Meggendorfers Humoristische Blätter.
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Ratschläge für Dichter und Dichlerlinge.
ls wahrer Dichtcr gilt zumeist,
(Und das nimm wohl in achtl):
Nur der, der wirklich dichten kan»
Und nicht blos — verse macht.
Auch gilt das vichten überhanpt
Nicht immer als Gewinnst;
Nei manchen Uichtern ist sogar
Nicht-Dichten ein Nerdienst l
Nist Du romautisch angelegt,
So suche die Natur
Und pflück' die Blüten Deiner Uuust
Im Lenz, auf grüner Flur.
U)enn Du jedoch ein Iünger der
Nodernen 5chule bist,
Dann thut's auch schon ein Schweine-
Nebst einem Lsausen Ukist. sftall,
Nicht blos als Nensch, als Dichter auch
Mußt Du stets ehrlich sein
In alleui, was deu Unterschied
Betrifft von Ulein und Oeinl
Scheint uuumgäuglich nötig Oir
Lin lyrisches Gedicht,
Ulachs möglichst kurzl Am Besten ift's
Iedoch, Du machst es — nichtl
Lies Deine Verse, lieber Freund,
Nie ungebeten vorl
Nur wer Dich selber drum ersucht,
Leiht gerne Dir sein Bhr.
Ljast Du Ideen heut, so schick'
Sie schleunigst einem Blatt,
U)eil morgen, glaub mirs sicherlichl
5>ie schon ein andrer hat.
chrankiere stetsl Strafporto zahlt
Nicht gern die Redaktion;
Sie ist vielleicht gestraft genug
Durch Deiue Nerse schonl
Dies ist mein Rat, doch sürcht ich sehr, ! Der Dichterling befolgt ihn nicht —
's wird niemand seiner froh: ^ Ein Dichter weiß das sol O. E. W.
Me öer Aslsitier ^kernunski eine DamenbekannLschast macht.
er Füfilier j)ernunski patroulliert eines Abends vor
einem Laden auf und ab, vor desfen Auslagefenstcr ein
dralles Dienstmädchen steht, das seine Aufmerksamkeit
erregt hat, und das er anzusprechen doch nicht den Ulut besitzt.
Da sie scheinbar absichtlich lange vor dem Laden stehen
bleibt und immer heimlich von
der Seite ihm Blicke zuwirft,
so faßt er sich endlich ein Herz
und tritt näher. vergebens
aber sucht er nach Worten, ein
Gespräch zu beginnen, und so
richtet er denn starr seine Llicke
auf eine kleine porzellanfigur,
die eine abscheuliche Fratze
schneidet und ihn so recht anzu-
griusen scheint. Die junge
,Dame* giebt sich die erdenklichste
Ulühe, ihn zum Reden zu
bringen; bald hat sie hier, bald
dort was zu sehen, bald ist sie
dicht an seiuer Seite, bald macht
sie wieder Miene fortzugehen.
Ls nützt alles nichts, j)ernunski
bleibt stumm.
Lndlich stößt sie ihn mit
ihrem Aorbe gerade nicht sehr
sanft in die Rippen. Lr fährt
zusammen und wird ganz rot
im Gesicht, und nun entspinnt
sich folgendes Gespräch:
„G, entschuldigen Sie, es
war ohne jegliche Abstcht."
„Das hat rein gar nichts
zu sagen, ob mit oder ohne Ab-
sichtlichkeit, ich kann sowas schon
vertragen, stoßen Sie nur
immer zu!"
„Das wäre nicht hübsch von mir. Menn es Ihnen nur
nicht weh gethan hat."
„Ach was denken Sie, mein Fräulein, ein Soldat fühlt das
nicht."
„Das ist mir sehr angenehm zu hören."
Lsier entsteht eine kleine Pause, in der pernun.ski seine Blicke
auf die j)orzellanfigur richtet. Dann fagt er:
„Ich beobachte Sie schon lange, Fräulein."
