Meggendorsers huinoristische Btätter.
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Gine gute Seele.
Fräulein f>etronella: „T>ic lNänncr sind doch zn nnge-
rechi, unscreni Gcschlechte ewige tlnbeständiglcit vorznwerfen —
was inich betrifft, ich hätte anf jeden respcktablen lNann
die crnstcsten Absichten."
Lsetsiveishcit.
lvir, sprach dcr Lsel zu dcni lveisen,
verdicnen, daß Ihr ffoch uns estrt,
Denn wenn nicht nns're Dnnnnheit wäre,
Mär' Lurc lveisheit auch nichts wert. O. E. W.
Druckfchter.
lvegen llnpäßlichkeit des ersten violinisten nnterbleibt der
für ffeutc angesagte Jainmerinnsikabend.
„Komma."
/^in srecher lvilddicb war gefangcn worden nnd man fragtc
bciin Uönig an, ob nian iffn bängcn oder bcgnadigcn
soll. Die schriftliche Antwort lautcte: „bsängt ihn nicht laßt istn
lanfenl" wofflgcnierkt, offne Beistrich. Jch wciß nicht, wie dic
5ache ausgegangcn ist, aber das Lcben des armcn Tcnfels lffng
an diesem Aoinma, da inan nnn erst recht nicht wnßte, ob inan
ihn hängen odcr laufen lassen sollte."
Dic Geschichte war miserabcl crzälfft nnd ein Mitgllcd dcr
Rnnde nieintc höffnisch, daß er schon als kleincr Innge seinen
Leffrer ausgelacht habe, der ihm in der Interpnnktionsleffre diese
Ncuigkeit inittcilcn wollte, die schon Großmuttcr längft aufge-
tischt statte.
Anf Brorkinann aber statte das „Anallbonbon" einen
sondcrbaren Lindrnck geinacht. Lr begann gegen seine Gc-
wohnheit vor sich lffn zu sticren, naffm an kcinem Gespräch mehr
teil und selbst die gewnrzten und zalfflosen Anekdoten, dic der
Neisconkcl „uin dic Schartc anszumetzcn" wie ein bsagclivetter
auf die vcrdntzten Znffärer losprasscln ließ, konnten itzin kcin
Lächeln incffr abgewinnen. Lr dachtc an sein Telegraimn. lvie
cin l^rischer Dichtcr, der seine lctzten lverkc stets auswcndig
kann, wußte er gonau den lvortlant der Depesche. lvenn cr
abcr geradc an der unrichtigon ötclle das Aoinina vcrgcffen
hättel Ts wurde itzm ganz schwiil boi dcin Gedanken. Dann
gabs ja ein heilloses lNißverftändnis, das zwar nicht dcn Aopf
eines Ivildschiitzen, aber dic Tauscnden der alten Firina Lrork-
inann kosten konnte. verwiinschtc Kiinstelei bei so wichtigen
Sachen! Daß er sich dio kindische Spiclcrei nicht abgewöhnen
konntcl Der Uanfinann in ihin licß iffn nicht inetzr los. Lr
malte auf die Tischdeeke nochinals die knappen lvortc niit dcin
Deigefinger. — Lald schicn cs ilpn, als ob der Leistrich, der be-
kanntlich iin Depeschcntarif als ein lvort gilt, an scincr Stellc
gestanden Ifiitte, dann lfiitte er wicder daranf schwören können,
daß er ihn „erspart" hatte. Ts war „zuin Schießen" I AIs
sich die Gescllschaft uin lllilternacht trcnnte, ffatte sich Lroek-
inann noch iinincr nicht berulffgt. Tr stainpfte energisch dein
lantcn Friihlingssturin cntgcgen nnd seinein lsause zn, aber init
jcdem Schritte klang cs im Takte: „lsängt iffn nicht laßt itzn
laufen!" Sein lveg fnffrte istn an dcin hellcrlcuchteten Tcle-
grapffcngebäude voriiber. lvie, wcnn er sich bei dcin Leainten
uin das lllanuskript erknndigtc? Tr selbst hattc zwar seit Iaffren
das Aint nicht incffr bctretcn, abcr man kannte iffn gcwiß nnd
gab itzin dic Depesche zur Linsicht. llnd schon stnrinte er, stcts
zwei Stnfcn ans cininal netzinend, dein ersten Stock zu. Lin
schläfriger Dicner wics itzn in das Aintszimmer. llngeftüm riß
cr dic Tlfiire auf; dann stand er wic angewurzelt. Ls war ein
lfiibschcs Bild. Dnrch den vicreckigcn Ansschnitt, der die tren-
ncnde Bretterwand für den Parteicnverkehr offcn licß, sah man
in das gcdämpft erlenchtete Ziinmerchen, dcm der Rosaschcin
des cinfachen Lampenschirms einen magischen Schimmer verlieh.
