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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 23.1895 (Nr. 249-261)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16561#0017
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M e g g e ii d o r fer s I) u mo ri sti s ch e Blät 1 er.

9

Der ssflastertreter.

erzieltcn starken Gewichtsabnahme einc Kiibnheit und einen
Rraftnbcrschnß in sich, welche ihn gebietorisch dazn drängten, eine
ganz außcrordentliche That zu vollbringen — und diese That
solltc der erste Ilitt ins Freie sein.

wir sebcn ihn deshalb mit raschen Schritten in sehr ele-
gantem Rcit-Drcß in den bsof des Stallmoisters treten, bci
welchem die Rcitnbnngcn bis joht stattfanden nnd hören ihn
mit herrischer Stimme nach diesem begehren. „Ich will ein-
mal ins Freie lientc nnd allein, herr Stallmeister," rief cr
diescn an, sobald er seiner ansichtig wurde, „lasscn Sie mir den

Dcr Stallmcister hatte Bedcnken, sprach von besscrcr
F'estignng des Sitzes, riet zn einem anderen sdferdc oder doch
wcnigstcns dazu, seino Beglcitung anzunehmen; cs war aber
alles vergeblich. bserr Ldgar Lossen hatte sich seincn nagelnenen
Lylindcr vcrwcgen anf das rechte Vhr geriickt, eine lsimmcl-
langc Rirginia keck in den Nund gesteckt und stolzierte, scine
Lack>tiefeln mit der Rcitgerte pätschelnd, im kstofe lsin nnd
hor, bis man kNucki, einen ctwas lsirschhalsigen, feinbeinigen
Galizier von hnbschcr Form aus dem Stalle brachte. Zwar, er
konnte es nicht längncn, daß ihm das bjcrz in diesem Angenblicke
doch etwas bänger als sonst schlug, wcnn er lsieher zn seinen
Reitnbungen kam; aber wie gesagt, diese Friihlingssonne . . .

Tr holtc noch einmal tief Athem, saß auf nnd es ging
dalsin. §; schicn ihm, als ob ihm der Stallmeister noch etwas
in Bezug auf den weg nachrief, aber cr war schon zn sehr
im Banne seines jdferdcs, nm noch recht lsinhören zu können
^ er lenktc in die kfanptstraßc ein und, wie er vorausgesehcn,
crrcgte er dort bei vielcn Passanten, besonders aber Passan-
tinnen cinen hohcn Grad von Bewunderung. Daß boi letzteren
lehr viel der Umstand dazu beitrug, daß dio respektiven wütter
Tdgar ihren Töchtern gegeniiber stets als brillante partie lsin-
stellten, wird sich der geneigte Leser dcnken können, während
der verwühnte Ldgar, wclcher sich seincs kiihnen Lntschlusses
immer mehr erfreuend, solche bsnldignngen als sciner person
geltend fiir selbstverständlich hinnahm.

Mucki aber ging sanft und rnlsig seincs weges dalsin und
ncchm es sogar nicht einmal iibcl, als ihm sein Reitcr in seincm
Grnßeifcc öfters den Tylindcr an den Aopf schlug. — Nnn
aber war die Stadt zu Lnde, sie warcn auf dcr Thaussec und
Tdgar, kühn gcmacht dnrch den bisherigen Erfolg, gcbrauchte
die lsülfen zum Trabe.

wucki schien nur lsierauf gewartet zu haben; ein lustiges
Schnauben ent>trömte seinen Nüstern, er schüttelte kokett den

Aopf, dann griffen die fcinen Beine ans und in flottem Tempo
ging es weitcr.

kfimmcl, das war otwas andercs als anf dcr Reitbahn!
wenn nnr die viclen wägcn nicht gewosen wären, dencn man
immcr ausweichcn mußtel Auch Mncki mochte das denken,
denn als sich ein rechts abführender, schön gehaltcner vizinal-
weg zeigte, bog er, ohne seinen Rciter zn fragcn, in dicscn
ein nnd trabte gcmütlich weiter. Ldgar hatte bei dcr scharfcn
wendung gerade noch die Akähne erfaßt und war crstannt, sich
plötzlich von der Landstraße abbiegen zu sehen, da er glanblc,
cigentlich noch länger gerade ans gcwollt zu haben — aber es
war ja lsier so schön. so idyllisch; die Feldcr, von dcnen dic
Sonne dcn Atorgentau küßte, dampften, dic Saat strcckte die
griinen Köpfchen aus den schwarzen Schollcn, Lcrchen trillerten
nnd das Gebüsch dort war schon über nnd übcr grün.

Bis dortlsin sollte noch getrabt werden, dann aber sollte
cs genug für diesmal sein. Line so lange Trabrcprise hatte
er noch nicht anf einmal absolviert; ihm liefen die dicken
Schwcißperlcn iiber das Gesicht, der Tylinder war ihm bedenk-
lich ins Genick gerutscht nnd cincn Bügel hatte cr anch schon
verloren — also Zügel angezogcn nnd ctwas ausgeruhtl —
lNncki schien gegcnteiliger Ansicht zn sein, er trabte lnftig fort.
kjerr Ldgar Losscn konnte an den Zügeln zichen, so vicl und
so lange er wollte, >Nncki reagierte nicht. Dcr waldsaum war
erreicht und der Reiter erstannt, lsier einen weg von dcm
Straßchen abzweigen zn sehen, der dnrch cin steinernes Thor
führte. Mucki wicherte, als ob es eine Begrüßung gclte, schwenkte
ein nnd passierte das Thor, noch ehe scin Reiter im geringstcn
darüber mit sich einig war, ob cr das zugeben solle odcr nicht.

Akucki ivurde immer aufgeregter nnd sein Reiter immcr
nnrnlsiger anf scinem Sitze. Anch der zweite Bügel ging vcr-
lorcn und immcr häusiger schlugen die Absähe mit dcn spitzcn
Sporen gcgcn die wcichen lllncki's empor. Ldgar sah das
Aritische der Situation recht wohl und als INncki nun gar in
Galopp ficl, raffte er, was an Nlähne zu crhaschen war, zn-
sammen nnd klammeite sich mit allcr Araft daran fest. Ls
war höchste Zeit, denn im nächsten Nloment schoß lNucki in

vollcr Tarriere dahin — cin Glück, daß dcr weg gcradeaus
ging, vielleicht kam auch bald cine hohe Nkaner oder sonst ctwas,
wovor INncki stehen bleiben mußte — ach wenn nur recht
bald, dachte sich Ldgar. Ls war natiirlich ein reizendes Lild,
das er bot; auf dem Aopfe hielt sich der Tylinder nur deshalb
noch, weil er von kjans aus zu weit war nnd anf der schwitzcn-
den, glitscherigen Stirne bis anf die Nasenwurzel lsinabgerntscht
war. Der Vberkörpcr war weit nach vorwärts gebogen, da-
gegen scine Sitzgelegenheit hoch in die Lüfte gestreckt; köstlich
war der Ansdruck seines vor bjitze blänlichen Gesichtes — man
sollte es nicht glauben, cr lächeltel Allerdings war es schon mehr
das Lächeln der höchstcn Llödigkeit. Und Ukncki ging durch . . .

Da glaubte Ldgar, trotz seiner auf die Ukähne konzentricrten
Aufmerksamkeit von seit- und vorwärts her eino menschliche
 
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