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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 22.1895 (Nr. 236-248)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16560#0054
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Meggendorfers- Humoristische Blätter.

„Ik weit man bloß nich, lütt Dirn, wie ik die Zeit hin- und

bringen soll, und was ik mit dem alten Lsannes anfange, dat
weit ik anch nicht."

„bsannes kann sich im Garten beschäftigen," erklärte Liesing
darauf, „dort ist genug zu thun, bricht er dort ein paar Bluinen
kaput, dann wachsen die wieder, das jdorzellan, das er mir in
der Rüche kaput bricht, wächst nicht wieder."

„Darin hast Du ja recht, Döchting, aber wo bliew ik? "

„Du kannst Zeitungen lesen, j)apa."

„Zeitungen lesen? Ik kann ja gar nich seh'n, Döchting, und
ein Brill paßt ox> mine Näs nich."

Das war richtig. Auf dem Gesichtserker des alten Llaas,
der von manchem Glase Grogg ein glühendes Ieugnis redete,
hätte eine Brille einen nicht minder unbequemen j?latz gehabt,
wie eine Gperetten-Diva zwischcn den chöckern eines Trampel-
tieres, wenn sie die Fatinitza singen soll; sehen konnte er
aber ohne Glas nur in weite Fernen. Indessen auch
hier wußtc Liese Rat.

„Dann engagierst Du Dir einen Borleser, j)apa. Ich
will sofort ein Inserat für das jdhiladelphia-Sonntags-
Zournal aufsetzen, dann kannst Du schon morgen einen
solchen cherrn haben."

Wie gesagt, so getchan. Zungfer Liese hatte cs eilig
mit dem Borleser, wie mit der Tntsernung des alten
bsannes aus der Aüche. Den Letzteren sandte sie dem Vater
Tlaas sofort zu.

„Dhau inik man de Leiw, Lsannes, un bekümmcr Dik
bloß noch um den Garten, das Mädchen will doch Blumen
haben; wcnn Du's nich machst, dann wird nichts draus —."

„Iau, Raptän," channes kraute wieder hinter seinem
rechten Ghre herum, „dann ward dat wol nich annerster
warden."

Am folgenden Norgen stellte sich ein Borleser
ein. Ls war ein hübscher junger Nann mit klugem
Auge und keckem Bärtchen.

Liese führte ihn sonderbarer Meise dem j)apa
Tlaas zu: „kjerr 0r. Tschitschmann, vätcr-
chen, bittet uin Lrlaubnis, Dir vorlesen zu
dürfen."

Dem guten, alten vater Tlaas fiel dies
nicht auf, ebenso wenig, daß nur ein
einziger Bewerber sich cingestellt hatte,
und noch viel weniger hatte er cin
Arg daraus, daß kherr vr. Tschitsch-
mann gleich einen ganzen Arm voll
Lieblings-Gazetten mitbrachte.

Und nun wäre wieder alles recht schön

und recht gut gewesen;-lütt Liesing

war den alten bsannes aus dcr Kiiche los, und
brauchte nicht mehr für ihr bestes jdorzellan
zu zittern, thannes selber trat allerdings mit
seinem ungelenken jdiedestal manche schöne
Blume in Grund und Boden, fühlte sich aber
sonst höchst wichtig und zufrieden in der
kvürde seines neues Amtes, und Vater thols-
dendorp ließ die Dorlesungen des lherrn Dr.

Tschitschmann nicht nur geduldig über sich
ergehen, sondern er fand mit der Zeit auch
Gefallen daran, — — wie gesagt, es wäre
alles recht schön und recht gut gewesen,
wenn — — — daß doch überall ein wenn

ein aber bei der Sache sein mußl-wenn Liese es

nun in ihrer Rüche ausgehalten hätte. Aber — — hier ist
das aber zu dem vorherigen wennl — — da saß die Scharte
im Schneidmesserl solang cherr Dr. Tschitschmann seines vor-
leseamtes waltete, hatte sie alle Naselang in jdapa Llaasens
Zimmer etwas zu suchen, und wenn sie nur um einen Schnippel
jdapier anfragen sollte, den sie ebenso gut aus ihrem eigenem
Iimmer hätte holen können.

Das konnte den vater kfolsdendorp auf die Dauer nicht ganz
kalt lasfen, schon der Störung wegen, denn jedesmal, wenn Liese
erschien, hatte Or. Tschitschmann nur noch Augen für ihre an-
mutige jderson, und ließ den alten Aapitän warten.

(Schlusj folgt).

Äuf dem jKalle.

seiner

jdrofessor der Geologie: „Sagen Sie 'mal, bferr Neier, wer ist denn dort
die fossil aussehendc Dame?"

Nedaktion: Max Schreiber. Druck und Verlag von Z. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.
Grschäflsstelle in München: Corneliusstratze 19.
 
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