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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 21.1895 (Nr. 223-235)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16559#0133
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INeggenüorfers Humoristische Blätter.

s29

,Miß . . /

Ldelweißsterne) dort oben in der bsöhe, allein, sern von den
Menschen im Morgensonnenscheinl G nicht wahr, das ist herr-
lich, so ein wenig an der Tiese zu schaudern, die Gefahr zu
empfinden und sie, sest ihr ins Auge schauend, zu besiegenl" —
Ihre großen, blauen Augen leuchteten, ihre Gestalt dehnte sich,
sie sah entzückend aus; meine bewundernde Andacht war so
groß, daß ich ihr zu antworten vergaß.

„Ach," sagte sie, wie unter dem Tindruck eines plötzlichen
Einsalls, „5ie haben eine wunderbare Aehnlichkeit mit einem
guten Bekannten von mir . . . von uns; es ist nur eine flüch-
tige Bekanntschaft," fügte sie hinzu, ihre Blicke senkend; ihr
letztes IBort klang sast wie eine Entschuldigung. „lVir machen
heute eine jdartie," suhr sie sort, mit einer gewissen chast
das Thema abbrechend, gleichsam als bereue sie, es vor-

gebracht zu haben, „Nr.kommt heute Nachmittag vom

Matterhorn herab, mein Vater und ich wollen ihn emxsangen
am Schwarzsee . . . 5ie kommen gewiß mit?"

Tine Stunde drauf waren wir bereits unterwegs, um
„Lserrn . . . . zu empfanqen." wieder ärgerte ich inich, warum

sollte ich Mr.empfangen! und sie! ein sataler Mensch I

ich verwünschte ihn sast und war ehrlich genuq, mir den Grund
davon einzugestehen; ja ich beschästigte mich mehr und mehr
mit diesem „Grunde", er dünkte mir natürlich reizend. Mir
erschien Miß .... wie eine verwünschte sdrinzessin, die ein
Angeheuer bewachtl Ia, aber war er denn wirklich dieses sa-
genhafte Tier?! Bis jetzt hatte ich ihn zwar stets in „ihrer"
Nähe gesehen, aber die Tntsernung war stets die gleiche geblieben
und dennoch, wäre eine Lawine herabgestürzt aus ihn, ich hätte
meine>n bjerzen einen krastigen 5toß geben inüssen, uin das
vorschristsmäßige Guantuin von Nächstcnlicbe aufzubringen I

j)axa benutzte ein Maultier und blieb hinter uns zurück;
wir zwei gingen neben einander. Bald machte sie mich aus
eine herrliche Aussicht, bald auf Blumen am Wege ausmerksam,
die sie alle bei Namen kannte; sie schwatzte wie ein Aind, sie
lachte, scherzte, sprang voraus, zur 5eite und blieb zurück und
schalt neckend, wenn ich etwas übersehen
hatte. AAr kamen an einem Bächlein
vorbei; sie steckte kokett ihr Füßchen init
der 2pitze ins Nlasser. „Finden 5ie auch,"
sragte sie lachend, „daß alle Tngländerinnen
einen großen Fuß haben?" 5ie sah mich
von der 5eite an. „G," bies sie plötzlich,
ohne meine Antwort abzuwarten, die sie
in meinen Blicken lächelnd las, „sehen
5ie, das arme Tierchenl" Im nächsten
)lugenblicke hatte sie aus dem wasser
einen bunten Räser herausgeholt und
setzte ihn mit mütterlich-xossierlicher 5org-
salt aus den Rasen. Ich rnachte ihr ein
Romxliment über ihr gutes cherz. „G,"
sagte sie, auf einmal ganz ernst werdend,

„wir sind schlecht; den Räser nnt bunten
Flügeln ziehen wir aus dem wasser und
den mit unscheinbaren Flügeldecken lassen
wir herzlos darin zaxxeln! Ach ja, auch
ich kann grausam seinl Ich bin viel
schlechter, als Sie glauben" — sie sah mich
an — „Georg würde Ihnen das bestäti-
gen!" „theißt Mr. . . . mit vornamen
Georg," sragte ich rasch. Sie schüttelte
ihr blondes Röxfchen und mir schien es,
als bisse sie sich aus ihre Lixxen. „Darf
ich mir dann die Frage erlauben, wer ist
Georg," sagte ich erwartungsvoll. Sie

zögerte einen Moment, dann hieß es: „Mein Bruder, er liebt
mich sehr!" „Das begreife ich," erwiderte ich, auss tiesste über-
zeugt. „wie Sie das saqen!" Sie sah mich sast sorschend an,
indem sie errötete. „Aber was haben Sie doch für eine Aehnlick-
keit mit jenem cherrn!" „bsoffentlich nicht zu meinen Ungunsten,"
sagte ich. Noch tieseres Trröten war die Antwort. „Den cherrn,
den ich meine, kcnne ich länger als Sie; er hat daher ein Recht,
daß ich sage, Sie sähen ihin ähnlich . . . sonst" — sie lächelte
sein — „würde ich sagen, er sieht Ihnen ähnlich." Ich ver-
stand nicht ganz, was sie meinte; ich fühlts nur, wie sie da vor
inir stand, daß ein ganzer Strom von Liebe und Lisersucht zu
meinein cherzen sloß; ich mußte mich zusammennehmen, ihr nicht
zu Füßen zu sallen. . . .

Nach dem Frühstück im Schwarzseehotel blieb j)ax>a im
chause; wir beide stiegen ein Stückchen höher hinaus und lagerten
uns aus einer Matte, von wo wir den nahen Matterhorngixsel
übersehen konnten und Mr. . . . erspähen mußten, wenn er ab-
stieg. Miß .... hatte ihren Schirm gegen die Sonne ausgespannt
und indem sie bestrebt war, auch mich vor der Strahleuglut zu
schützen, hatte ich die süße Gelegenheit, aus nächster Nähe in
ihre Augen zu schauen; wir unterhielten uns lebhast und doch
wurde unser Gesxräch immer leiser; wir redeten über alles
Mögliche, schließlich aber über ich und du, du und ich; unsere
worte entströmten einer Stimmung, wo das cherz sich öffnet,
uin das Lserz auszunehmen, wo das Zluge das Auge sucht und
sindet. So empsand ich's. Miß . . . hatte ihren chut abgenoinmen,
der init Tdelweiß geschmückt war und suchte den schönsten Stern
aus; „nchmen Sie ihn," sagte sie. Sie schien mir dabei zer-
streut, als beschästige sie irgend ein Gedanke. Ich dankte ihr
überschwenglich. „Dars ich den Stern sragen, ob meine Liebe
zu einer Dame glücklich ist?" Ich sah dabei ties in ihre Augen.
j)urpurglut überslutete ihr Antlitz. „wie meinen Sie das?"
sragte sie. „Nun ich pflücke die Blumenblätter ab und sage
bei jedem: sie liebt mich, sie liebt mich nicht. Das letzte

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