Meggendorfers Hurnoristische Blätter.
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Zn der Bertegenheit.
„Aber, kserr Assessor, wie kommen Sie dazu, meine Tochter Tlla zu küsseul?"
„Verzeihen Sie, gnädige Frau, ich dachte, es wäre Ihre Tochter Lieschenl"
ihm aus, er hörte ein
Sausen durch die Luft und
eine Lsand fiel klatschend auf
seine linke Wange, daß es
durch die Stille schallte.
bferr Fiedler war im
ersten Augenblick so über-
rascht von diesem Ueberfall,
daß er ganz vergaß, nach
dem Thäter zu greifen, und
erst zur völligen Besinnung
kam (sogar das Räuschchen
war verfiogen), als er die
Thür seines Zimmers hinter
sich geschlossen hatte.
Liue Ghrfeigel — denn
eine solche war's, darüber
gab's keinen Zweifel; — er,
der Asfesfor Fiedler, hatte
eine Ghrfeige bekommen,
und von wem? warum?
Ia, das waren zwei Fragen,
die zu beantworten er sich
das thirn zer>narterte. Den
Aopf nachdenkend gebeugt,
die Lfände auf dem Rücken,
so lief er im Zimmer auf
und ab, blieb dann hin und
wieder vor dem Spiegel
stehen, die gerötete Wange
betrachtend, oder die kühle
kfand gegen die brennende
5telle drückend. Und was
für eine Lfand das gewesen
sein mußtel Noch waren
die Abdrücke der Finger
deutlich zu erkennen und da war sogar eine kleine blutige
Schramme, jedenfalls von einem Ringe herrührend.
NDar es ein Irrtum? N?ar es Absicht? lVer vermochte
darüber Aufschluß zu geben? Scham, Zorn bemächtigten sich
seiner, 0, wenn sie, die er anbetete, die ihn liebte, um deren
Lfand er demnächst anhalten wollte, wenn sie diese ihm an-
gethane Schmach erführe, was würde sie sagen? Aonnte er
das spöttische Lächeln, das ironische Bemitleiden, das Fragen
der Rivalen nach seinem IVohlbefinden ertragen? Und würde
sie es ertragen? wenn sie ihm den Abschied gäbe l l Line
Gänsehaut lief bei diesen Gedanken über seinen Rörxer. Er
hatte sogar Selbstmordgedaiiken.
Ls stand bei ihm fest, er mußte den Thäter ermitteln, ihn
zur Rechenschaft ziehenl — — —
Einige Tage lang hatten die männlichen Lfausbewohner
ihre stille verwunderung über die plötzliche Gesprächigkeit des
soust so einsilbigen und zurückhaltenden Assessors, und die auf-
driugliche Freundlichkeit, mit der er jede kfand ergriff und sie
starr musternd eiue geraume Zeit in der seinen hielt, erweckte
manches bedenkliche Roxfschütteln.
In der That war'der Aermste dem verzweifeln nahe. Nur
eine ksoffnung blieb ihm noch und diese fiel auf den verkueipten
Studenten mit dem gedunsenen, geröteten Gesicht, der oben im
vierten Stock wohnte oder richtiger: nur ab und zu mit heran-
kam, um gelegentlich mal dort zu schlafen; sonst war er stets
auf Studienreisen in der ,Rneippkur' begriffen. Aus diesem
Grunde hatte der Assessor noch nicht Gelegenheit gehabt, die
Rechte des Betreffenden zu untersuchen, doch hoffte er in ihr
bestimmt den Gesuchten zu finden.
Das „lver?" war also erledigt: der Studentl Und das
„Marum?" schien ihm auch klipx und klar: um ihn der Lächer-
lichkeit xreiszugeben, ihn herabzusetzen in den Augen seiner
Lrnal Und wenn auch ein Zweifel auftauchte, so wurde er
verdrängt durch die Ueberzeugung, daß in solch früher Morgen-
stunde niemand anders als wie dieser Bruder Liederlich den
kfausfiur xassiere, — natürlich dachte der Assessor nicht an sich.
Daß er den Studenten zur Rechenschaft ziehen würde, war
für ihn vom ersten Moment an ausgemachte Sache — bevor er
sich aber eventuell totschießen lassen wollte, wollte er ihr, seinem
Ideale, noch einmal in die freundlichen Augen sehen. Und das
sollte gleich geschehen. Das heißt, nachdem er seinen äußeren
Menschen wieder mit einer solchen Lfandlung in Linklang ge-
bracht hatte.
Nach einer guten Stunde stieg er die Trexxe hinab und
setzte den Finger auf den Rnopf der elektrischen Rlingel neben
dem porzellanschilde „Severs, jdrofessor." Nur sein vorhaben
im Roxfe, hatte er etwas energisch geklingelt.
Das Dienstmädchen riß eilig die Thür auf und der Asfesfor
erblickte im kfintergrunde die Verehrte, welche neugierig herbei-
geeilt war, den stürmisch Einlaß Begehrenden zu sehen.
„Ah, Sie sind's, kserr Doktorl" rief sie, und mit solchem
Nachdruck? „Bitte treten Sie nur näher, Papa muß jeden
Augenblick heimkommen."
Ach, was fragte er nach deml wenn er nur fie sahl
U)ie hübsch und lieb sie warl Und dieses herrliche Mädchen
sollte am Lnde gar nicht sein werden, wenn ihm der verkneixte
Student eine Rugel in den Leib jagtel
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Zn der Bertegenheit.
