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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 23.1895 (Nr. 249-261)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16561#0068
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meggendorfers Humoristische Blätter.

nächsten Wochen bedcutend erhoben hnben; wenigstens gab cs
xlötzlich drcimal so viel zu Dcpeschieren und dic Telegramme
waren stots so wichtig, daß sie der jnnge Thef persönlich auis
Amt tragen mußte.

Dio Stadt mit ihren tausend neugierigen Augen hatte das
Geheimnis bald heraus: „Lr geht wegon dor Blitzgrete hin."
Und als der junge Kaiifmann seine schäne Braut ins stolze
jdartrizierhaus fiihrte, war keiner da, der sich dariiber gewundert
hätte, trotz der auffallenden INesalliance, die damit geschlossen
wurde. Als der lhochzeitslärm vorüber war und die National-
kapelle, die einzige der Stadt, dom jungen jdaare das lhuldigungs-
ständchen brachte, standen sie lhand in lhand auf dem Balkon,
vom vollmondschein überflutet. Lr blickte in die schönen Augen,
die ihn damals so ängstlich angeblitzt hatten und jetzt mit dem
lviederschoin des höchsten Glückes zu ihm aufleuchtetcn. „Und
iveißt Du Aind, was uns znsammengebracht hat? Lin Strich,
so klein und zart kaum zu sehen und doch der Anstoß zum
Glück ziveier lllenschcnkindcr. Lin Aommal"

jKerussbeschränkung.

Dichter: „Schrecklich, schrecklich, es fällt einem gar nichts
ein — bei der Aonkurrenzl"

Individuelbe Nnsicht.

„Nun, ist Ihre verwandte schon angekommen? U)ie ist sie
denn, lferr Wamperl?"

„A fadcs Frauenzimmer — trinkt nixl"

Lutinarische Äusmerksamkeit beim Nestdiner.

Festteilnehmer: „Die Sauce schmeckt aber stark nach Lorbeer!" —

Aellner: „Aus Aufmerksamkeit für die vielen berühmten Anwesendenl"

„Pardon, moin Fräulein, gestern murde ein Tclegramm der
Firma Brockmann 6: Tomp. an das lviener Bankhaus W.
Uiajer aufgegebcn. Ich fürchte nun dort in der Tile einen
Fehler im Ronzept gemacht zu haben, der uns ein vermögen
kostcn kann. Lntschuldigcn Sie darnin, wenn ich Sie u»i diese
spale Slunde störe uud recht schön bitle, mir unser lllanuskript
ein wcnig zu zeigen. Ls wird leicht zu finden sein, da es oben
den Firmastempel trägt."

„Bitte sehr, cs ist ja meine pflicht," lächelte Fränlein Grete,
nuiimchr ganz bcruhigt nnd zeigte dabci ein reizendes Grüb-
chen in der Wange. Die Purpurröte war freilich noch nicht
gcwichcn, ebcnsowenig dcr im Schlaf gcwonnene Abdruck des
pcrlgcstickten Divanpolstcrs. Brockmann konnte noch immer von
der zicrllchon Gcstalt das Auge nicht wenden, als sie mit sicht-
barem Liser übcr dcn Tisch gebeugt, in dem jdacket der Depe-
schenkonzepte suchte und das Gewünschte nicht gleich finden konnte.
Dann wics sie os ihm hin. lliit einem Blick hatte er sich über-
zeugt: dort ftand ja dcr Beistrich am rcchten Grt, energisch
deutlich und ohne eincn Zweisel zuzulassen. — Gott sei Dank!
lknd nnn ivollte er solche Scherze für die Zukunft lassen —
wenigstens, wenn es sich um solche diimine handelte. Das war
seiu Gedanke, als er langsam die Treppo hinabstieg. Lr hätte
garnicht gedacht, daß ihn die Affaire so angreifen könnte iind
war hoch crfreut, als ihn plötzlich eine selige Stimmung über-
kam. Der Schlaf wollte freilich nicht kommen, als er daheim
im Bette lag, trotz gethancr Arbeit und ruhigem Gewissen.
Stets hatte er cin rosa viereck vor den Augon und in dem be-
schcidencn Bretterrahmen eine liebliche Lngelgcstalt mit blonden,
flimmcrnden lsaaren und, ach, so schwarzen, schwarzcn Augen.

Dcr Lxportvcrkchr der Firma Brockmann mußlc sich in dcn

Nodakiion: blkax Schreibcr. Druck und verlag von I. F. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stuttgart.

Gel'chäfksstelle in Miinchen, Lvenelinsstrnszr 19.
 
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