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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 23.1895 (Nr. 249-261)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16561#0047
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Ale g g en d o r fe r s H u in o ri st is ch c Blätter.

39

Der M'astertreter.

ossen hatte r'ernnttclst scines Rechtsanwaltcs den Schwaighof
dein alten tserrn Faltern noch während des Minters rlchtig
vor der Nasc iveastcigern lasscin Anrz darans ivaren alle inög-
lichen rsandivcrkslcnte anf dcin Gute angckoininen und hatten
das arg vernachlässigte lserreichans und die Gekonoiniegel'äiide
wieder in stand gesetzt, und als der Frnhling kam, hiclten dcr
Besitzer selbstz ein tiichtigcr Oerivaltcr, soivie dic nötige Anzahl
Gesindc Linzug aus dcin Gnto. Ls war ihni hciliger Lrust niit
der Beivirtschaftuug desselben. Dcr Lrste auf und der Letzte
Zn Bette, war er eisrig bcstrebt, sich alle xraktischen bsandgriffc
anzueignen, nni von der Picke auf bei sich selbst zu dienen.
kkkan scch chn hintcr dcni jdflnge herschreitcn und init der ?äe-
inaschine arbeiten gleich einein Anechte. 5cin Liser wurde auch
reichlich bclcchnt; ivcnn er fiir dieses Iahr auch auf keincn
cigcntlichcn Geivinn rechncn konntc, so schien doch dic heiße
5oniinersonnc auf wohlbestellte Fclder herab uud rciftc
chin eine Lrntc, die
versprach, wenig-
stens kleinc Zinsen
Zu tragen.

Lr war gleich
zu Anfang scinos
Einzuges nach deni
Maldhof liinüber-
gefahrcn, uni scineii
ncuen Bachbarn
eincn Bcsuch zu
machen. Man hatte
chn angeiioniinen
und weiin auch dcr
alte kserr einige
bissige Ausfälle
machte, so hatte das
jcche Lrröten dcr
Tochter bci seinein
Grblickcn ihn dafiir
rcichlich entschädigt.

2ie hielt nicht da-
ȟt zuriick, ihm ihre
Achtung ilber sein
zielbcwußtcs Stre-
bcn zu zeigen und cr
fuhrniitdcni scligen
Lcwiißtsciil voni kvaldhofe wiedcr heini, daß ihni die Lochter
wcnigstens nicht zürne. Gb ihn das Fräulein jeinals liebejn
könnte, das war freilich dic Frage, die ihn Tag und Bacht
quälte; er crschnte die Gelcgenheit einer Aussprache mit ihr,
aber es kain ihm kein gliicklicher Zufall zu ksilfe. —

Ls war Mitte Zuli und cin prachtvoller Soniinerinorgen.
Lr hatte sich in aller Friihe auf das pfcrd geschwuiigen und
seine Gutsniarke abgeritten. Seine Leute hattcn gcstcrn cine
große wiese, welche direkt an dcr waldhofcr Grcnze lag, ab-
gemäht, die heiße Sonne hatte rasch ausgcdörrt und heute
»wrgcn hatten sic das kseu auf hohe ksaufen geschichtet, rvelchc iiun
ihren bctänbcnden Dnft aushauchten. Lossen nbersah mit Be-
hagen den reichen Segen, plaudcrte einige worte mit dem In°
spektor und entließ ihn dann. Die Arbeiter waren schon ab-
gezogen, um an cinem andern Grte ihre Thätigkeit fortzusetzen,
auch der Inspcktor war ihnen gefolgt, er war allcin.

Durch cin klcincs Gebnsch hindurch beobachtcte er die wald-
hofer Grenze. L>as Glück sollte ihm heute günstig sein. Bessy,

Müller. (Schluh).

welchc er ritt, hatte sich, die Gelcgenheit, daß ihr ihr kserr dic
Zügel über den ksals geworfcn hatte, benützend, auf einen
der Saufcn hcrabgcbcugt nnd naschte von dem frischcn
siißen lscu. jdlötzlich hielt sie damit inne nnd wandte
den Aopf seitwärts; sie inußtc mit ihrcn feinen Sinneswerk-
zeugen die Annäherung von ctwas Außergewöhnlichein wahrgc-
nommen haben. Lossen sah ebcnfalls in dic Bichtung und was
dabci sein Auge entdcckte, trieb ihm dic Böte innerer Lrregnng
auf dic brauncn wangen.

An den kleinen Bach, der hier die Grenze zwischcn den
beiden Gütcrn bildcte, sticß driibcn cin wcizcnfeld. In dessen
Mitte erblicktc cr, zu jdfcrde, Fräulein Ilse bci eincr cigentüm-
lichen Beschäftlgiing. Sie war offenbar, um das Feld möglichst
zu schoncn, in ciner Furchc hincingerittcn und stand nun dirckt
neben einer — vogelscheuche, die man dort errichtct hatte, nm
dic vögel von den fast reifen Halincn abzuhaltcn. Ihr jdferd

war, trotzdem sie es
sortwährcnd zu be-
ruhigcn suchtc, schr
unruhig und fing
an ängstlich dnrch
die Biistcrn zu
blasen. Iedenfalls
war es noch ziem-
lich roh, abcr bei
dcr großen Ge-
wandthcit desFräu-
leins würde nichts
zu bcfiirchtcn gc-
wcsen sein, wenn
nicht ein Umstand
eingetreten wäre,
der das junge,
undrcssicrtc Tior so
erschrecken mußte,
daß es allen und
jedcn Gehorsam ver-

_^ weigerte. Fräulein

^>7 '' ' K. »'ar nämlich
" damit beschäftigt,
der vogelscheuche
den ksut abzuneh-
meii, was ihr trotz
vieler Bemiihungen nicht gleich gelingen wollte. Sie griff
znm lehten Mittcl, nahm ihrc Rcitpeitsche am schwan-
ken Tcile in dic ksand, suhr mit dem Rnopfe in den ksnt,
hob ihn ab nnd im nächstcn Moincnt war er in ihrer
ksiind. Das jdfcrd abcr crschrak vor dem schwarzen, zn-

sammengeknülltcn Dinge, machte cincn Seiteilsprung, wars

die vogclschenche um, dicse streifte ihm die Kruppc und
nun gab's kcin lsaltcn mchr, cs dnrchraste das Feld
nnd kam in gerader Linie anf Ldgar Lossen zu. Das

Unglück hatte sich zu rasch zugetragen, er hatte es nicht vcr-
hindern können. Zum Todc erschrocken wollte cr sein eigenes
Pferd dem des Fräulcins in den weg wcrscn. Der Dnrchgänger
aber übersehte schon den schmalen Grenzbach, übersah in sciner
blindcn Furcht einen dort stehenden kseuhaufen, brach in dic
Aniee und schleudcrte das Fräulein in dcn nächsten.

Ldgar war wic im Fluge vom Pferde und bettete das
Fräulein so sanft wie möglich. was er empfand, als er die
süße Last an scinem kserzen siihltel Der Schrccken hattc fie

W
 
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