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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 22.1895 (Nr. 236-248)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16560#0134
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s.ZO

Bteggendorsers L) u inoristische Biätter.


„Ich glaube nicht, daß er feste preise hat. Er wird alles
stabcu wollen und erinordet uns gar nachher, damit wir ihn
nicht verraten."

„Wie, wenn wir thäten, als zäh^ten wir unser Geld, und
dabei bedauerten, daß wir so wenig bei uns haben?"

„IVenn Du Geld zählst, inachst I>u ihm nur den Mund
wässerig."

Große jdause, unterbrochen durch Liebesversicherungen all-
geineiner Art. <§ndlich schrieb lhans'.

„lsörst Du nichts?"

„Mir ist, als ob der Aerl unter dein Bette vor !Vut schnaubt."

„Irrtuin! Es koinmt aus dem Ziinmer nebenan, da
schnarcht jeinand. Es wird wahrscheinlich der dicke lserr mit
den Krebsschwänzchen sein. lVenn wir zu ihin hinein könntenl"

„Dann inüßten wir den Rleiderschrank fortrüeken, der vor
der Thüre steht. Aber unter welchein Vorwande?"

„Laß mich nur machen. Gieb mir jetzt die richtige Antwort."

„Meißt Du, Lehucheu," ries chaus laut, „ich sühle meine
Füße kaum, so müde bin ich. Oas kommt aber davon, daß ich
noch die schweren Stiefel an den chüßen habe. Menn ich nur
wüßte, wo meine Morgenschuhe sind."

„Ach, jetzt fällt mir ein, als wir eintraten, legte ich das
sdäekchen, in welchem Deine Nkorgenschuhe steeken, aus deu 5tuhl,
es fiel aber hinter den Rleiderschrank. kVollen wir ihn ab-
rüekcn?"

„Natürlich."

Aechzend brachten sie allmählich dcn Echrank von der 5tclle.
chans drüekte aus die Rlinke der Nachbarthüre. Gott sei
Oankl Eie war nicht vcrsehlossen. Ganz leise, leise öffnete er
sic, zog chelcne raseh nach und schloß die Thüre wieder, in wel-
cher sreilich kein Echlüssel steekte.

„Nur sehnell, znr Rorridorthüre hinaus!"

„Die Thüre ist abgeschlossen. Den Sehlüssel sehe ich nicht."

„Tr wird aus dem Nachttische liegen."

bsans schlich zum Nachttisch und stieß, mit den khänden
umhertastend, ein auf demselben stehendes Glas Ulasser um,
welches seinen Inhalt in das Bett des Sehläfers ergoß.

„chilfe! Mörderl Räuberl Diebel" rief eine gellende Stimme
im höchsten Diskant.

„Ach lhans, das ist ja eine L>ame," flüsterte ksclene.

„Die alte Iungser von der Table ct' bots."

„Aeh, mcine Gnädigste," begann bselene bittend.

„Räuberl lAörderl bsilsel ksilsel"

„Aber keuuen 5ie uns denn nicht? Wir reisten ja von
Luzern aus zusammen —"

„Tin Mann in meinem Zimmerl Ich bin verlorenl ksilfel"

Dabei drückte sie ain Gloekenknoxf. Inzwischen hatte Lsans
richtig den Zimmerschlüssel anf dem Nachttische gesunden. Lr
schloß auf. Nor der Thüre stand bereits das ganze jdersonal
des ksotels sowie einige Gäste mit erschroekenen Gesichtern.
Nach langein ksin- und kserreden vermochte ksans endlich, den
Versammelten die 5ituation deutlich zu machen. Man rief der
alten Dame zu, sie möge sich ankleiden. Als dies geschehen
war, drang inan in das Zimmer des Ehepaars. Man leuchtete
unter das Bett und bemerkte den Tinbrecher.

„Tr schnarcht ja," rief ein Rellner.

„Richtig, der Rerl schläst."

„Aber das ist ja unser Iohann, den wir den ganzen Tag
über gesucht haben."

Ls stellte sich nun heraus, daß Iohann, einer der ksaus-
knechte, sich einen tüchtigen Rausch angetrunken und um ihn
auszuschlasen, sich in dasjenige Zimmer begeben hatte, in welchem

er am wenigsten gesucht zu werden vermutete. Seine Absicht
wäre auch gelungen, wenn nicht in später Abendstunde noch
eine ganze Anzahl von Gästen angelangt wäre. Da sämtlichc
unbesetzten Iimmer stets für neue Gäste in Bereitschaft gehalten
wurden, hat man das Thepaar ohne weiteres in dieses Gemach
einquartiert.

„Siehst Du, nun haben wir auch unser Abenteuer erlebt,"
sagte ksans, als er wieder mit kselene allein war.

„IVcnn nur nicht mein schönes Notizbuch vollgeschrieben
wärel Ietzt kann ieh es gar nicht mehr brauchen."

„Tben sällt mir ein, daß der Stubenschlüssel in meinem
Ueberzieher stecken muß, den ich beim Tintritt in den Rleider-
schrank hing."

Riehtig stack der Schlüssel im Ueberzieher.

„Aber morgen srüh fahren wir weiter, Lsans. Man wird
hier über uns lachen."

„Ia, und der alten
Dame möchte ich auch nicht
wieder begegnen."

Wetterprognofe.

geneigt i,i, liest, ,Morgen, Eonntag, 5turm und Niederschläge? —
„Das kann stiinmen."

Redaktion: Max Schreiber. Druck und Verlag von I. F. Schreiber, beide in Eßlingen bei Stuttgart.
Grschäflsstelle iir München: Corneliusstrntze l9.
 
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