INeggendorfers Humoristische Blätter.
29
Durchschaut.
D r o sch k e n k u t sch e r (dcr von eineni k)errn, den er zur Bahn ge-
rahren hat, zehn Mark erhält, verblüfft)- „d?ie . , , , §te täk!) M0t)I t>Ll
einer Lank angestellt — gemesen?"
Das erste Rende^vous.
war Lientcnant von Lleinmer nach Lsause ge-
kominen nnd stand in voller Gala vor dem großen
Sxiegel seines kvohnziininers. Lin Zug bediugungs-
losester Anerkennung lag aus seinein Antlitze. Sich leicht in
den llsüften wiegend und dabei hin- und herwendend inusterte
er sich von allen Seiten und, als er nach gerauiner lveile die
Tschapka abnahin, konnte er nicht unchin, seine Ansicht über
das Geschene in lvorte zu kleiden. „Tinsach ideal!" war sein
ungeschineicheltes Urteil über sich selbst. Nun, er kain gerade
von der Akeldung: „Iuin Lieutenant besördert ..." — gestern
noch Fähnrich, heute Gffizier — da gefällt sich natürlich jederl
„Die kveiber können sich nun in acht nehinenl" fuhr er
in seinem Selbstgesxräche fort, „hab' schon einige bemerkt, die
mich heute förmlich mit den Blicken verschlangen. . . was ist
'n das, da liegt ja 'n Brief auf dem Boden . . . hat der Esel,
der Arzabowsk^ in seiner Dummheit wieder neben den Tisch
gelegt . . ." Noch immer mit seinem Sxiegelbilde beschäftigt,
riß er mechanisch das Touvert ab, ballte es zusammen, warf
es in die knisternde Aaminfiainme — er wohnte als Aind reicher
Tltern sehr vornehm — und begann dann zu lesen. Seine
sonst etwas bläßlichen IVangen begannen Farbe zu bekommen,
seine Augen wurden weiter; als er aber geendet hatte, unter-
drückte er diesen Ausdruck von Interesse, zuckte leichthin die
Achseln, versuchte ein blasiertes Gähnen zu heucheln und, indem
er den kleinen Schnurrbart verwegen in die bsöhe drehte, sxrach
er leichthin in den Sxiegel hinein: „Ta haben wir's schonl
Mar allerdings vorauszusehen — aber alle Achtung vor !Vir-
kung der Lieutenantscharge, Donner und Doria, das heißt man
xromxt, erst vor 'ner halben Stunde erhalten und da meldet
sich schon der erste wahnsinnig verliebte Aäfer zur Stellel Groß-
artigl Lsm, scheint mir 'ne kleine Aonfektioneuse oder so et-
was zu sein . . . das Zeug fängt ja immer so unvorsichtig cheuer,
ohne sich um Rang und Stellung zu kümmern. . . ja, ja, Ron-
fektioneuse, darauf deutet auch ihre Grthograxhie . . . nun
G glaubt mir: !Vie Tuch
Schlägt voll Lust und Leid
Auch in des Lieut'nants Brust ein lherz . . ."
Lsier räusperte sich von Tlemmer, weil ihm seine Sing-
stimme etwas übergeschlagen hatte, und dann fuhr er sort:
„So sind nun diese Mädelsl In blinder Leidenschaft suchen
sie sich zu einem Sterne empor zu schwingen . . . es ist das eine
Sache, die dixlomatisch angexackt sein will . . . vor allem gebietet
hier die Aavalierpflicht, daß ich sie nicht umsonst warten lasse,
aber auch mein Gewissen sagt mir, daß man ein solch exaltiertes
Ving mit liebevollem Atttleid behandeln muß, denn, daß sie sich
ins kvasser stürzte oder so — i, Gott bewahre, die verant-
wortung möchte ich nicht auf mich nehmenl . . . wo hat sie doch
nnr geschrieben, daß dasRendezvous stattfinden soll und wann? . . .
ach, da, richtig".ja, Ihr sußes Bild . . . „hier hat sie 'n
Azeichen stattz'n Uzeichen gemacht" . . . verfolgt mich bis in den
tiefsten Traum . . . „das ist nicht von ihr, das hab' ich schon
mal wo singen hören" . . . und wen, „sehlt 'n n" . . . Sie ein
fiehlendes lherz, „dieses ,fiehlend* ist scheußlichl" ... in der
jdrust, „Vonnerwetter Brust mit hartem jdl" . . . tragen, denn,
„soll heißen dann" . . . komen Sie, „fehlt wieder 'n m," . . .
heite Agend, „ei der Teufel noch mal, heite Agendl" . . . 's/9 Ur
in das Rontell der graßen Anlache, dort wartet ziternd, „ich
glaube gar da hat sie nen lvitz versucht?" . . . Tmma.