„Aber, kserr Assessor, wie kommen Sie dazu, meine Tochter Tlla zu küsseul?"
„Verzeihen Sie, gnädige Frau, ich dachte, es wäre Ihre Tochter Lieschenl"
ihm aus, er hörte ein
Sausen durch die Luft und
eine Lsand fiel klatschend auf
seine linke Wange, daß es
durch die Stille schallte.
bferr Fiedler war im
ersten Augenblick so über-
rascht von diesem Ueberfall,
daß er ganz vergaß, nach
dem Thäter zu greifen, und
erst zur völligen Besinnung
kam (sogar das Räuschchen
war verfiogen), als er die
Thür seines Zimmers hinter
sich geschlossen hatte.
Liue Ghrfeigel — denn
eine solche war's, darüber
gab's keinen Zweifel; — er,
der Asfesfor Fiedler, hatte
eine Ghrfeige bekommen,
und von wem? warum?
Ia, das waren zwei Fragen,
die zu beantworten er sich
das thirn zer>narterte. Den
Aopf nachdenkend gebeugt,
die Lfände auf dem Rücken,
so lief er im Zimmer auf
und ab, blieb dann hin und
wieder vor dem Spiegel
stehen, die gerötete Wange
betrachtend, oder die kühle
kfand gegen die brennende
5telle drückend. Und was
für eine Lfand das gewesen
sein mußtel Noch waren
die Abdrücke der Finger
deutlich zu erkennen und da war sogar eine kleine blutige
Schramme, jedenfalls von einem Ringe herrührend.
NDar es ein Irrtum? N?ar es Absicht? lVer vermochte
darüber Aufschluß zu geben? Scham, Zorn bemächtigten sich
seiner, 0, wenn sie, die er anbetete, die ihn liebte, um deren
Lfand er demnächst anhalten wollte, wenn sie diese ihm an-
gethane Schmach erführe, was würde sie sagen? Aonnte er
das spöttische Lächeln, das ironische Bemitleiden, das Fragen
der Rivalen nach seinem IVohlbefinden ertragen? Und würde
sie es ertragen? wenn sie ihm den Abschied gäbe l l Line
Gänsehaut lief bei diesen Gedanken über seinen Rörxer. Er
hatte sogar Selbstmordgedaiiken.
Ls stand bei ihm fest, er mußte den Thäter ermitteln, ihn
zur Rechenschaft ziehenl — — —
Einige Tage lang hatten die männlichen Lfausbewohner
ihre stille verwunderung über die plötzliche Gesprächigkeit des
soust so einsilbigen und zurückhaltenden Assessors, und die auf-
driugliche Freundlichkeit, mit der er jede kfand ergriff und sie
starr musternd eiue geraume Zeit in der seinen hielt, erweckte
manches bedenkliche Roxfschütteln.
In der That war'der Aermste dem verzweifeln nahe. Nur
eine ksoffnung blieb ihm noch und diese fiel auf den verkueipten
Studenten mit dem gedunsenen, geröteten Gesicht, der oben im
vierten Stock wohnte oder richtiger: nur ab und zu mit heran-
kam, um gelegentlich mal dort zu schlafen; sonst war er stets
auf Studienreisen in der ,Rneippkur' begriffen. Aus diesem
Grunde hatte der Assessor noch nicht Gelegenheit gehabt, die
Rechte des Betreffenden zu untersuchen, doch hoffte er in ihr
bestimmt den Gesuchten zu finden.
Das „lver?" war also erledigt: der Studentl Und das
„Marum?" schien ihm auch klipx und klar: um ihn der Lächer-
lichkeit xreiszugeben, ihn herabzusetzen in den Augen seiner
Lrnal Und wenn auch ein Zweifel auftauchte, so wurde er
verdrängt durch die Ueberzeugung, daß in solch früher Morgen-
stunde niemand anders als wie dieser Bruder Liederlich den
kfausfiur xassiere, — natürlich dachte der Assessor nicht an sich.
Daß er den Studenten zur Rechenschaft ziehen würde, war
für ihn vom ersten Moment an ausgemachte Sache — bevor er
sich aber eventuell totschießen lassen wollte, wollte er ihr, seinem
Ideale, noch einmal in die freundlichen Augen sehen. Und das
sollte gleich geschehen. Das heißt, nachdem er seinen äußeren
Menschen wieder mit einer solchen Lfandlung in Linklang ge-
bracht hatte.
Nach einer guten Stunde stieg er die Trexxe hinab und
setzte den Finger auf den Rnopf der elektrischen Rlingel neben
dem porzellanschilde „Severs, jdrofessor." Nur sein vorhaben
im Roxfe, hatte er etwas energisch geklingelt.
Das Dienstmädchen riß eilig die Thür auf und der Asfesfor
erblickte im kfintergrunde die Verehrte, welche neugierig herbei-
geeilt war, den stürmisch Einlaß Begehrenden zu sehen.
„Ah, Sie sind's, kserr Doktorl" rief sie, und mit solchem
Nachdruck? „Bitte treten Sie nur näher, Papa muß jeden
Augenblick heimkommen."
Ach, was fragte er nach deml wenn er nur fie sahl
U)ie hübsch und lieb sie warl Und dieses herrliche Mädchen
sollte am Lnde gar nicht sein werden, wenn ihm der verkneixte
Student eine Rugel in den Leib jagtel