Gegenüber auf dem Lcdcrdivan lag ein rcizendes lltädchen im
besten Schlaf, wic dcr regelmäßigc tiefe Atemzug vcrkündete.
Line entzückende Grazie umfloß die jnngen Gliedcr des llläd-
chens — das war dcr „nachthabende Leamte"! „Die Blitzgrcte"
dnrchschoß es dcn Aopf unscres überraschtcn lselden, dcr von
der wnndcrbaren Schönhcit und unglanblichen Zurnckhaltung
der jungen Dame schon sehr vicl gchört hatte. Anf sein dis-
kretes Ränspcrn richtete sie sich plötzlich anf, halb schlaftrunkcn
noch und doch in der größten verlegenheit.
„Lntschuldigen, mein lserr, was kann ich diencn?"
„lsängt ikn nicht laßt ihn lanfen," platzte Brockmann
herans, ohne eincn Blick von dcm schönen Bildc abznwcndcn.
Das Fräulein trat mit ängstlichcr INiene zurück.
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Gine gute Seele.
Fräulein f>etronella: „T>ic lNänncr sind doch zn nnge-
rechi, unscreni Gcschlechte ewige tlnbeständiglcit vorznwerfen —
was inich betrifft, ich hätte anf jeden respcktablen lNann
die crnstcsten Absichten."
Lsetsiveishcit.
lvir, sprach dcr Lsel zu dcni lveisen,
verdicnen, daß Ihr ffoch uns estrt,
Denn wenn nicht nns're Dnnnnheit wäre,
Mär' Lurc lveisheit auch nichts wert. O. E. W.
Druckfchter.
lvegen llnpäßlichkeit des ersten violinisten nnterbleibt der
für ffeutc angesagte Jainmerinnsikabend.
„Komma."
/^in srecher lvilddicb war gefangcn worden nnd man fragtc
bciin Uönig an, ob nian iffn bängcn oder bcgnadigcn
soll. Die schriftliche Antwort lautcte: „bsängt ihn nicht laßt istn
lanfenl" wofflgcnierkt, offne Beistrich. Jch wciß nicht, wie dic
5ache ausgegangcn ist, aber das Lcben des armcn Tcnfels lffng
an diesem Aoinma, da inan nnn erst recht nicht wnßte, ob inan
ihn hängen odcr laufen lassen sollte."
Dic Geschichte war miserabcl crzälfft nnd ein Mitgllcd dcr
Rnnde nieintc höffnisch, daß er schon als kleincr Innge seinen
Leffrer ausgelacht habe, der ihm in der Interpnnktionsleffre diese
Ncuigkeit inittcilcn wollte, die schon Großmuttcr längft aufge-
tischt statte.
