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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 22.1895 (Nr. 236-248)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16560#0043
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Me g g e n - o r f e r s L)u mo ri st i sch e Blätter.

39

Das erste Renöe^vous.

^^ie entwickelte mit staunenswerter Znnqenfertigkeit den
Unterschied in der Bereitnng der verschiedensten Gerichte
und ließ nicht nndeutlich durchblicken, daß sie selbst
wohl eine der bedeutendsten Uochkünstlerinnen der Gegenwart
sein diirste und dabei hatte sie ihren Arin aus dem seinen ge-
zogen und stopfte ihm, trotz seines energischen Sträubens, ein
umsangreiches j)c>>Eet, das sie bis jetzt im linken Arme getragen
zu haben schien, in die Manteltasche. Da schlug es neun Ubr
und therr von Llemmer, den ein immer intensiver werdendes
Unbehagen ergrissen hatte, atmete erleichtert aus, als sie er-
klärte, daß sie nun unbedingt nach thause müsse. Da man
inzwischen wieder durch das Rondell zurückgekommen war, so
hatte man nur noch wenige Schriite, bis man in dert Ra'fon
der Gaslaternen kam, an deren erster von Llemmer seine
Ravalierpfücht, die ihm, wie schon gesagt, recht lästig zu
werden begann, sür abgethan anzusehen glauben durste.

Lr blieb also unter derselben stehen, um sich zu verab-
schieden — kaum aber war die volle tselle der Gasflamme aus
sein Gesicht gesallcn, als seine Begleiterin einen surchtbaren
Schrei ausstieß, um dann unter dem beständigen Rufe: „V Gott,
0 Gott, des is er ja gar nicht, des is ja 'n ganz andererl"
wie von Furien versolgt stadteinwärts zu lausen.

von Llemmer stand zuerst wie erstarrt, dann that er
mechanisch das beste, was er thun konnte — er schlug sich seit-
wärts in die Büsche.-

v)ie er an diesem Abende nach thause gekommen war,
konnte er sich des nächsten Morgens mit keiner Silbe mehr er-
innern. Lr hatte sürchterlich geträumt. Tansend Furien
hatten ihn sast in Stücke zerrissen, weil „er nicht e r war,
sondern ein ganz anderer," und dabei hatten diese !Ne-
gären nach der Aüche gerochen, daß sich ihm jetzt noch ^
der Magen umzudrehen drohte, wenn er nur daran dachte.

Tr lag noch eine kveile ganz ruhig, damit sich der rasende
Aopsschmerz, den er sühlte, etwas lindern sollte — aber das
jdochen in seinem Schädel ward nur immer ärger; so stand
er denn lieber aus und steckte seinen Aoxs in die kvasch-
schüssel, worauf entschiedene Besserung eintrat und die
Gedanken sich mehr und mehr zu klären begannen. Lmsig
rekapitulierte er das Lreignis des gestrigen Abcnds und
je mehr er nachdachte, um so scster stand es bei ihm, daß,
wenn er der „Falsche" war, es auch einen „Rechten"
geben mußte — aber wer war der Rechte? Da schoß
es ihm durch den Ropf: „Saperlott, der Lsel, der Rrza-
bowsky kann ja nicht lesen, dem mußte vom Briesträger
ein Brief, dersür einen der anderen Dsfiziere" — es wohnten
noch zwei im selben lsause — „bestimmt war, iibergeben
worden sein und der Vummkops hatte nun ihm denselben
ins Zimmer gelegk. Na, das mußte sosort ausgeklärt
werden! von Llemmer klingelte und gleich darauf stand
Rrzabowsky vor ihm.

„Du, sag' mal," suhr er ihn an, „was war denn
das sür ein Bries, der da gestern aus dem Bodeu lag?"

„therr Lieutnant, meld'ich gehorsamst, hob' ich gestern
hier in Stube verloren," gab Rrzabowsk'f zur Antwort,
mdem er ein umfangreiches, aber ziemlich desormiertes
nnd fettslcckiges sd^äet aus den Tisch legte.

„So — und an wen war der Brief adressiert?"

„Briesträger hat gesaqt an — mich, den Rrzabows-

ky..."

Ver Lieutenant bekam einen Schwindelanfall — 0
du gerechter Strohsack, er, der Lieutenant von Llem-

mer war sür seinen Burschen beim Rendezvous gewesen— jetzt
konnte er sich diesen schauderhasten Aüchengeruch erklären. vaß ihn
dieses tNonstrum nicht gleich sür den Unrechten erkannt hatte, war
natürlich Schuld der Vunkelheit und des Umstandes, daß es eben
auch sür Arzabowsky ein erstes Rendezvous gewesen wäre I
vas war eine nette Geschichte! Lr sühlte eine tvut in sich,
die ihn in der nächsten Sekunde ersticken mußte, wenn er keinen
Ableiter sür diesen Riesenzorn fand. va fiel sein Blick auf
das vorhin beschriebene jdacket. Rrzabowsk'h, der in seiner
vnschuld eine Lrklärung abgeben zu müssen glaubte, weil seines
therrn Augen daran hafteten, sagte: „vob' ich mit größter
Mühe aus therrn Lieutnants Mantelsack herausgeholt." Das
hatte gerade noch gesehlt, daß ihn der unglückselige Mensch an
die Schmach erinnerte, daß diese Person ihn hatte absüttern
wollen wie — wie — wie einen

Mit

und ehe der arme Rrzabowskch auch nur die leiseste Ahnung
von dem vorhaben seines verrn hatte, slog es ihm mit unge-
heurer vehemenz an den Aops und wenn man bedenkt, daß es
weiche thasenpastete war, was die schöne Unbekannte eingewickelt
hatte, so wird man sich eine ungesähre vorstellnng davon machen
können, in welchem Zustande sich dessen Aops in der nächsten
Sekunde besand. — —

Von Llemmer hat im Leben kein Billet mehr geössnet,
ohne sich vorher auf das genaueste davon zu überzeugen, daß
es wirklich an ihn selbst adressiert war.

Schatz!

einem wahren tvutgebrüll riß er das packet an sich

Aalscl) aufgefahl.

Ausnehmender Arzt (in einem Tierspitnl zu eincr, einen kranken Hund tragen-
den, alten Dcime)! „!vie ist der werte Name, Gnädige?"

Frau: „Du lieber Gott, das nenn' ich doch human und lieb —
Ami heißt er . . .1"
 
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