Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 23.1895 (Nr. 249-261)

DOI Seite / Zitierlink:
https://doi.org/10.11588/diglit.16561#0027
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext

Meggendorfers L)umoristische Blätter.


Ldgar zögertc. Das Frä»lein ging cinige Schrittc zwischcn
dcn Bäumcn hin um cinc Batnrbank zn crrcichcn, die dart an
einer inächtigen Liche angcbracht war. Ls schicn, das; sic hier
gesessen hattc,
wenigstens lag hicr
ein Buch und cine
weiblichc lsandar-
beit. „So bitte,
koinmen Sie dochl"
animierte sie den
noch iinincr Ucber-
legcnden. „Auf
Ihrcin Biickcn wird
der Bock nicht ganz,
also hernnter da-
initl" Ldgar ge-
horchtc, doch ehe das
Fränlcin den Pa-
ticnten in Lnipfang
nahin, sagtc sic, den
erstcrcn priifend
mcsscnd i „lfalt, zn-
erst inöchtc ich denn
doch wissen wor nnd
was Sie sind?"

Ldgar bcgann cinc Entschuldignng zn stanimcln, das; cr
sich nicht sofort vorgcstcllt l;abc, wnrde aber durch cin kurzes
„Bnn?" nnterbrochcn. Lr nahin daher dic ksacken znsainnicn,
vcrbcugtc sich nnd sagtei „Ldgar Losscn, zn dicncn, gnädiges
Fräulein."

Das gnädigc Fränlcin schicn noch anf cincn Bachsatz zn
wartcn. Ldgar beinerkte dies. „Ach so, gnädigcs Fräulein
sind auch begierig zn hörcn was ich bin?" Sic nicktc. „Ici,
sehen Sic, das ist so 'ne Sache. Jch bin eigcntlich nnr der
kserr Losscn, sonst gar nichts . . . das hcißt, wcnn Sie allcs
wissen wollcn, so habe ich mich anf der niilitärischcn Bescrvc-
lcitcr bis zn der schwindelnd hohcn Sprossc eincs Bizefeldwcbels
einporgcschivnngcn."

Das Fränlein schiitteltc ein wcnig dcn Aopf nnd warf die
tziibschen Lippen anf.

»Iniponiert Ihncn incinc Lcbensstcllnng nicht, iveil ich
Acichen des Mijzfalls bci Ihnen wahrnehnie?"

„Bnn, crlanbcn Sie inir, es nius; cinen doch Ivnndcr
neknicn so einen groszen, starken lltcnschcn vor sich zu seben
nnd dann zn erfahrcn, das; er auf dcr iZottcswclt nichts wciter
>st als ein pflastcrtrctcr."

lserrn Ldgar gab cs eincn förinlichcn Ritz. Bcin, war
dicscs Fraiicnziininer von cincr Grobheitl jdflastcrtreter,
Uiensch, hattc sic ihn gcl;cis;en!

Aber, eigentiinilich, so sctzr cr gcneigt war ihr zu ziirncn,
er konntc cs nicht im Lrnstc. Sie kain ihin in ihrer vcrblüffcn-
den Anfrichtigkeit so frisch vor, ihre lserbheit zog ihn so mächtig
ini, dicse Sprechiveise war iipn so neii! Die andern Danicn,
welche er bis jetzt kennen gclernt batte, waren nur inimer bc-
miilst gcwcsen, itzm uin jeden preis zn gefallcn, und das tzatte
natiirlich nicht dazu beigctragen, scinen Respckt und scinc ^och-
achtung vor dcm weiblichen Geschlecht besonders hoch zu spanncn.
Er hatte bis jetzt geglaubt, daß, wcnn es ihn ja einmal nach
den siißen Banden der Lhe gelüsten sollte, er nur allergnädigst
^Ia zu sagen branche und die Sache wäre abgemacht. Ls fuhr
ilstn plötzlich durch dcn Ropf, wic rcizend es sein müsse, auf
dicsem Gcsichtchcn dcn lviderschein echter, wahrer Liebe
studicrcn zn können und diesc Perspektive lockte cin eigentüm-
lich iränmcrischcs Lächeln auf seine Züge, indeni er das ver-

unglückte Schneidererzeugnis von scinen Schultern nahm nnd
es scincr lvidcrsacherin übergab.

