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Meggendorfers Humoristische Blätter.
Und auch hier schienen sich die Grenadiere zu langsam ein-
zuftellen, viel zu laugsam fiir seine Ungeduld.
Lxzellenz vou Degenseld zog die Augeubrauen imiuer fiusterer
zusammeiu Der Bataillonskommaudeur, welcher als eiuer der
ersten zur Stelle war, sah auf den ersten Blick, wie die Sachen
stauden. Lxzellenz waren von voruhereiu unzufrieden — schlecht
bei Stimmung — o, o — die Rritik nachber!
Lndlich stand die Mannschaft in Rech und Glied — eben
schickte sich der Geueral an — die Front abzureiten — da, was
war dos?
von dem Schlosse her kam rasselud uud klirreud in langen
Sätzeu die Gestalt eines riesigeu Ritters mit wallcndem tselm-
busche gerannt.
Doch keiue
schwere Lanze, keiu
altertümliches,
lauges, breites
Schwert bildete des
Schwergewappueteu
lvehr, die Liseufaust
umschloß sest jeues
Schießwerkzeug,
welches Ziiudnadel-
gewehr benannt ist,
uud der Riickeu trug
das Ausrüstungsstück
moderner Fußsolda-
ten, welches der Sol-
dateuwitz „Affe" ge
tauft hat.
Iu der uächsten
Sekunde staud die
abenteuerliche Lr-
scheiuung an dem
rechten Flügel des
Bataillous, steif und
starr.
Geueral von
Degenfeld hatte mit
großen Augen den
vorgang beobachtet, dann ritt er auf den Ritter zu.
Der unglückliche ^Laver glaubte erftickeu zu uiüsseu uuter
Lxzelleuz Blicken, seiu Auge stierte mit faft irrem Glanze ins
Leere.
Eiue lVeile betrachtete der bferr Divisionskommandeur den
rätselhaften Flügelmanu und seiue Lippen murmelten leise
dazu: „kfiim — hum — aeh — aeh — merkwürdiger Fall."
Dauu waudte er sich an den Regimentsführer. „Lrklärung,
bitte, bferr Gberst?"
Oer kserr Gberst wußte keine Erklärung; hilflos schaute er
nach dem Bataillouskommandeur hinüber.
Major Distel fuhr mit dem Taschentuch verstohlen über die
Stirn, wo die helleu Schwcißtropfen hervorbrachen. Auch er
wußte keine befriedigende Auskunft zu geben.
„Line fchöne Geschichte" ächzte er innerlich, was wird Lx-
zellenz zu dem unerhörteu vorfall sageu — war ohnedies schlechter
Laune — diese vermaledeite Romödie muß dem Faß vollends
den Boden ausschlagen. G, der Rerl — der Aerl — wie will
ich ihn mir nachher vornehmeiil"
„Sag' 'mal, mein Lieber, was bedeutet das eigentlich,"
begann der Geueral und aus dem Rlange seiuer worte waren
Schlüsse auf das, was nun folgen sollte, uicht zu ziehen. „bsoffst
Du, deu Gegnern in dieser Ausrüstung erfolgreicher zu Leibe
gehen zu köuuen, sie durch den — ich muß es zugebeu - sehr
wirkuugsvollen Aontrast zwischen moderner Bewaffuung uud
mittelalterlicher verpanzerung, in verwirrung setzen zu köunen?
— Gder wolltest Du neckischer Weise uur eine kleine Maskerade
zum besten geben — um uns an die Faschingszeit zu
erinnern?"
Liuige unartikulierte Laute zunächst — dann sprudelte es
in dumpfeu Grabestöneu hiuter dem herabgelassenen Visier hervor:
Ivie er mit audercn Grcnadiereu den Ahueusaal drübeu im
Schloffe besichtigt — wie
die Rüstuug zusammeuge-
stürzt uud die Rameradeu
bei Ankuuft der Ijerreu
Gffiziere ihu iu deu
jdanzer gezwäugt. Uud
dann hätte er das Al-
larmsigual gehört — und
da mußte er doch fo
schuell als möglich kom-
men — „deuu hat sich
das mein kjerr Ljaupt-
manii uud kserr Unter-
offizier in der Iustruk-
tiousstuudeso oftgesagt."
