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Meggendorfer-Blätter, München
Ein leuchtender Grund
— „Den hab' ich voriges Iahr schon mal gesehn. Ietzt nennt er sich ganz ehrlich
Schmidt, aber damals stand noch Smith auf dem Programm."
- „Ia, es sollte eben keiner n>isse», daß die Deutschen so gut schieße» können."
Dreizehn Schliige um Mitternacht
hausturm mit einem Male für vollkommen hoch genug an
sahen, und das haben ste dann auch beinahe hundert Iahre
hindurch getan. Aber dann wurde dem Turm doch ein Stiick
aufgesetzt; da hatte sich der
Respekt vor dem alten Fntz
allmählich verloren.
Ia, also die Uhr ging.
Aber schlagen konnte ste nicht.
In dem Getriebe, das Schlag-
werk mit Gehwerk verband,
war ein Zähnchen ausge-
brochen.
Warum? fragte der Lerr
Bürgermeister, so streng, als
wäre Ahrmacher Bracklow,
dem die Sorge für die Rat-
hausuhr anvertraut war,
schuld daran. Der aber meinte
gleichmütig, er säße ja nicht
darin, und wenn es so einem
Zahnrade paßte, brüchig zu
werden und einen Jahn zu
verlieren, dann täte es das
eben und ließesich durch nichts
in der Welt davon abhalten.
Der Lerr Bürgermeister hät-
1e doch auch manchen Zahn
verloren. Auf diese Bemerk-
ung anttvortete der Bürger
meisternicht. „Also, Sie müs-
sen das gleich in Ordnung
bringen, Meister," sagte er.
Der alte Bracklow schüttelte
den Kops. Nein, so schnell
ginge das nicht. Sein Gesclle,
der Gottlieb, wäre ja ein
tüchtiger Mensch, aber wenn er sich jetzt auch gleich dazu
hinsehte, — nein, vor morgen Mittag könnte das Schlag-
werk nicht wieder gehn. Solche Arbeit müßte sorgfältig ge-
macht werden.
Das war nu» eine schlim-
me Geschichte Bürgermeister
Rathmann dachte an das
Wohl seiner Münsterwalder.
Der Rathausturm trug die
einzige öffentliche Llhr der
Stadt, seitdem anno 18Z5 der
Blitz in den Kirchturm ge-
schlagen und darauf ein Feuer
die Uhr dort zerstört hatte.
Für eine neue wurde immer
noch an jedem Sonntag ge-
sammelt; aber das ging lang-
sam, Dreier um Dreier. llnd
nun wollte nicht einmal die
Rathausuhr heute die Slun-
den künden? Gerade heute
sollte sie stumm sein, in der
Silvesternacht, um zwölf
Uhr, wenn ganz Münster-
walde bis auf die Kinder,
die man vernünftigerweise >ns
Bett steckte — auf den ersten
der zwölf Schläge warlcn
würde, um sich dann ein glück-
liches Neues Iahr, Segen,
Frieden und Freundschaft zu
wünschen. Wenn die aner-
kannte Autorität der Rat-
hausuhr fehlte, — ja, dann
würde doch kein Mensch wis-
sen, in welchem Augenblick
das neue Iahr anfing; die
Nückzug Fremder: „Also der Äerr ist ausgegangen?
Schade; ich wollte doch Geld bringen!"
Diener: „Werde zur Vorsicht nochmal nach-
sehen — vielleicht ist er zurückgekehrt bei dem
schlechten Wetter!"
Meggendorfer-Blätter, München
Ein leuchtender Grund
— „Den hab' ich voriges Iahr schon mal gesehn. Ietzt nennt er sich ganz ehrlich
Schmidt, aber damals stand noch Smith auf dem Programm."
- „Ia, es sollte eben keiner n>isse», daß die Deutschen so gut schieße» können."
Dreizehn Schliige um Mitternacht
hausturm mit einem Male für vollkommen hoch genug an
sahen, und das haben ste dann auch beinahe hundert Iahre
hindurch getan. Aber dann wurde dem Turm doch ein Stiick
aufgesetzt; da hatte sich der
Respekt vor dem alten Fntz
allmählich verloren.
Ia, also die Uhr ging.
Aber schlagen konnte ste nicht.
In dem Getriebe, das Schlag-
werk mit Gehwerk verband,
war ein Zähnchen ausge-
brochen.
Warum? fragte der Lerr
Bürgermeister, so streng, als
wäre Ahrmacher Bracklow,
dem die Sorge für die Rat-
hausuhr anvertraut war,
schuld daran. Der aber meinte
gleichmütig, er säße ja nicht
darin, und wenn es so einem
Zahnrade paßte, brüchig zu
werden und einen Jahn zu
verlieren, dann täte es das
eben und ließesich durch nichts
in der Welt davon abhalten.
Der Lerr Bürgermeister hät-
1e doch auch manchen Zahn
verloren. Auf diese Bemerk-
ung anttvortete der Bürger
meisternicht. „Also, Sie müs-
sen das gleich in Ordnung
bringen, Meister," sagte er.
Der alte Bracklow schüttelte
den Kops. Nein, so schnell
ginge das nicht. Sein Gesclle,
der Gottlieb, wäre ja ein
tüchtiger Mensch, aber wenn er sich jetzt auch gleich dazu
hinsehte, — nein, vor morgen Mittag könnte das Schlag-
werk nicht wieder gehn. Solche Arbeit müßte sorgfältig ge-
macht werden.
Das war nu» eine schlim-
me Geschichte Bürgermeister
Rathmann dachte an das
Wohl seiner Münsterwalder.
Der Rathausturm trug die
einzige öffentliche Llhr der
Stadt, seitdem anno 18Z5 der
Blitz in den Kirchturm ge-
schlagen und darauf ein Feuer
die Uhr dort zerstört hatte.
Für eine neue wurde immer
noch an jedem Sonntag ge-
sammelt; aber das ging lang-
sam, Dreier um Dreier. llnd
nun wollte nicht einmal die
Rathausuhr heute die Slun-
den künden? Gerade heute
sollte sie stumm sein, in der
Silvesternacht, um zwölf
Uhr, wenn ganz Münster-
walde bis auf die Kinder,
die man vernünftigerweise >ns
Bett steckte — auf den ersten
der zwölf Schläge warlcn
würde, um sich dann ein glück-
liches Neues Iahr, Segen,
Frieden und Freundschaft zu
wünschen. Wenn die aner-
kannte Autorität der Rat-
hausuhr fehlte, — ja, dann
würde doch kein Mensch wis-
sen, in welchem Augenblick
das neue Iahr anfing; die
Nückzug Fremder: „Also der Äerr ist ausgegangen?
Schade; ich wollte doch Geld bringen!"
Diener: „Werde zur Vorsicht nochmal nach-
sehen — vielleicht ist er zurückgekehrt bei dem
schlechten Wetter!"