubringen, noch tüchtig
nähen, stricken und ähnliche Landfertig-
keit üben, und ihre Tochter Fine mußte,
je größer sie wurde, auch ordentlich mit
heran.
Da war auch so manche Mühe
umsonst gewesen. Die Firma Elias
Stenzel Witwe, in deren schönen Laden
am Fischmarkt Frau Wiebke so viele
Paar Strümpfe, so manches Wollhemde
trug, verkündete ihr ständig durch den
beredten Mund ihres Inhabers, des
Lerrn Philipp Stobbien, sie habe ihr
Geschäft nicht zum Vergnügen der
Lieseranten, sondern zum Wohle ihrer
Kasse. llnd deshalb wußte Äerr Stobbien
an der Arbeit, die ihm Mutter Wiebke
zur geneigten Prüfung und Abnahme
entgegen hielt, gar oft die und jene
Fehler zu entdecken, die sein Gewiffen
dann zu einschneidenden Abzügen am
Macherlohn berechtigten. Ia, manchmal,
wenn er schlechter Lanne war, fand cr
wie ein Rezensent sogar Fehler, die
gar nicht da waren. Aber dagegen
konnte Frau Wiebke natürlich nicht auskommen. All wieder
umsonst.
Zu Weihnachten war es gewesen, da war die Fine
Wiebke durch irgendwelche sreundschaftliche Vermittlung
mitgenommen worden zu der schönen Abendunterhaltung,
die im Seemannshause die früheren Schüler der Navigations-
schule veranstalteten. Da hatte sie zum ersten Mal den
Lans Karsten gesehn, der ein tüchtiger junger Steuermann
war. And Äans Karstcn hatte die Fine Wiebke gesehen,
was zweifellos das Wichtigere war, und die Sache war
dann ihren Gang gegangen, bis richtig im Mai die Ver-
lobung war. Die Äochzeit wurde auf den 4. August sest-
gesetzt. „Ietzt muß ich mich an die Aussteuer heran machen,"
sagte Fine; „gleich morgen geh' ich nach der Sparkasse."
Aber was tat die Mutter da? Sie vcrsteckte einfach
Fines Sparkaffenbuch. „Is nich', mein Tochter," sagte sie,
„nicht ein Psennig wird jetzt abgehoben. Richt ein Stich
wird an der Aussteuer genäht. Nach der Äochzeit kannst
du dir eins nach dem andern anschaffen. Kannst ja dann
den ganzen Tag sitzen und nähen, wenn dein Mann auf
See ist. Kein einziges Stück darfst du dir vorher hinlegen."
Fine hatte nicht begreifen können, warum das so sein
sollte. Mutter Wiebke hielt den Mund; solche Dinge muß
man nicht auch noch verschreien. Genug, daß sie Bescheid
wußte. Ach ja, den Buckel sich krumm sitzen und die Äände
wund nähen, damit nachher alles umsonst war! Da mußte
vorsichtiger gehandelt werden, daß es der Tochter nicht so
ging, wie es der Mutter vor vierzig Iahren geschehen war,
mit ihrem ersten Bräutigam, dem Iohann.
Fine war natürlich unzusrieden. Was war denn das
sür ein Brautstand, in dem inan nicht sür den künstigen
Ehestand sorgen sollte! Lans Karsten war das alles gleich-
giltig. Er konnte nicht recht einsehen, warum sie um diese
Dinge sich so sehr bekümmerte Die hatten doch garnichts
mit der Lauptsache zu tun. Aber so sind die Männer,
wenn sie ans Leiraten denken. Schließlich, als das Gerede
der Freundinnen und das Staunen über solche Antätigkeit
vor der Lochzeit ihr gar zu sehr zusetzte, entschloß Fine
sich zu einer Gewaltmaßregel. Sie spürte ihrem Spar-
kassenbuch nach, fand es glücklich, besorgte das Nötige und
fing an zu nähcn. So, nun konnte sich die Mutter, wenn
es ihr paßte, sich auf den Kopf stellen. Das tat Frau
Wiebke sreilich nicht. Sie benutzte ihren Kops nicht, sich
darauf zu stellen, sondern nur, ihn traurig zu schütteln.
Warten wir's nur ab, warten wir's nur ab. —
Ende Iuli kam Lans Karsten aus Schweden zurück.
Für ganze vier Wochen hatte er sich frei gemacht. Alles
war in Ordnung: das Aufgebot bestellt, die kleine Wohnung
gemietet, und mit ihrer Wäsche war Fine auch schon bei
den letztcn Stücken. Als sie mit dem allerletzten fertig war.