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INeggendorfers Humoristische Blätter.
„Ser Rcncmiiiiist!" sagte Pcipci Faltcrn spätcr iin wagcn
zn sciner Tachtcr, als sie wieder anf das Gut hincinsfnhrcn.
jdrinzessin Ilse that, als ob sie's nicht gchort hätte, aber
sie fiihlte noch iinincr dcn 5tich, dcn cs ihr ins lserz
gegcbcn hattc, als sic dcn vsrwegenen „Menschen"
iiber dcin Thore schweben sah . . . Ldgar aber
ärgcrtc sich, daß cr sich zu einer solchen Fan-
faronadc hatte hinrcißcn lassen, cr war uiizn-
fricdcn init sich, dicsc Aoinödie nnd jdrahlcrci
insrcniert zn habcn.--
Die jdroben znin lttaronsscl nnd dcn tOasfen-
spielcn nahincn ihrcn regelniäßigen Fortgang
tvas das äsu äs ross betraf, so konnte von
eigentlichon Probcn hier keine Rcde scin.
Schenia ist anf diese rcin oqnestrische Lcistiing nicht an
wendbar, ein Einstndicren nninöglich. ksier gilt nnr dic Gcwandt-
heit des Linzclncn und dic scines Pfordcs. llkan war wohl cin paar-
nial in die Schranken getretcn und hatte sich gegcnseitig scine
Finesscii abgegnckt, dic Znschaner blieben aber ini Nnklaren da-
riibcr, wer bci der Auffiihriing scincr Zeit dcr Prinzcssin Ilse
die Achselschleife entreißen wiirde; denn das Reizvolle bei diescin
rittcrlichcn Sxiele liegt gcradc darin, daß sich die Aavalicre
gegonseitig alle niöglichen 5chivierigkeitcn zu bcreiten siichcn,
uin den andcrn nicht in den Lesitz der bcgehrten Lchleife ge-
langen zn lassen, wodurch dic Oerteidigung derselben gegen dic
Uebcrzahl der Angrcifcr in ctwas erleichtort wird. Aoniint nnn
noch die exzellente Lcistnng ciner Reiterin, wie dicjcnigo des
Fränleins Faltern hinzn, so niuß dcr Streit nni den 5ieg cin
zienilich heißer werden.
Ldgar Losscn vcrhiclt sich bei diesen Plänkeleien
von dcn drei Herren ani passivsten. Und nicht mir
während des Reitcns, sondern anch iin sonstigen
Rcrkehre init deni Fränlein. Lr beschränkte sich auf
cinc verbcngiing bcini Roninicii nnd beini Gehen
nnd das Fränlcin hatte iinincr genaii dasselbc
Rickcn als Dank fiir ihn. In dcn beiderscitigen
Herzen frcilich war diese änßere Aiihle nicht aufrocht
zn erhaltcn. 5ie zollte ihni in ihreni Innern An-
erkenniiiig dafiir, daß er ihreni Rate so cnergisch
Folge goleistct, nni etwas zn lernen und das in
so knrzor Ieit in dic That unigcsetzt hatte; sie dachtc,
daß er sicherlich nicht dabei stehen blciben, sondern
sich ferncr noch so ivcit aufschivingcn werde, mn
diesen kavalierniäßigcn Bcschäftigiingcn anch die
niitzlichcn folgcn zn lasscn nnd war förnilich stolz
daranf, ihn ans scinein jdhlcgnia gerissen zu haben ...
und nian wciß ja, daß bci den Frauen voni In-
tcrcsse nicht niehr weit bis znr Liebe ist. Lr fand '—
sie täglich bcgehrcnsrverter, aber er wußte, daß
eine offonc wcrbnng seincrseits jetzt noch nicht zuin
Ziele fiihren konnte, er wollte den einnial gefaßten
jdlan crst ganz dnrchfiihren -— dann erst, dann wollte cr
vor sic hintretcn nnd sie bittcn, soine kleine Fran zn werden,
ivenn cr dort dranßen anf seiner Hnfe saß nnd die erste Lrnte
herein hattc. --
Der Abcnd dcr Anffiihrnng war da. In dein zum Zirkns
iiingeivandclten Reithausc hatte das clegante jdubliknin der Stadt
jdlatz genoniincn und folgte, Beifall spendend, den golnngenen
vorfiihrungen. Der erstc Teil dcs jdrogranims war zn Lnde.
