BI e g g e n d o r f c r s L) u m o r i st i s ch e B l ä t t e r.
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Nie verlegen.
5tti>nin^üst (»lich Erzählung cincr unglaubiicheii Geschichte): „^lber kqerr iRbersörjter, 's vorige Mal erzichtten 5ie s AllNz nnöersl
Gbersörster: „Ist nnr halt zweimat xassiertl"
Mne Heiratsannonce.
1 ^ nter der Neberschrift: „Reiche bseirat" las man eines ^
I 8 Tages in einer der verbreitetsten Zeitungen der Residenz
^ solgende anziehende Annonce:
„Lin elternloses Mädchenl — Der vormund eines schönen und
vornebmen jungen Mädchens mit einem Vermögen von zoo ooo
Mark wünscht sein Nündel mit einem distinguierten bserrn
zwischen 25—30 Iahren zu verheiraten. — Aus Vermögen
wird nicht gesehen. — vermittlung verbeten. Briese bezeichnet
mit 8 8? in der Txxedition d. Bl. abzugeben."
Es dürste kaum zu erzählen nötig sein, daß es am nächsten
Tage Briefe mit dem verinerk 6 87 sörmlich regnete. In wenigen
Stunden war die Anzahl aus über zoo Billets angewachsen.
Linige Tage sxäter erhielt Gras Rosenstiehl, einer der dreihun-
dert, solgende Antwort:
Sehr geehrter Lserr Grasl
Die Nachrichten, die Sie mir über Ihre soziale Stellung
und Ihren Geschmack u. s. w. zu machen beliebt haben, be-
friedigen mich vollkommen. Was mein Mündel betrisft, so
halte ich es für meine jdflicht, Ihnen zu sagen, daß sie, die
reich genug sür sich selbst und ihren zukünftigen Gatten ist,
Wert daraus legt, einen wunsch zu besriedigen, der leider in
unserer Zeit so selten ist, nämlich eine Lhe aus Neigung ein-
zugehen. Es erübrigt nunmehr noch, zu ersahren, ob Sie
ihrem Geschmack entsprechen werden.
Uebrigens will ich Ihnen nicht verhehlen, daß Ihre
Photograxhie keinen absolut ungünstigen Lindruck gemacht
hat, eher ist das Lntgegengesetzte der Fall.
Dies ist gerade, was mich bestimmt, eine Zusammenkunft
zwischen ihr und Ihnen zustande zu bringen. Wollen Sie
so sreundlich sein, sich am Donnerstag, den 5. d. Nonats, im
Zirkustheater einzufinden?
Nein Mündel und ich werden unseren jdlatz in der Loge
Nr. (0 nehmen und es wird uns ein Vergnügen sein, Sie
in unserer Loge zu empsangen.
ksochachtend 8 87.
Gleich nach Lmpsang dieses Schreibens eilte Gras Rosen-
stiehl nach dem Zirkus: „Lin Billet, erstes parquetl" verlangte
er, als er ganz atemlos am Billetschalter stand.
„Zur heutigen Vorstellung?" sragt der Aassierer.
„Nein, zum 5. d. Monats."
„Thut mir leid, schon alles ausverkaust."
„Was sagen 5ie?"
„s^ch besitze zu der Vorstellung kein einziges Billet mehr."
Dem Grafen war zu Mute, als ob man ihm einen Limer
Wasser über den Aops gegossen hätte. Er erbot sich einen höhe-
ren j)reis zu zahlen, aber vergebens. Alle Billets waren aus-
verkauft, sogar die obersten Ränge. Der Rassierer schlug ihm un-
barmherzig den Schalter vor der Nase zu.
Der Gras entsernte sich ganz niedergeschlagen. Außerhalb
des Zirkus kam ihm ein Mann mit niedrigem ksut entgegen.
„Tin Billet zum ersten jdarquet gesällig, nrein lfierr?"
„Gehen Sie zum Teufel I" rief ärgerlich der Gras.
„Nicht sür heute Abend, sondern zur vorstellung am 5."
„Was — sagen Sie?"
Der Billethändler lächelte mexhistoxhelisch und ging in eine
in der Nähe befindliche Stehbierhalle.
Gras Rosenstiehl, der einen kleinen Schimmer von bsosfnung
blinken sah, solgte ihm in die Aneipe.