Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
220

Meggendorfer-Blätter, München


— „Zwei Gäule hatte ich zu den Sommerrennen nach England
geschickt, - die haben sie natürlich jetzt auch genommen."

— „Ia, auf Rennpferde sind die Kerle jetzt natürlich mächtig aus."

Dreizehn Schläge um Mitternacht

Rathaus. im schönsten Äause, aus dem er am Sonntag
nachmittag wie ein gebietender Äerr hinausschaute. Aus
dem Fenster nebenan aber sah das spitze Gesicht der Ma-
dame Kosmack, seiner Frau Mutter. Die betrieb ihre
Sondergeschäste; man wußte, daß mancher Bürger von
Münsterwalde ihr Geld schuldete und be
trächtliche Jinsen dafür zu zahlen hatte;
ja, man munkelte sogar, daß selbst der
Lerr Bügermeister, der mit seinem Ge-
halt nicht mehr recht auskam, seit er den
löerrn Sohn nach Jena geschickt hatte.
seine Seite in MadameKosmacks Konto-
buch hätte. Madame Kosmack und ihr
Sohn wirtschafteten ganz vortrefflich zu-
sammen in dem großen Lause. in der
kühlen Eintracht eines am gleichen Strang
des Geldeinsackens und Geldhütens zie-
henden Gespannes. und wenn nun doch
noch eine junge Lausfrau hineingeführt
werden sollte, so lag dieser Absicht vor
allem dcr Madame Kosmack unerträg-
liche Gedanke zugrunde, daß später
einmal, nach ihrem Fortgange, in dem
Lause amMarktplatz einebezahlteLaus-
hälterin ihrs Nase in Schränke und
Kasten stecken könnte. Vorläufig freilich
hatte fie noch die Lerrschaft, und die
wollte sie auch einer Schwiegertochter

Schlaraffenland

gegenüber ausüben. Deshalb muß-
te es eine willfährige, bescheidene
und durch Einbürgerung in ein
wohlhabendes Laus zu ewigem
Dankverpflichtete, dabei aber auch
wohlansehnliche Person sein, und
alle diese Eigenschasten glaubte
Madame Kosmack bei Renate
Dettloff zu finden. So hatte sie
denn Mutter und Tochter einmal
zu einem Nachmittagskaffee ein
geladen. Nach der zweiten Tasse
war, einen leichten Geruch von
Fett und Seife mit sich führend,
Lerr Kosmack erschienen, hatte
breit am Asch gesessen und die
Iungfer Renate mit kühl abschät-
zenden Blicken gemustert, daß sie
ordentlich Angst vor ihm bekam.
Madame Kosmack war dann aus
Schicklichkeitsgründen auch ein-
mal bei der Witive Dettloff zum
Kaffee gewescn, aber sie wußte,
daß deren Kasse dergleichen nicht
gut vertrug, und hatte gesagt, sie
ginge nicht gern aus, die Damen
möchten lieber immer zu ihr kom
men. Das war noch zweimal ge-
schehen; heute aber, zu Silvester,
war eine richtige Abendeinladung
gekommen. IungferNenate schien
das ein sehr häßlicher Tlbschluß
des Iahres.

Nicht so ihrer Mutter. Die
Witwe Dettloff hatte gut über
legt. Gottlieb Veenekanip war
zwar ein angenehmer junger Mann, Lerr Kosmack nicht gar
so nett. dlber Ahren, — du lieber Gott, wer kauft denn mal
eine Ahr! !lnd wenn man schon eine kauft, dann reicht sie
fürs Leben und wird noch auf Sohn und Enkel vererbt.
Seife und Lichte jedoch, — ja, die werden jeden Tag ge-
braucht. Diesen Gedanken hatte Gottlieb Veenekamp der
Witwe Dettloff, als sie sich in Meister
Bracklows kleinem Laden umsah, vom
Gesicht gclesen, und er hatte ihr sagen
wollen, daß Seife zu sieden und Lichte
aus Talg zu gießen, wohl eine gewinn-
bringende Beschäftigung wäre, daß aber
der Uhrmacher wie ein kleiner Schöpfer
unter seinen Ahren jäße, die von seiner
Land ihr munteres Leben empfingen.
Knd weiter hatte er sagen wollen, daß die
Witwe Dettloff es warm und behag-
lich haben und dcn ganzcn Tag in dem
kleinen Stübchen hinter dem Laden sitzen
und Zwiebackin denKaffee tunken könnte,
und daß er sie ehren und lieb haben
würde, daß aber in dem großen Lause
am Marktplatz, wo nicht einmal die
Iungser Renate ein besonders warmes
Plätzchen finden würde, sür ihre Frau
Mutter kaum eine beschcidene kalte Ecke
da sein, ja daß Madame Kosmack fie
wohl bald hinausekeln würde. Das hätte
Gottlieb Veenekamp am liebsteii gesagt.
Bildbeschreibung
Für diese Seite sind hier keine Informationen vorhanden.

Spalte temporär ausblenden
 
Annotationen