Als erste Rlimmer des zwciten war das äsn cis ross angesetzt.
Rach knrzcr jdause intoniertc die Musikkapelle den Flcdermaus-
lDalzcr nnd, als die Introdnktion in die Nelodie überging,
erschien, flott die nicdcre Diancge-Barriere iibersetzcnd, in
dem kleidsamen Aostiiin einer Rokoko-Iagddame, Fränlcin
Faltern. 5ie war wnnderhiibsch. Das feino Gesicht paßte
vortrefflich zu den gepndertcn Haarcn, ihre Augcn
^ blitzten vor Lnst, keck saß cine kleine mouelis übcr
dcm rechten Dinndwinkel, dcr Lehmfnchs schnanbte
und das jdublikum acclamierte lebhaft die
rcizende Lrscheinnng. In knrzen Zwischen-
pansen folgtcn die droi Herren. In dassclbc
Rostüni gckleidct, wirkten ihre schöncn Gestaltcn
auf dcn prächtigcn jdfcrden anf das vorzüg-
lichste. Die Herren grüßten dio Dame dnrch
Abnehmen der Hüte nnd das 5picl begann.
lvie ein Aal durchschlüpfte das Fränlein dic
Rettc der sie bcdrängcnden Herrn. In voller jdacc
fliehend, dann wicdcr anf der Stelle paricrend und
ihre Gegner an sich vorüberschicßen lasscnd, bald sich zur Seite,
bald tiof anf dcn Hals ihrcs jdferdcs sich vorbicgend, uni die be-
drohte Schleifc zn retten, entging das Fränlein glücklich allen
Angriffen. Doch nun schicn es Lrnst zn wcrdcn. Hcrr von
Diinskz' nnd Hcrr von Brodden hatten ihr die linke Seite
abgewonnen und jagten neben ihr her. Herr von Diinsky
der voraus ivar, langte, sich hoch im Sattel erhcbend, schon
an der Brnst des Herrn von Brodden vorbei, nni sich die kosi-
bare Schleife zn sichern, der letztere aber, nm dies zn vorhin-
dcrn, drängto soin Pferd nach links. Das mochte etwas zn
plötzlich geschehen sein, denn sein Rappe sprang dcm Schimmel
in die Oorderfüße nnd iin nächsten Uiomente waren beide jiscrde
zuFalle gekommen. LanteSchrcie ertönten aiisdemZnschauerranm,
dcm bald noch lautere folgten, als Ldgar Lossen, der ein paarjdferde-
kängen rückwärts gefolgt war, die beidon jdferde nnd Reiter mit ei-
nemmächtigen Satze übersxrangund im nächstenAiigenblicko dieAch-
selschleife dor schönen Reitcrin hoch in seiner rechten Hand schwang.
Herr von Ninsky und Herr von Brodden hatten glücklicher-
weise nicht den geringstcn Schaden genommen, sie stiegen lachend
auf ihre iinversehrten jdferde, das jdublikum bernhigte sich
wieder, die Mnsik fiel mit eincm Tnsch oin nnd man applan-
dierte dcm Sieger, dessen schncidige That und Geistesgegenwart
man nnn voll und ganz würdigen durfte. (Schiuß folgi).
Redciktion: Max Schreiber. Druck uud Verlag vou s). F. Schreiber, beide iu Lßlingeu bei Stuttgart.
Gefchäftsstelle in Munchen: Corneliusstraste 19.
