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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 21.1895 (Nr. 223-235)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16559#0064
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Meggendorfers Humoristische Blätter.


Lr versuchte, Lrna gegenüber sitzend, zu sprechen — nber
gleichgiltige Dinge: wetter, Theater und dergleichen, — aber
die Worte blieben ihm thatsächlich iin Munde stecken. Desto
lebhafter war Lrna. Dem Mnndchen, das mit seinen Korallen-
Lippen so einladend aussah, entsprudelten die Worte, als wären
sie an eine Schnur gereiht.

Sie interessierte sich lebhaft für ihre Lrzählung, sie hatte
es so wichtig — aber bserr Fiedler hörte von alledem nicht das
Geringste, er stierte vor sich nieder, und als sie nun um des
Nachdrucks willen ihre Rechte auf seinen Arm legte, da stierte
er auf die Lsand.

Ia, die ^and, die liebe bsaud, die er so oft beim Tauz in
der seinen gehalten, so recht zart an den rosigen Fingerspitzen,
— die er, ach wie oft, ganz heimlich gedriickt, diese bsand sollte
er-

plötzlich fuhr er zusammen wie von einer viper gestochen—
seine Augen wurden immer größer, immer starrer. Er fing an
zu zittern, wollte sprechen, aber die Rehle war ihm wie zu-
geschnürt.

„was ist Ihnen, Lserr Doktor?" rief Lrna erschreckt.
„Mein Fräulein — diese Lsand —?"

„Nun, was ist's mit dieser thand — sie scheinl Ihnen ein
weuig groß — hm! 7 Ttm.!"

„Ia, ja — Fräulein — Lrna, — aber sagen Sie mir,
bitte, auf Ihr Threuwort: ist es wirklich Ihre eigeue?" —
Lrna lachte belustigt auf: „Aber, Lferr Doktorl" —

Dann sagte sie, anscheinend gekränkt: „Ich kann ja
nicht dafür, daß sie groß ist. Ach, wie habe ich mich
schon darüber gegrämt und andere um ihre winzigen chänd-
chen beneidet l — — Und doch kam mir ihre Größe vor
einigen Tagen recht gut zustatten." — Und nun ging's im
alten jdlauderton fort, diesmal aber hörte der Assessor, und
zwar recht gespannt, zu. „Sie kennen doch den Stu-
denten, der fortwährend betrunken ist? (Und ob er ihn
kannte). Ein widerwärtiger Menschl (Natürlich). wie er
mich immer so frech anklotzt mit seinen verschwommenen
Augenl (b)a, den soll doch . . .1) — vor einigen Tagen
erhob sich j)apa zeitiger denn sonst, um an seinem Buche
zu arbeiten. Da unser Dienstmädchen krank geworden, war
ich genötigt, das Frühstück vom Bäcker zu holen. Ls war
noch recht finster draußen. Gerade, als ich die Treppe
hinunterkomme, wird die ksausthür aufgestoßen und eine
wankende Gestalt stolperte herein. Wer konnte es anders
sein wie der Student? (b)m, ja, wer konnte es anders
sein?) Ich drücke mich in eine Ecke, um ihn vorüber,
zulaffen; aber er muß mich eutdeckt haben. Mit aus-
gebreiteten Armen kommt er auf mich zu. Ich bin jedoch
gefaßt und wohlgezielt trifft diese bsand — diese Lsand,
bferr Assessor, die wange des Zudringlichen . . . ."

„ . . . . Daß die Spuren davon noch heute zu sehen
sindl" ergänzte Fiedler den Satz.

„wie sagten Sie?" ,

„Bitte, mein Fräulein, überzeugen Sie sich, eine ziem-
liche Schramme."

Ein Stein war ihm vom bserzen gefallen. Der ksumor
faud sich wieder und lachend hielt er seine beschädigte
wange hin. Ietzt war das Lrstaunen auf Erna's Seite.

„tserr Doktor," sagte sie gedehnt, — „5ie?" —

„Ia, ich war der Unglückliche, Fräulein Lrnal"

Und nun beichtete er die ganze Geschichte, und dann
stimmten beide ein übermütiges Lachduett an.

„wie kann ich das nun aber wieder gut machen?" fragte

die junge Dame, nachdem sie sich einigermaßen über die Tragi
komik beruhigt hatte.

Da ergriff der Assessor die bewußte Rechte uud sagte:
„Daß diese L)and auf ewig mein eigen wird." — — —

Daß sie sein eigen geworden ist, braucht wohl nicht beson-
ders erwähnt zu werden.

Ueber die festgesetzte Zeit ist er aber nie mehr ausgeblieben
— aus Rücksicht auf die große Lsaud I

Rus dem -Leben.

dle Menfchen willst Du sinden,
Um dich ihnen zu verbinden,
willst geschätzt — verstanden sein?
Magst du auch dein ganzes Leben
Rastlos widmen diesem Streben,
Immer bleibst du doch — alleinl

Magst du unter Armen, Reichen,
Niedern, Ljohen — Deinesgleichen
Sucheu ohne Rast und Ruh' —
Nutzlos wird dein Ruf verhallen,
Denn die Edlen, die da wallen,
Leben einsam, so wie — Dul

Daher.

Gnädige: „... Nun wenn Sie auch verliebt siud, so brauchen
Sie doch nicht alles anbrennen zu lassen und das Geschirr entzwei-
zubrechenl" — Aöchin: „Ich bin eben unglücklich verliebtl"

Redaktion: Max Schreiber. Druck und verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.

GrschäfLsstellr in Münrhen: Corneliusflraste 19.
 
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