Das Fräulein lacht verschämt.
„Es war mir schon so, als wenn Sie mich beobachteten."
„Ia, Ihre schöne Gestalt fiel mir in die Augcn."
„Sie sind sehr schmeichelhaft, mein Lferrl"
„Bei die Damen muß man immer galant sein."
Indem treten Leute an das Auslagefenster und die Aüchen-
zofe flüstert dem Soldaten zu:
„Aommen Sie weg, es kommen
welche."
„Sie haben einen sehr
schönen Gangl" sagt er beim
Gehen. ,
„Sie rühmen mich zu sehr,
mein kserr."
„Ich rühme Sie gar
nicht, Fräulein, aber ich habe
wirklich noch uie einen so schönen
Gang gesehen wie bei . .. . ."
bsier stockt er, weil er im Zweifel
ist, und sich doch recht gebildet
ausdrückeu will. Endlich sagt
er: „. . . wie bei dem Ihrigten
Gangl"
„Sie haben viel feinc
Manier. Gewiß habcn Sie eine
große Damenbekanntschaft."
„Das gar nichtl Das durch-
aus nichtl Ich habe hier keine
Dame als Bekanntschaft. Aber
ich bilde an mir selber."
„Sowas finde ich schön von
einem jungen Menschen."
j)ause.
„Kennen Sie die Braut
von Nessina?"
„Die ist mir nicht bekannt.
Meinem Bruder wilhelm seine
heißt Bertha. A)o soll sie denn wohnen?"
„Sie verstehen mich fälschlich, mein Fräulein. Das ist ein
Theaterstück, man nennt es klassisch, darum ist es traurig."
„Ach so l Ls muß sehr hübsch sein, wenn eine Braut drin
vorkommt." .i
„Ia. wenn es Ihnen angenehmbar ist, so lese üch es
Ihnen mal vor. Ich lese sehr gut."
„Es würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie mich mal
besnchen. kjier wohne ichl Nun, leben Sie wohl, meine
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Ratschläge für Dichter und Dichlerlinge.
ls wahrer Dichtcr gilt zumeist,
(Und das nimm wohl in achtl):
Nur der, der wirklich dichten kan»
Und nicht blos — verse macht.
Auch gilt das vichten überhanpt
Nicht immer als Gewinnst;
Nei manchen Uichtern ist sogar
Nicht-Dichten ein Nerdienst l
Nist Du romautisch angelegt,
So suche die Natur
Und pflück' die Blüten Deiner Uuust
Im Lenz, auf grüner Flur.
U)enn Du jedoch ein Iünger der
Nodernen 5chule bist,
Dann thut's auch schon ein Schweine-
Nebst einem Lsausen Ukist. sftall,
Nicht blos als Nensch, als Dichter auch
Mußt Du stets ehrlich sein
In alleui, was deu Unterschied
Betrifft von Ulein und Oeinl
Scheint uuumgäuglich nötig Oir
Lin lyrisches Gedicht,
Ulachs möglichst kurzl Am Besten ift's
Iedoch, Du machst es — nichtl
Lies Deine Verse, lieber Freund,
Nie ungebeten vorl
Nur wer Dich selber drum ersucht,
Leiht gerne Dir sein Bhr.
Ljast Du Ideen heut, so schick'
Sie schleunigst einem Blatt,
U)eil morgen, glaub mirs sicherlichl
5>ie schon ein andrer hat.
chrankiere stetsl Strafporto zahlt
Nicht gern die Redaktion;
Sie ist vielleicht gestraft genug
Durch Deiue Nerse schonl
Dies ist mein Rat, doch sürcht ich sehr, ! Der Dichterling befolgt ihn nicht —
's wird niemand seiner froh: ^ Ein Dichter weiß das sol O. E. W.
