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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 21.1895 (Nr. 223-235)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16559#0023
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

l9

ckin großcr Mnsttcr.

Äeh' MM Kuckuck!

in Naimorgen wars, goldglänzend lag das Ländchen da
im ersten Sonnenstrahle und ein fröhlicher Bach zog
schimmernd durchs Irauliche Thal dahiu und summte
eiu Liedchen von Lenz und Blühen und von bekaunter wonniger
Zeit, aber heimlich und leise, daß es nicht zu weit klinge —
denn an dem grünen, waldgekrönten Berge, der wie ein Riesen-
thor das enge Thal abschloß, lag ein altes Uloster mit grauen
Mauern und moosbewachsenem Dach und Rirchenturm und das
schaute so ernst und schier verwundert drein, da es sah, wie
draußen alles so grünte und blühte und hörte, wie in allen
Zweigen die fliegenden Sänger so leichtsinnige lVeisen sangen.

Droben in einsamer Zelle gegeu den Rlostergarten hinaus,
saß ein schlanker, sinnender Iüngling und der trug noch keine
schwarze Autte und keine Tonsur im braunen Haar; den hatte
einst vor vielen Iahren ein büßender Mann mit sich gebracht
und da war er noch ein Aind mit lallender Zunge und mit
immer lachenden Aeuglein — und der lNann ward ein srommer
lNönch und da der Unabe sein eigen Rind war, so behielten
ihn die Rlosterleute bei sich, um einstens auch aus ihm einen
Ruttenmann zu machen.

Und selbigen Nlorgen hatte der greise Abt beim Früh-
Ronvent zu den Seinen gesxrochen: „Ich weiß nicht, was das
ist, unser pstegling, der Gottlieb, nimmt doch zusehends ab

an jugendlicher Frische und wird stiller und scheuer von Tag
zu Tag, schier muß ich glauben, er härme sich bitter, daß wir
ihm das geistliche Gewand noch nicht gegeben und darum frage
ich meins Brüder alle, ob man den Iungen zu jdfingsten uicht
mit Rutte und Gürtel beschenken und ihn zum tugendlichen
Iüuger unseres heiligen Grdensvaters machen solle?"

Und alle riesen ja und Amen. Der gute Abt aber hatte
salsch gerechnet. lvohl nahm der Iunge zusehends ab und
wurde stiller und scheuer von Tag zu Tag, aber das war nicht
die heilige Gier nach dem schwarzen lNönchsgewande, was in
seinem lserzen nagte, wie der lVurm im rotwangigen Apfel —
denn jüngst war ein sahreuder Schüler angekehrt im alten
Rlosterstübchen und hatte dem Iungen so vieles erzählt und
sabnliert — wie die lvelt noch viel weiter sei, als er hier sehe
von Berg zu Berg und wie draußen so viel lserrliches zu
schauen sei, von dem so eine verkrochene Rlosterspinne, wie er,
kein Traumesahnen hahen köune und wie nichts Seligeres
denkbar sei und nichts lVounesameres, als die Liebe eines
holden lNägdeleins — da hat der Gottlieb staunend gelauscht
und wiewohl er sich kein lllägdlein vorstellen konnte, da er in
strenger Rlosterzucht noch keines gesehen, so glaubte er dem ge-
lehrten Scholaren doch alles so getreulich, als wär's gedruckt
im Lvaugelieubuche und seitdem der sremde Geselle sortgezogen
mit lockendem Scheidelied, war seine Ruh' dahin und seines
Lserzeus kindlicher Friede und es gefiel ihm nimmer im ein-
sameu Hause, darum ward er blasser und scheuer tagtäglich.
llnd jetzt saß er droben in grauer Rlosterzelle und las in eiuem
alten pergamentenen Regelbuche — aber wie der Maimorgen
so sröhlich durch das Fensterlein lachte, da zogen des schlanken
Gottliebs Gedanken wie ein wilder Bienenschwarm weit weg
aus sriedlicher Zelle, weit weg von Benedikti strenger Regel
— und suchten auf serner wanderstraße seinen fahrenden Freund
und sein Lserz sühlte sich so bang und enge in den Rloster-
mauern und drinnen in der Brust klang immer und immer
wieder des sahrenden Schülers Abschiedssang:

was sagst Du mir vom Rlostergeh'n,
von Sinnen und Studieren —

Dieweil da tausend Lieder d'rinn
Durch Roxf und Lserz mir schwirren?

Die Rlostermauern laß ich Dir,

Nit ihrem stillen Frieden;

llnd frisch greif' ich zum lvanderstab,

Den Gott mir hat beschiedenl —

Und das hatte wenig klösterlichen Rlang, das lockere
Schelmenlied mit seiner leichtfertigen Reimerei und der junge
Zellenbewohner klappte die schweren Messuigschließen am Regel-
buche haftig zu und ftellte sich am Fensterlein so hoch er konnte
auf die Zehen und schaute hinaus; aber die weite, srohe IVelt
sah er doch nicht, denn Berg und lvald standen lvache davor.

jdfingsten kam und für das neue Mönchlein waren Rutte
und Gürtel genäht und gebügelt. Durch die weißen bilder-
. behangenen Rlostergänge huschten die schwarzen Mönchsgestalten
schweigsam wie Bchatten aneinander vorüber und dem hohen
eichenholzgetäferten Lhore zu und darauf saßen sie, jdsalmen
lispelnd, in den mit wunderlichen Schnitzwerken verzierten
braunen Lhorstühlen nieder und harrten ihres künftigen Mit-
bruders.

Lndlich kam er hereingeschritten, der schlanke Gottlieb,
gesenkten Ljauptes, blaß und scheu. Dousäiets! grüßte der
Abt, aber der arme Träumer vergaß sein Oso Zratias zu sagen
und da schüttelte manch einer sein geschorenes Ljauxt und
sprach unwillig das Dso Zratias selber.

Ietzt trat der ernste Abt hervor und dienende Brüder
trugen lveihrauchfaß, Regelbuch und Rutte herbei und es
wurde lateinisch hin und wieder respondiert, dann ward es
 
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