Anf Brorkinann aber statte das „Anallbonbon" einen
sondcrbaren Lindrnck geinacht. Lr begann gegen seine Gc-
wohnheit vor sich lffn zu sticren, naffm an kcinem Gespräch mehr
teil und selbst die gewnrzten und zalfflosen Anekdoten, dic der
Neisconkcl „uin dic Schartc anszumetzcn" wie ein bsagclivetter
auf die vcrdntzten Znffärer losprasscln ließ, konnten itzin kcin
Lächeln incffr abgewinnen. Lr dachtc an sein Telegraimn. lvie
cin l^rischer Dichtcr, der seine lctzten lverkc stets auswcndig
kann, wußte er gonau den lvortlant der Depesche. lvenn cr
abcr geradc an der unrichtigon ötclle das Aoinina vcrgcffen
hättel Ts wurde itzm ganz schwiil boi dcin Gedanken. Dann
gabs ja ein heilloses lNißverftändnis, das zwar nicht dcn Aopf
eines Ivildschiitzen, aber dic Tauscnden der alten Firina Lrork-
inann kosten konnte. verwiinschtc Kiinstelei bei so wichtigen
Sachen! Daß er sich dio kindische Spiclcrei nicht abgewöhnen
konntcl Der Uanfinann in ihin licß iffn nicht inetzr los. Lr
malte auf die Tischdeeke nochinals die knappen lvortc niit dcin
Deigefinger. — Lald schicn cs ilpn, als ob der Leistrich, der be-
kanntlich iin Depeschcntarif als ein lvort gilt, an scincr Stellc
gestanden Ifiitte, dann lfiitte er wicder daranf schwören können,
daß er ihn „erspart" hatte. Ts war „zuin Schießen" I AIs
sich die Gescllschaft uin lllilternacht trcnnte, ffatte sich Lroek-
inann noch iinincr nicht berulffgt. Tr stainpfte energisch dein
lantcn Friihlingssturin cntgcgen nnd seinein lsause zn, aber init
jcdem Schritte klang cs im Takte: „lsängt iffn nicht laßt itzn
laufen!" Sein lveg fnffrte istn an dcin hellcrlcuchteten Tcle-
grapffcngebäude voriiber. lvie, wcnn er sich bei dcin Leainten
uin das lllanuskript erknndigtc? Tr selbst hattc zwar seit Iaffren
das Aint nicht incffr bctretcn, abcr man kannte iffn gcwiß nnd
gab itzin dic Depesche zur Linsicht. llnd schon stnrinte er, stcts
zwei Stnfcn ans cininal netzinend, dein ersten Stock zu. Lin
schläfriger Dicner wics itzn in das Aintszimmer. llngeftüm riß
cr dic Tlfiire auf; dann stand er wic angewurzelt. Ls war ein
lfiibschcs Bild. Dnrch den vicreckigcn Ansschnitt, der die tren-
ncnde Bretterwand für den Parteicnverkehr offcn licß, sah man
in das gcdämpft erlenchtete Ziinmerchen, dcm der Rosaschcin
des cinfachen Lampenschirms einen magischen Schimmer verlieh.
Gegenüber auf dem Lcdcrdivan lag ein rcizendes lltädchen im
besten Schlaf, wic dcr regelmäßigc tiefe Atemzug vcrkündete.
Line entzückende Grazie umfloß die jnngen Gliedcr des llläd-
chens — das war dcr „nachthabende Leamte"! „Die Blitzgrcte"
dnrchschoß es dcn Aopf unscres überraschtcn lselden, dcr von
der wnndcrbaren Schönhcit und unglanblichen Zurnckhaltung
der jungen Dame schon sehr vicl gchört hatte. Anf sein dis-
kretes Ränspcrn richtete sie sich plötzlich anf, halb schlaftrunkcn
noch und doch in der größten verlegenheit.
„Lntschuldigen, mein lserr, was kann ich diencn?"
„lsängt ikn nicht laßt ihn lanfen," platzte Brockmann
herans, ohne eincn Blick von dcm schönen Bildc abznwcndcn.
Das Fräulein trat mit ängstlichcr INiene zurück.