„lvie gesagt, Grthograxhie sehr schwach — aber der nied-
liche Name Tmma gleicht vieles wieder aus, Tmma habe ich
schon immer reizend gefunden. . . he, Krzabowsky, Arzabows-
k^-^-^I" Arzabowsky, der Bursche, trat ein. Ueber seinem
rechten Arme hing die Uniform, welche der neugebackene Lieu-
tenant mit dem Gala-Anzuge vertauschen wollte, sein rundes,
etwas gelbliches Gesicht mit den hervorstehenden Backenknochen
zeigte die Vienstmiene, aber seine wasserblauen Airgen, unter
der niedrigen Stirne schienen nicht bei seiner dienstlichen Ver-
richtung zu sein, denn während er seinem cherrn ein Stiick der
Uniform um das andere reichte, suchten dieselben auf Tisch,
Vivan und chußboden emsig umher, wie wenn sie etwas Ver-
lorenes entdecken wolltcn und als Arzabowsk's den einen Stiefel
seines bserrn fallen ließ und sich danach biickte, fuhren sie blitz-
schnell unter Divan und Aommode und snchten auch da das
Terrain ab. „Befehlen iherr Leitnant noch was?" sragte
schließlich der Bursche. „Neinl" Nochmals machten die Augen
die Runde durch das ganze Zimmer und, wie es schien, aber-
mals mit demselben negativen Lrfolge, denn Arzabowsky
schüttelte seinen dicken Aopf und trollte ab. „Ist sich Brief
nicht in Zimmer, wo ich doch hab' gelegen auf Divan und
ihm öffnen wollen, ist sich Brief nicht unt er Divan und Aom-
mode, ist sich Brief auch nicht in Stalljacken- und Lsosentasche,
ist sich Brief furtl"
Von Seite Rrzabowsky's war die Briefangelegenheit damit
erledigt, nicht so von Seite seines Lserrn, der einige INinuten
sxäter säbelrasselnd und das vogellied aus den Bajazzi's
schauderhaft maltraitierend die Treppe hinab dem Gffiziers-
kasino entgegenstrebte, um zu Tische zu kommen. Der Stolz,
seine Person weiblicherseits so vergöttert zu wisfen, ließ sein
Lserz doch rascher schlagen, als er sich selbst zugestehen wollte,
denn, wenn die Lieutenantsunifo.rm schon in der ersten halben
Stunde so zog, was mußte ihm da die Zukunft erst für wunder-
29
Durchschaut.
D r o sch k e n k u t sch e r (dcr von eineni k)errn, den er zur Bahn ge-
rahren hat, zehn Mark erhält, verblüfft)- „d?ie . , , , §te täk!) M0t)I t>Ll
einer Lank angestellt — gemesen?"
Das erste Rende^vous.
war Lientcnant von Lleinmer nach Lsause ge-
kominen nnd stand in voller Gala vor dem großen
Sxiegel seines kvohnziininers. Lin Zug bediugungs-
losester Anerkennung lag aus seinein Antlitze. Sich leicht in
den llsüften wiegend und dabei hin- und herwendend inusterte
er sich von allen Seiten und, als er nach gerauiner lveile die
Tschapka abnahin, konnte er nicht unchin, seine Ansicht über
das Geschene in lvorte zu kleiden. „Tinsach ideal!" war sein
ungeschineicheltes Urteil über sich selbst. Nun, er kain gerade
von der Akeldung: „Iuin Lieutenant besördert ..." — gestern
noch Fähnrich, heute Gffizier — da gefällt sich natürlich jederl
„Die kveiber können sich nun in acht nehinenl" fuhr er
in seinem Selbstgesxräche fort, „hab' schon einige bemerkt, die
mich heute förmlich mit den Blicken verschlangen. . . was ist
'n das, da liegt ja 'n Brief auf dem Boden . . . hat der Esel,
der Arzabowsk^ in seiner Dummheit wieder neben den Tisch
gelegt . . ." Noch immer mit seinem Sxiegelbilde beschäftigt,
riß er mechanisch das Touvert ab, ballte es zusammen, warf
es in die knisternde Aaminfiainme — er wohnte als Aind reicher
Tltern sehr vornehm — und begann dann zu lesen. Seine
sonst etwas bläßlichen IVangen begannen Farbe zu bekommen,
seine Augen wurden weiter; als er aber geendet hatte, unter-
drückte er diesen Ausdruck von Interesse, zuckte leichthin die
Achseln, versuchte ein blasiertes Gähnen zu heucheln und, indem
er den kleinen Schnurrbart verwegen in die bsöhe drehte, sxrach
er leichthin in den Sxiegel hinein: „Ta haben wir's schonl
Mar allerdings vorauszusehen — aber alle Achtung vor !Vir-
kung der Lieutenantscharge, Donner und Doria, das heißt man
xromxt, erst vor 'ner halben Stunde erhalten und da meldet
sich schon der erste wahnsinnig verliebte Aäfer zur Stellel Groß-
artigl Lsm, scheint mir 'ne kleine Aonfektioneuse oder so et-
was zu sein . . . das Zeug fängt ja immer so unvorsichtig cheuer,
ohne sich um Rang und Stellung zu kümmern. . . ja, ja, Ron-
fektioneuse, darauf deutet auch ihre Grthograxhie . . . nun
G glaubt mir: !Vie Tuch
Schlägt voll Lust und Leid
Auch in des Lieut'nants Brust ein lherz . . ."