Diese dcntcte scin Lächcln allcrdings anders. „Sch'n Sic,"
sagte sie, ilstn eincn huldvolleren Blick als bishcr zuwerfend,
„das gefällt niir nun von Ilstien, daß Sie cine bittcre lvahr-

das lvort, „iim sich allmählich ziim Sportsmann auszubilden,
eine nette, kavaliermäßige Passion! Sie hatten dabei im Sinne
auf dicscr Lasis danii spätcr cin großes Gestüte zn griinden
nnd dabci die geivonnencn lstppologischcn Kcnntnissc zu ver-
wcrten . . . o dic ssferde, ich liebc sic leidcnschaftlichl"

Ljcrrn Ldgar bercitcte cs eine hcimlichc Frcude ihr eincn
Strich dnrch die gezogene Rechnung machen zu können — er
wußte eigentlich selbst nicht warum er die ihm gebotcne Brücke,
welchc zu ibrcr Achtnng führcn mnßte, nicht beschritt, er glaubte
abcr später, als cr sich das ganzc Gcspräch wicdcr in scin
Gedächtnis zurückrief, daß es die Lnst gewescn sei sie wieder
zornig zu sehen, da ihm ihr Zorn gar so rcizend erschien; er
sagte also ganz im vorigen Tone: „Doch nicht, mein gnädiges
Fräulein, es war cin anderer Zweck, den ich verfolgte, ich
wurde'näinlich zu dick nnd wollte magercr wcrden."

Sie wandte ihin rasch das Gesicht zu, in das das Blut
gcsticgcn war. Lincn Augcnblick sah sic ihn ganz cntsctzt an
nnd dann kam es lstntcr dcn spitzen weißen Zälsticn lcise aber
dentlich lfcrvor: „(!), abschenlich . . ." Oer also Apostroplstcrtc
saß einen Moment wie von einer kalten Douche getroffen, das
war doch stärker gckoinmen, als cr gedacht hattc, dann folgte
er dem Bcispiel seiner Gegncrin, die sich rasch erbobcn hatte,
und stund ebcnfalls anf. Dcr Acrmcl war cingesctzt, aber dcr
Rockfliigel lstng noch trostlos von dem elegantcn Zaquet, das
Fränlcin schicn aber nicht die gcringstc Lnst zu habcn auch
dicscm lNangel abzuhelfen. Sic rcichtc ilstn, ibn von jetzt ab
als Lnft bchandelnd, das vcrdorbcnc Uleidungsstück, er em-
pfing cs mit einer verbeugnng und schlüpftc lstncin, indcm er
halblant cinige lvorte dcs Dankes mnrmcltc. Lr mnßte niin
natürlich von dcr Bildfläche verschwinden. INechanisch bob er
seinen Lylindcr vom Bodcn auf und fuhr mit dem Arme
lstnein, uin die „Vuetsch"-Falten ans dcmselbcn zu ciitfcrncn.
Lcise spitztc sich scin lNnnd dabci, es kam zwar kcin Ton übcr
seine Lippen, abcr nm so lautcr zog die bckannte INelodic dcs
lstibschcn Liedes: „G inein Licber, Du schanst aus . . ." durch
scin Inneres. Ls war ein trostloscs Bcginncn dicser rinförm-
lichcn lNasse, cine cinigermaßcn acccptablc Form zu gcben und
cr bot in seinen Bcmichnngen cin so urdrolliges Bild, daß sich
die cben noch so strengcn Züge dcs Fränlcins zn glätten bc-
ganncn und sogar ein blitzartiges Lächcln chr Gesicht übcrstralsttc.
Ldgar scch cs nicht, cr hattc noch inimer die Angen anf seinen
Lylindcr gerichtet, bob sie aber freudig erstaunt, als das Fräu-
lein sagte:

„Zch sehe cin, mein Ljcrr, daß Sic mit diescm Bute nn-
möglich zur Stadt zurück können . . . kommcn Sie mit zum
Herrcichause, ich will Zlstien einen von Papa's rsütcn gcbcn. .."

hcit lächelnd aichören können und wenn nian das kann, ist man
auch im Stande begangenc Fclster wieder gut zu machen . . .
Sie haben ja auch schon angefangcn sich in Ltwas zn bcsscrn,
Sie versuchtcn ja Reiten zu lernen . . ."

Die klcine Bosheitl ,versuchtcist sagte stel Ldgar setzte
sich auf einen Stein zu ihren Füßen und sah zu, wie ihre
flinken, schöncn wcißcn lsände, welche ein Rähzeug aus dcm
Ridikül, dem vorlstn jedenfalls auch das unangenehme Salmiak-
geistglas entstiegen war, nahmen und sofort kunstgcrecht den
Aormel cinznsetzcn begannen.

„Nnn ja," meinte er gcmütlich cntgegncnd, „Sie schcn
ja . . .
 
Annotationen