Me öer Aslsitier ^kernunski eine DamenbekannLschast macht.
er Füfilier j)ernunski patroulliert eines Abends vor
einem Laden auf und ab, vor desfen Auslagefenstcr ein
dralles Dienstmädchen steht, das seine Aufmerksamkeit
erregt hat, und das er anzusprechen doch nicht den Ulut besitzt.
Da sie scheinbar absichtlich lange vor dem Laden stehen
bleibt und immer heimlich von
der Seite ihm Blicke zuwirft,
so faßt er sich endlich ein Herz
und tritt näher. vergebens
aber sucht er nach Worten, ein
Gespräch zu beginnen, und so
richtet er denn starr seine Llicke
auf eine kleine porzellanfigur,
die eine abscheuliche Fratze
schneidet und ihn so recht anzu-
griusen scheint. Die junge
,Dame* giebt sich die erdenklichste
Ulühe, ihn zum Reden zu
bringen; bald hat sie hier, bald
dort was zu sehen, bald ist sie
dicht an seiuer Seite, bald macht
sie wieder Miene fortzugehen.
Ls nützt alles nichts, j)ernunski
bleibt stumm.
Lndlich stößt sie ihn mit
ihrem Aorbe gerade nicht sehr
sanft in die Rippen. Lr fährt
zusammen und wird ganz rot
im Gesicht, und nun entspinnt
sich folgendes Gespräch:
„G, entschuldigen Sie, es
war ohne jegliche Abstcht."
„Das hat rein gar nichts
zu sagen, ob mit oder ohne Ab-
sichtlichkeit, ich kann sowas schon
vertragen, stoßen Sie nur
immer zu!"
„Das wäre nicht hübsch von mir. Menn es Ihnen nur
nicht weh gethan hat."
„Ach was denken Sie, mein Fräulein, ein Soldat fühlt das
nicht."
„Das ist mir sehr angenehm zu hören."
Lsier entsteht eine kleine Pause, in der pernun.ski seine Blicke
auf die j)orzellanfigur richtet. Dann fagt er:
„Ich beobachte Sie schon lange, Fräulein."
Das Fräulein lacht verschämt.
„Es war mir schon so, als wenn Sie mich beobachteten."
„Ia, Ihre schöne Gestalt fiel mir in die Augcn."
„Sie sind sehr schmeichelhaft, mein Lferrl"
„Bei die Damen muß man immer galant sein."
Indem treten Leute an das Auslagefenster und die Aüchen-
zofe flüstert dem Soldaten zu:
„Aommen Sie weg, es kommen
welche."
„Sie haben einen sehr
schönen Gangl" sagt er beim
Gehen. ,
„Sie rühmen mich zu sehr,
mein kserr."
„Ich rühme Sie gar
nicht, Fräulein, aber ich habe
wirklich noch uie einen so schönen
Gang gesehen wie bei . .. . ."
bsier stockt er, weil er im Zweifel
ist, und sich doch recht gebildet
ausdrückeu will. Endlich sagt
er: „. . . wie bei dem Ihrigten
Gangl"
„Sie haben viel feinc
Manier. Gewiß habcn Sie eine
große Damenbekanntschaft."
„Das gar nichtl Das durch-
aus nichtl Ich habe hier keine
Dame als Bekanntschaft. Aber
ich bilde an mir selber."
„Sowas finde ich schön von
einem jungen Menschen."
j)ause.
„Kennen Sie die Braut
von Nessina?"
„Die ist mir nicht bekannt.
Meinem Bruder wilhelm seine
heißt Bertha. A)o soll sie denn wohnen?"
„Sie verstehen mich fälschlich, mein Fräulein. Das ist ein
Theaterstück, man nennt es klassisch, darum ist es traurig."
„Ach so l Ls muß sehr hübsch sein, wenn eine Braut drin
vorkommt." .i
„Ia. wenn es Ihnen angenehmbar ist, so lese üch es
Ihnen mal vor. Ich lese sehr gut."
„Es würde mich außerordentlich freuen, wenn Sie mich mal
besnchen. kjier wohne ichl Nun, leben Sie wohl, meine