Lsier räusperte sich von Tlemmer, weil ihm seine Sing-
stimme etwas übergeschlagen hatte, und dann fuhr er sort:
„So sind nun diese Mädelsl In blinder Leidenschaft suchen
sie sich zu einem Sterne empor zu schwingen . . . es ist das eine
Sache, die dixlomatisch angexackt sein will . . . vor allem gebietet
hier die Aavalierpflicht, daß ich sie nicht umsonst warten lasse,
aber auch mein Gewissen sagt mir, daß man ein solch exaltiertes
Ving mit liebevollem Atttleid behandeln muß, denn, daß sie sich
ins kvasser stürzte oder so — i, Gott bewahre, die verant-
wortung möchte ich nicht auf mich nehmenl . . . wo hat sie doch
nnr geschrieben, daß dasRendezvous stattfinden soll und wann? . . .
ach, da, richtig".ja, Ihr sußes Bild . . . „hier hat sie 'n
Azeichen stattz'n Uzeichen gemacht" . . . verfolgt mich bis in den
tiefsten Traum . . . „das ist nicht von ihr, das hab' ich schon
mal wo singen hören" . . . und wen, „sehlt 'n n" . . . Sie ein
fiehlendes lherz, „dieses ,fiehlend* ist scheußlichl" ... in der
jdrust, „Vonnerwetter Brust mit hartem jdl" . . . tragen, denn,
„soll heißen dann" . . . komen Sie, „fehlt wieder 'n m," . . .
heite Agend, „ei der Teufel noch mal, heite Agendl" . . . 's/9 Ur
in das Rontell der graßen Anlache, dort wartet ziternd, „ich
glaube gar da hat sie nen lvitz versucht?" . . . Tmma.
„lvie gesagt, Grthograxhie sehr schwach — aber der nied-
liche Name Tmma gleicht vieles wieder aus, Tmma habe ich
schon immer reizend gefunden. . . he, Krzabowsky, Arzabows-
k^-^-^I" Arzabowsky, der Bursche, trat ein. Ueber seinem
rechten Arme hing die Uniform, welche der neugebackene Lieu-
tenant mit dem Gala-Anzuge vertauschen wollte, sein rundes,
etwas gelbliches Gesicht mit den hervorstehenden Backenknochen
zeigte die Vienstmiene, aber seine wasserblauen Airgen, unter
der niedrigen Stirne schienen nicht bei seiner dienstlichen Ver-
richtung zu sein, denn während er seinem cherrn ein Stiick der
Uniform um das andere reichte, suchten dieselben auf Tisch,
Vivan und chußboden emsig umher, wie wenn sie etwas Ver-
lorenes entdecken wolltcn und als Arzabowsk's den einen Stiefel
seines bserrn fallen ließ und sich danach biickte, fuhren sie blitz-
schnell unter Divan und Aommode und snchten auch da das
Terrain ab. „Befehlen iherr Leitnant noch was?" sragte
schließlich der Bursche. „Neinl" Nochmals machten die Augen
die Runde durch das ganze Zimmer und, wie es schien, aber-
mals mit demselben negativen Lrfolge, denn Arzabowsky
schüttelte seinen dicken Aopf und trollte ab. „Ist sich Brief
nicht in Zimmer, wo ich doch hab' gelegen auf Divan und
ihm öffnen wollen, ist sich Brief nicht unt er Divan und Aom-
mode, ist sich Brief auch nicht in Stalljacken- und Lsosentasche,
ist sich Brief furtl"
Von Seite Rrzabowsky's war die Briefangelegenheit damit
erledigt, nicht so von Seite seines Lserrn, der einige INinuten
sxäter säbelrasselnd und das vogellied aus den Bajazzi's
schauderhaft maltraitierend die Treppe hinab dem Gffiziers-
kasino entgegenstrebte, um zu Tische zu kommen. Der Stolz,
seine Person weiblicherseits so vergöttert zu wisfen, ließ sein
Lserz doch rascher schlagen, als er sich selbst zugestehen wollte,
denn, wenn die Lieutenantsunifo.rm schon in der ersten halben
Stunde so zog, was mußte ihm da die Zukunft erst für wunder-