INeggendorfers Humoristische Blätter.
„Ser Rcncmiiiiist!" sagte Pcipci Faltcrn spätcr iin wagcn
zn sciner Tachtcr, als sie wieder anf das Gut hincinsfnhrcn.
jdrinzessin Ilse that, als ob sie's nicht gchort hätte, aber
sie fiihlte noch iinincr dcn 5tich, dcn cs ihr ins lserz
gegcbcn hattc, als sic dcn vsrwegenen „Menschen"
iiber dcin Thore schweben sah . . . Ldgar aber
ärgcrtc sich, daß cr sich zu einer solchen Fan-
faronadc hatte hinrcißcn lassen, cr war uiizn-
fricdcn init sich, dicsc Aoinödie nnd jdrahlcrci
insrcniert zn habcn.--
Die jdroben znin lttaronsscl nnd dcn tOasfen-
spielcn nahincn ihrcn regelniäßigen Fortgang
tvas das äsu äs ross betraf, so konnte von
eigentlichon Probcn hier keine Rcde scin.
Schenia ist anf diese rcin oqnestrische Lcistiing nicht an
wendbar, ein Einstndicren nninöglich. ksier gilt nnr dic Gcwandt-
heit des Linzclncn und dic scines Pfordcs. llkan war wohl cin paar-
nial in die Schranken getretcn und hatte sich gegcnseitig scine
Finesscii abgegnckt, dic Znschaner blieben aber ini Nnklaren da-
riibcr, wer bci der Auffiihriing scincr Zeit dcr Prinzcssin Ilse
die Achselschleife entreißen wiirde; denn das Reizvolle bei diescin
rittcrlichcn Sxiele liegt gcradc darin, daß sich die Aavalicre
gegonseitig alle niöglichen 5chivierigkeitcn zu bcreiten siichcn,
uin den andcrn nicht in den Lesitz der bcgehrten Lchleife ge-
langen zn lassen, wodurch dic Oerteidigung derselben gegen dic
Uebcrzahl der Angrcifcr in ctwas erleichtort wird. Aoniint nnn
noch die exzellente Lcistnng ciner Reiterin, wie dicjcnigo des
Fränleins Faltern hinzn, so niuß dcr Streit nni den 5ieg cin
zienilich heißer werden.
Ldgar Losscn vcrhiclt sich bei diesen Plänkeleien
von dcn drei Herren ani passivsten. Und nicht mir
während des Reitcns, sondern anch iin sonstigen
Rcrkehre init deni Fränlein. Lr beschränkte sich auf
cinc verbcngiing bcini Roninicii nnd beini Gehen
nnd das Fränlcin hatte iinincr genaii dasselbc
Rickcn als Dank fiir ihn. In dcn beiderscitigen
Herzen frcilich war diese änßere Aiihle nicht aufrocht
zn erhaltcn. 5ie zollte ihni in ihreni Innern An-
erkenniiiig dafiir, daß er ihreni Rate so cnergisch
Folge goleistct, nni etwas zn lernen und das in
so knrzor Ieit in dic That unigcsetzt hatte; sie dachtc,
daß er sicherlich nicht dabei stehen blciben, sondern
sich ferncr noch so ivcit aufschivingcn werde, mn
diesen kavalierniäßigcn Bcschäftigiingcn anch die
niitzlichcn folgcn zn lasscn nnd war förnilich stolz
daranf, ihn ans scinein jdhlcgnia gerissen zu haben ...
und nian wciß ja, daß bci den Frauen voni In-
tcrcsse nicht niehr weit bis znr Liebe ist. Lr fand '—
sie täglich bcgehrcnsrverter, aber er wußte, daß
eine offonc wcrbnng seincrseits jetzt noch nicht zuin
Ziele fiihren konnte, er wollte den einnial gefaßten
jdlan crst ganz dnrchfiihren -— dann erst, dann wollte cr
vor sic hintretcn nnd sie bittcn, soine kleine Fran zn werden,
ivenn cr dort dranßen anf seiner Hnfe saß nnd die erste Lrnte
herein hattc. --
Der Abcnd dcr Anffiihrnng war da. In dein zum Zirkns
iiingeivandclten Reithausc hatte das clegante jdubliknin der Stadt
jdlatz genoniincn und folgte, Beifall spendend, den golnngenen
vorfiihrungen. Der erstc Teil dcs jdrogranims war zn Lnde.