Uud währeud der
Schilderuug hcllte sich
das fiustere Autlitz des
hohen Ljerru merklich auf
— nuu nickte er sogar
beifällig mit dem Ropfe.
„So also löst sich
dieses Rätsel. Na, uieiu
Sohn, da thatest Du ganz
recht; kommen mußteft
Du, und weun Dir der
Lhimborazo an dem
Rücken geklebt hätte."
Und Grenad.er Taver Grochowski, iu desseu Seele leise
eiu ksoffnungsstrahl aufdämmerte, versicherte in Töneu, welche
jedeu Zweifel ausschlossen:
„!Verd ich sich auch koinmeu mit Thimborazo, kjerr Geuerall"
Lxzellenz wandte sich zu den Gffiziereu des Regiments.
„Der Maun soll straflos ausgehen. Dieser vorfall zeigt wieder
einmal, daß wir uns im Lrnftfalle auf unsere Leute verlassen
könuen".
Der General befand sich in bester Stimmung. Lr hatte
für die nuu folgendeii vorführungen und Lxerzitien nur lvorte
des Lobes und der Anerkennung. Grenadier Grochowski aber
mußte bis zum Schlusse der Iuspizierung am Flügel bleiben
uud seine Griffe und Beweguugen erregten uneingeschränkteste
Ljeiterkeit.
Nachher nahm der Ljerr Major den „Ritter" zur Seite
und drückte ihm etwas ksartes, Rundes, Blinkendes in die bjand.
„Da — Grenadier — werden Durst bekommen haben in
dem warmen Röcklein. Lassen Sie ihn 'mal leben — Raoul,
den berühmteu Retterl" —
Redaktion: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
Gefchäftsstelle in München: Corneliusstraste 19.
Meggendorfers Humoristische Blätter.
Und auch hier schienen sich die Grenadiere zu langsam ein-
zuftellen, viel zu laugsam fiir seine Ungeduld.
Lxzellenz vou Degenseld zog die Augeubrauen imiuer fiusterer
zusammeiu Der Bataillonskommaudeur, welcher als eiuer der
ersten zur Stelle war, sah auf den ersten Blick, wie die Sachen
stauden. Lxzellenz waren von voruhereiu unzufrieden — schlecht
bei Stimmung — o, o — die Rritik nachber!
Lndlich stand die Mannschaft in Rech und Glied — eben
schickte sich der Geueral an — die Front abzureiten — da, was
war dos?
von dem Schlosse her kam rasselud uud klirreud in langen
Sätzeu die Gestalt eines riesigeu Ritters mit wallcndem tselm-
busche gerannt.
Doch keiue
schwere Lanze, keiu
altertümliches,
lauges, breites
Schwert bildete des
Schwergewappueteu
lvehr, die Liseufaust
umschloß sest jeues
Schießwerkzeug,
welches Ziiudnadel-
gewehr benannt ist,
uud der Riickeu trug
das Ausrüstungsstück
moderner Fußsolda-
ten, welches der Sol-
dateuwitz „Affe" ge
tauft hat.
Iu der uächsten
Sekunde staud die
abenteuerliche Lr-
scheiuung an dem
rechten Flügel des
Bataillous, steif und
starr.
Geueral von
Degenfeld hatte mit
großen Augen den
vorgang beobachtet, dann ritt er auf den Ritter zu.
Der unglückliche ^Laver glaubte erftickeu zu uiüsseu uuter
Lxzelleuz Blicken, seiu Auge stierte mit faft irrem Glanze ins
Leere.
Eiue lVeile betrachtete der bferr Divisionskommandeur den
rätselhaften Flügelmanu und seiue Lippen murmelten leise
dazu: „kfiim — hum — aeh — aeh — merkwürdiger Fall."
