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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 21.1895 (Nr. 223-235)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16559#0124
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(20

Meggendorfers ^umoristische Blätter.

„Miß - . -

paxier noch Stoff zu schreiben hätte und meiner üblen Laune
die „Doraussetzungen" fehlten; es half nichts; der Lrsolg blieb
und seine nachklingenden Töne. Ich xackte meine Roffer und
reiste ab; nach Interlaken; mich von dem schneedurchmeffenden,
felsenerklimmenden, gletscherzerhackenden Leben in Zermatt zu
erholen, kehrte ich in das beste 6otel ein, mn mich einem xhä-
akenhasten Genuffe zu ergeben: Diner, heitere Gesellschaft,
Aussicht auf Berge in der Ferne, ohne den Gewissenszwang,
die ksöhe ersteigen zu miissen, wie ihn ihre Nähe im tserzen
zeitigt, Konzert, Klaviervortrag, Garten mit sndlicher vegetation,
Feuerwerk, italienische Nacht mit LuntÄ üueiu singenden Napo-
litani u. s. w.; und dennoch siihlte ich mich unbehaglich, weniger
im Gesühl des Mangels an Besitz, als durch den wunsch, irgend
etwas Unbekanntes zn gewinnen. Ich blätterte eines Tages

in der ffwemdenliste; da stand Mr.und Tochter nebst

Bedienung; gleich dahinter Mr.; alle drei vor längerer

Zeit, offenbar, ehe sie nach Zermatt gingen, angekommen; dann
folgten mir unbekannte Namen; ich wars die
Liste weg, ungefähr wie es Achilles mit seinem
Becher that, als er den Tod des jdatroclus
erfuhr und nach den waffen griff und be-
schloß, zwar dieses nicht zu thun, aber nach
Zermatt zurückzureisen. Dort empfing mich
der bfausdiener mit den worten: „Ach, bferr
v. 2 . . . . wollen also doch noch das „Ga-
belhorn machen" (der terminus teellnieus für
eine Bergbesteigung). Ich sagte: viclleichtl
Gbgleich ich Sehnsucht nach Bier durch-
aus nicht empfand, begab ich mich doch abcnds
in die kfalle, in welcher Gerstensafi ausge-
schenkt wird, nachdem ich vorher festgestellt
hatte, daß das tiikolio Tnglands noch in den
Nauern des bsotels weile. Meine stille Tr-
wartung ward nicht getäuscht; da saßen die
jdersonen, deren eine die Sonne meiner Ge-
dankenplaneten darstellte. Durch eine glück-
liche Tvolution ward ich in der unmittelbarsten
Nähe ihres Tisches seßhaft. Die junge Miß
bemerkte mich sofort; Röte überzog ihr
schönes Gesicht. Sie richtete einige Fragen
über Deutschland und deutsche Bräuche an
ihre Begleiter, die ihr keine Auskunft geben
zn können schienen. bfierdurch hatte ich Ge-
legenheit, mich als Ticerone, höflich zurück-
haltend, in das Gespräch zu mischen; auch
die beiden lherren knüxften Fragen an meine
Bemerkungen und eine Unterhaltung kam in
Gang, die in lebhaftem Flufse blieb. „Sie
sind also Dcutscher" sagte die junge Dame,
als eine jdause eingetreten war. Ich bejahte
die Frage lebhaft. Sie lächelte und fragte
mich, ob ich ihr wohl sagen könne, was wir
eigentlich unter Gemütlichkeit verstünden.

„Sie wissen, wir Tngländer haben kein rechtes
lvort dafür; Tomfort ist zwar kein Luxus,
aber gehört doch .... „der gleichen Farbe
an" fiel ich ein; „yas", sagte sie. „!vas sie
ist, ist schwer zu sagen", erwiderte ich; „ge-
schaffen wird sie weniger durch die Dinge,
als durch die Mcnschen, die ihrer Umgebung
stilles Dasein und Leben persönlicher Art ein-
zuhauchen scheinen, sie ist eine Atmosxhäre,

eine Lust, die sich so wenig beschreiben läßt, wie eine Farbe
oder ein Ton, dcn wir nicht kennen". „Ich möchte sie sehr
gerne kennen lernen", erklang es von den Lipxen der schönen Miß.

N)ir saßen lange zusammen, länger als der alte therr an-
fänglich gewollt, tranken mehr als unsre Kehlen eigentlich for-
derten, lachten, scherzten, erzählten, bildeten eine kleine lvelt
für uns und vergaßen ganz unsere Nachbarn. AIs wir anf-
brachen, sagte ich meiner jungen Freundin: „Ich glaube wir
haben heute etwas „Gemütlichkeit" geschaffen l" Tie lachte und
erwiderte: „5o unterrichten 5ie weiterl" Ich empfahl mich,
aber sah noch, wie zwischen dem jungen Tngländer und Miß ...
ein kräftiges slmko-lmncls stattfand und hörte, wie sie lachend
sagte: „Grüßen Tie den jdapagei!" Ich wurde beinahe ärger-
lich, obwohl ich mir sagte, daß ich dazu gar kein Recht hätte.

(Schluß folgt).

Zofenbosheil.

kjerr: „Ist meine Frau noch nicht fertig, sie ist schon zwei Ttunden bei der
Toilettel"

Z ofe: „M, für die gnädige Frau ist aber doch zwei Stunden nicht zu viell"

Nedaktion: Max Schreiber. Druck und verlag vori I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stnttgart.

Geschäftsstrlle in München: Corneliussrrahe 19.
 
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