Als erste Rlimmer des zwciten war das äsn cis ross angesetzt.
Rach knrzcr jdause intoniertc die Musikkapelle den Flcdermaus-
lDalzcr nnd, als die Introdnktion in die Nelodie überging,
erschien, flott die nicdcre Diancge-Barriere iibersetzcnd, in
dem kleidsamen Aostiiin einer Rokoko-Iagddame, Fränlcin
Faltern. 5ie war wnnderhiibsch. Das feino Gesicht paßte
vortrefflich zu den gepndertcn Haarcn, ihre Augcn
^ blitzten vor Lnst, keck saß cine kleine mouelis übcr
dcm rechten Dinndwinkel, dcr Lehmfnchs schnanbte
und das jdublikum acclamierte lebhaft die
rcizende Lrscheinnng. In knrzen Zwischen-
pansen folgtcn die droi Herren. In dassclbc
Rostüni gckleidct, wirkten ihre schöncn Gestaltcn
auf dcn prächtigcn jdfcrden anf das vorzüg-
lichste. Die Herren grüßten dio Dame dnrch
Abnehmen der Hüte nnd das 5picl begann.
lvie ein Aal durchschlüpfte das Fränlein dic
Rettc der sie bcdrängcnden Herrn. In voller jdacc
fliehend, dann wicdcr anf der Stelle paricrend und
ihre Gegner an sich vorüberschicßen lasscnd, bald sich zur Seite,
bald tiof anf dcn Hals ihrcs jdferdcs sich vorbicgend, uni die be-
drohte Schleifc zn retten, entging das Fränlein glücklich allen
Angriffen. Doch nun schicn es Lrnst zn wcrdcn. Hcrr von
Diinskz' nnd Hcrr von Brodden hatten ihr die linke Seite
abgewonnen und jagten neben ihr her. Herr von Diinsky
der voraus ivar, langte, sich hoch im Sattel erhcbend, schon
an der Brnst des Herrn von Brodden vorbei, nni sich die kosi-
bare Schleife zn sichern, der letztere aber, nm dies zn vorhin-
dcrn, drängto soin Pferd nach links. Das mochte etwas zn
plötzlich geschehen sein, denn sein Rappe sprang dcm Schimmel
in die Oorderfüße nnd iin nächsten Uiomente waren beide jiscrde
zuFalle gekommen. LanteSchrcie ertönten aiisdemZnschauerranm,
dcm bald noch lautere folgten, als Ldgar Lossen, der ein paarjdferde-
kängen rückwärts gefolgt war, die beidon jdferde nnd Reiter mit ei-
nemmächtigen Satze übersxrangund im nächstenAiigenblicko dieAch-
selschleife dor schönen Reitcrin hoch in seiner rechten Hand schwang.
Herr von Ninsky und Herr von Brodden hatten glücklicher-
weise nicht den geringstcn Schaden genommen, sie stiegen lachend
auf ihre iinversehrten jdferde, das jdublikum bernhigte sich
wieder, die Mnsik fiel mit eincm Tnsch oin nnd man applan-
dierte dcm Sieger, dessen schncidige That und Geistesgegenwart
man nnn voll und ganz würdigen durfte. (Schiuß folgi).
Redciktion: Max Schreiber. Druck uud Verlag vou s). F. Schreiber, beide iu Lßlingeu bei Stuttgart.
Gefchäftsstelle in Munchen: Corneliusstraste 19.