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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 21.1895 (Nr. 223-235)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16559#0113
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Meggendorfers Humoristische Blätter.

W9

Die schöne Arau von Mto.

er Maler Max Rainer war damit beschäftigt, „geniale
Unordnnng" einznräninen. bsin nnd her trug er Tisch-
chen und Stühle. Der breite Divan wurde init dem
Tigerfell bedeckt —, iiber Max's Stolz, den alten, lederbezogenen
Wallenstein-Strchl nachlässig ein schimmerndes Brocatgewebe
geworfen. ksier ein türkisches Tischchen hingeschoben — darauf
eine korbrrmflochtene Flasche rnerimas-oirristr und ein xaar
schlanke venetianische Aelche. Nnn noch eine Schale pnrxnrner
Tranben rrnd sammtne Pfirsiche — das Stillleben war sertig.
Befriedigt scch sich Max um, und er scch, daß alles gnt war.
Dann blieb er vor einer venrrs stehen, die schimmernd a»s einer
Grrrxpe graziöser j?almen- und Farnwedel aufragte — wie
viele Entbehrungen hatte es ihn gekostet, ehe er diese venns
sein nanntel Nnn griff er in eine Schale
prachtroller blasser Rosen nnd strente sie anf
den Teppich — eine bchldigung für die, welche
herrte komnren wollten, Max nenestes Bild zn
sehen, das noch verhüllt aus der Staffclci stand.

Tin kunstsinniger jdrinz »nd ein paar Vamen
der ersten Gesellschastl Zwar war es noch zu
früh — eine Stnnde inochte noch vergehen —
trotzdem machte Max jetzt sorgfältig Toilette.

Ls klopfte. Auf Max's „hereinl" öffnete sich
die Thür ein klein wenrg und ein runzliges, trcn-
herziges, altes Gesicht guckte zaghaft herein

— die kleine gebückte Gestalt, in einem hübsch
dreieckig zusammengelegten türkischen Tuch, das
sie fast ganz verhüllte, solgte nach.

„Iesses — mei Mutterle!" schrie Nax und
war mit einem Satz bei der Alten, die er lachend
nnd weinend umhalste und sie dann mit seinen
beiden mächtigen Armen in die ksöhe hob. „Na

— aber die Frerrd — und wo kommst denn her
mei' gut's alt's Mutterle —?"

Der Alten kugelten die Thränen über die
welken Backen. „Iesses — mei Maxll — grad
flennen muß i," schluchzte sie — „weil halt der
Moosbauer sein Rnecht halb erschlagen hat, muß
ich Zeugenschaft leisten — und da hab ich dich
halt heimsuchen wollen — gelt, da schaust du
aber —"

Max Rainer war der Sohn armer Banern —
und er rühmte sich dessen. Mit rührender Liebe
hätschelte er die alte Frau — nahm ihr selbst
das Tuch von den Schultern und zeigte ihr dann
sein Bild. Dann erst sah sich die alte Frau im
Atelier um. Nun aber schlug sie vor verwun-
derung die welken Lsände zusammen. —

„So eine jdrachtl" staunte sie — „grad aufräumen möcht'
ma halt ein bissel. Und so einen alten Großvaterstuhl brauchst
du grad auch nit zu habcn," meinte sie mitleidig, den lvallen-
steinstuhl kopsschüttelnd betrachtend — „grad schimmeln thut er
schon — zum Lhristkindel kriegst einen neuen" — xlötzlich aber
blieb der plaudernde Nund offen stehen — denn ihr Blick war
auf die lebensgroße milonische Venus inmitten der jdalmen-
gruxpe gefallen.

„Iesses, Iesses, Maxel —" stammelte sie — „jetzt — wer
rs dann das?"

Max kniff ein Auge zu. „Aennst die denn nit, Mutterle?"

fragte er schalkhaft — „das ist ja die schöne Frau von Milo."

Die alte Frau schlug die Lsände über den Aoxf znsammen.
„Dn mein lieb's kserrgöttle," jammerte sie, „is denn wohrl
Die chran von Milo — und auch rricht a einzig's Lümperla hats
an — jetzt, was sagt denn er dazu — grad xrügelu nrüßt er
sie — ?"

„wer müßte prügeln?" fragte Max erstannt.

„Na — er halt — der lherr von Milo —"

Max schlug ein schallendes Gelächter auf. „Mutterle," ries
er endlich, „den kserrn von Milo den gibts ja nicht."

„Ach du nrei guts bserrgöttle," jammerte die alte Fran,

„und nu is sie noch gar erne lvittfrau — und läßt sich so
abnehmen — Maxel — mei guter guter Maxel — gelt — das
thust dei'm alten Nütterle zu Lieb — mit so schlechten Menschen
giebst dich halt nit ab, wie die Milo'n."

Max streckte jetzt vor Lachen „alle viere" von sich. „Mut-
terle" sagte er endlich, sich die Lachthränen abtrocknend, „sei
sein ruhig — die Milo'n' ist schon hübsch lange tot — deine
Schwiegertochter kann sie leider nicht mehr werden. Aber jetzt
mei Nutterle, kommen feine Leute deines Maxels Bild ansehen.
Lin prinz — denke nur — ein richtiger, lebendigek Prinz —
und ein paar Gräfinnen obendrein. Da thrrst dn mir schon die
 
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