Dauu waudte er sich an den Regimentsführer. „Lrklärung,
bitte, bferr Gberst?"
Oer kserr Gberst wußte keine Erklärung; hilflos schaute er
nach dem Bataillouskommandeur hinüber.
Major Distel fuhr mit dem Taschentuch verstohlen über die
Stirn, wo die helleu Schwcißtropfen hervorbrachen. Auch er
wußte keine befriedigende Auskunft zu geben.
„Line fchöne Geschichte" ächzte er innerlich, was wird Lx-
zellenz zu dem unerhörteu vorfall sageu — war ohnedies schlechter
Laune — diese vermaledeite Romödie muß dem Faß vollends
den Boden ausschlagen. G, der Rerl — der Aerl — wie will
ich ihn mir nachher vornehmeiil"
„Sag' 'mal, mein Lieber, was bedeutet das eigentlich,"
begann der Geueral und aus dem Rlange seiuer worte waren
Schlüsse auf das, was nun folgen sollte, uicht zu ziehen. „bsoffst
Du, deu Gegnern in dieser Ausrüstung erfolgreicher zu Leibe
gehen zu köuuen, sie durch den — ich muß es zugebeu - sehr
wirkuugsvollen Aontrast zwischen moderner Bewaffuung uud
mittelalterlicher verpanzerung, in verwirrung setzen zu köunen?
— Gder wolltest Du neckischer Weise uur eine kleine Maskerade
zum besten geben — um uns an die Faschingszeit zu
erinnern?"
Liuige unartikulierte Laute zunächst — dann sprudelte es
in dumpfeu Grabestöneu hiuter dem herabgelassenen Visier hervor:
Ivie er mit audercn Grcnadiereu den Ahueusaal drübeu im
Schloffe besichtigt — wie
die Rüstuug zusammeuge-
stürzt uud die Rameradeu
bei Ankuuft der Ijerreu
Gffiziere ihu iu deu
jdanzer gezwäugt. Uud
dann hätte er das Al-
larmsigual gehört — und
da mußte er doch fo
schuell als möglich kom-
men — „deuu hat sich
das mein kjerr Ljaupt-
manii uud kserr Unter-
offizier in der Iustruk-
tiousstuudeso oftgesagt."
Uud währeud der
Schilderuug hcllte sich
das fiustere Autlitz des
hohen Ljerru merklich auf
— nuu nickte er sogar
beifällig mit dem Ropfe.
„So also löst sich
dieses Rätsel. Na, uieiu
Sohn, da thatest Du ganz
recht; kommen mußteft
Du, und weun Dir der
Lhimborazo an dem
Rücken geklebt hätte."
Und Grenad.er Taver Grochowski, iu desseu Seele leise
eiu ksoffnungsstrahl aufdämmerte, versicherte in Töneu, welche
jedeu Zweifel ausschlossen:
„!Verd ich sich auch koinmeu mit Thimborazo, kjerr Geuerall"
Lxzellenz wandte sich zu den Gffiziereu des Regiments.
„Der Maun soll straflos ausgehen. Dieser vorfall zeigt wieder
einmal, daß wir uns im Lrnftfalle auf unsere Leute verlassen
könuen".
Der General befand sich in bester Stimmung. Lr hatte
für die nuu folgendeii vorführungen und Lxerzitien nur lvorte
des Lobes und der Anerkennung. Grenadier Grochowski aber
mußte bis zum Schlusse der Iuspizierung am Flügel bleiben
uud seine Griffe und Beweguugen erregten uneingeschränkteste
Ljeiterkeit.
Nachher nahm der Ljerr Major den „Ritter" zur Seite
und drückte ihm etwas ksartes, Rundes, Blinkendes in die bjand.
„Da — Grenadier — werden Durst bekommen haben in
dem warmen Röcklein. Lassen Sie ihn 'mal leben — Raoul,
den berühmteu Retterl" —
Redaktion: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
Gefchäftsstelle in München: Corneliusstraste 19.