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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 23.1895 (Nr. 249-261)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16561#0088
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Aleggenüorfers t) u m o r i st i s ch e Blätter.

Miß Lorley.

Lchneller, dcr ihm mit Wnptizität libcr cinige 5chwierigkciten l
hinhcilf, ganz ivillkcnninen gcwesen wäre, nnd zweitens wcir
er verliebt bis iiber die 5ch»ppcnkette in eine ihm noch frcmde
jiingo Doine, wclche er in der letzten Zeit wiederholt in der
Begleitnng seines Bbersten gosehen hotte, ohne dcis; es ihin
bislong möglich gewesen wciro, eine schickliche Gelegenheit zur
Aiinöherung zn finden.

lvenn der cherr Gbcrst nnr cininal, was sonst gar nicht
selten zu gcschehcn pflegte, niit scinen Damen nach dcin Aa-
sernenhofe koinincn nnd ihin crlaiiben wollte, dcnselben seine
„Hiiß Lorlcy" vorzuflihren! 2ln dein kiihncn iind verwegenen
Bllcke wolltc es lforst zur rechten Zcit nicht fehlen lassen.

Dcr Ivnnsch des lferrii Liontenant sollte erfiillt werdcn.
5ein Bberst nnd Regimentskoiiiinandciir kani eincs gntcn Tages
nicht nnr niit dcr von ihilmar lforst heiinlich angebeteten, son-
dern gleich niit zwei Daincn nach deni Uascrncnhofe, welche —
„inaienfrisch und niorgenschönl" deklainierto bsorst, — vor ver-
langcn förinüch brannten, die schöne „llkiß Lorley" zu sehen.

lsorst ivar entziickt, und Gottfried Budeliniiller mnßte das
schiiincke jdferd vorführcn. lltiß Lorley inachtc dem lfcrrn Bberst
ihren Kratzfnß und den Damen ihre Aniebeugc.

„Aber nein, wic siißl"

Sie neigte das schöne Röpfchenl
„Sich doch, Tantchcn, wie reizend!"

Die Dainen, — sie waron offcnbar Tante nnd Nichte, —
strahlten vor vergiiügen nnd ihre Blicke wandten sich dcin
Oerrn Lientenant zu. Daranf hatte der brave lfilinar lsorst
grade geivartet. Lr erwiderte diese Blicke init jcnein Aiiflenchten
des eigenen Auges, das keiner Daine ilnverstandlich bleibt,

Das schöne INädchen fühlte sich durch diese, ihr ganz aus-
schließlich dargcbrachte kfuldignng dcs hübschen Pfcrdes sichtlich
gcschincichclt. Line Piirpurwelle dcr freudigen Acbcrraschung
stieg ihre lieblich gerundetcu tvaugen hinan, und ciueu Blick
auf bsorst werfend, dor diesen bis in die innersten lhcrzinuskel
vor tvonnc crschauern lioß, zog sie niit eineni leichtcn Drnckc
ihrer klcineu, perlgran belederteu Rechten „Miß Lorlcys" Aöpf-
chen zu sich cmpor und drückte dein hübschcn Pferde oinen Ruß
auf die Nasc: „du bist ja ein zu liebes, süßes Pferdchen — —."

Dein wackern lforst licf bei dicsem Russe das lvasser iin
Aluiide zusaiumen. Lr war nahe daran „llkiß Lorley" uin diese
unorhörte Glinst zu beuciden. Nichtsdestoweniger klopfte cr dem
jdferdo kosond den schlanken lhals. Nkiß Lorlcy machte ja ihre
Sacho ansgezeichnct.

Aber so sehr lforst auch Neigung verspürte die schöne „lluß"
um den empfangencn Auß zn bencidcn, diese sclbcr hatte kein
verständnis für den lvert dicser Gunst, so schön die Auß-
spendcrin auch war, und so warm das Lmpfinden gcwcsen sein
mochtc, welches sie zu diescr Belohiinng getriebcn hatte. Der
„!Niß Lorley" wäre ein Stückchcn Biskuit, ein Bonbon, oder
ein lvürfel Zucker schr viel liober geivcseu. Sie wandte sich zum
zweitenmal nach Gottfried Nndelmüllcr um: „Bwrr, bwrrl"
Der brave Dragouer wußte indessen anch diescsmal keine andere
Antwort, als bcdeutungsvoll mit den Angenlidern zn znckcn.

Ietzt versnchte „llliß Lorley" ihr lfoil bei der zwciteu Damc.

Auf dem schönen llntlitz dersclbcn lenchtete es plötzlich wie
heller Sonuenschein anf. Sie hatto vorhin wahrhaftig so etwas
wie Acrger cmpfnndeu, als das pferd ihrer Nichte den vorzug
gab. Niln wurde ihr die nämliche lfuldigung zuteil I das frcutc
nnd befriedigte sie doppelt. tolgn.

Doktor: „Sie, Iohann, daß mlr der herr Baron mindestcns jede Stuude von dem
tlsti spumanlö bekommt, ja nicht vergessen." — Diener: „Seieu Sie außer Sorge
Hcrr Doktor, dio Flasche soll nicht aus mciner lhand kommcn."

nud iu der That auch anf dcm hübschen
Dame ein leises liebliches Not anfbraneu licß,
während cs dic ältere mit einem gütigen
Lächcln uin die feingeschwungcnen Lippcn
- vcrzieh.

Abcr die tfauptpcrson des vorstell-
ungsaktes, die schöno „INiß Lorley", ging
lccr ans. Die Näschcrei, welche sie zu
einpfangcu gcwöhnt war, wurdc vergesscn.

„Bwrr, bwrr" schnuppertc das schöne
Tier, ivandte den Ropf mit einom lcisen,
kurzen Räuspern zur Seite nach Gottfried
Nudelmüller nnd schaute dcnsclben mit
seincn klngcn Augen groß in das Gesicht.
„Bwrr, bwrr ll" was in dcr fdferdesprache
soviel hcißt, wie in der Alonschensprache
ctwa: „Nauu, Gottfricd? sollcn wir !
hcute unserc Romplimente für uichts und !
wieder nichts machon?"

Gottfricd Nndelmüller znckto jedoch
nur mit den Augcnlidern. Tr wollte sich
hütcn elno Lippe zu riskieren.

Da wandte sich ,Miß Lorley" von
ncuem den Damen zn und dicses Mal
ganz speziell derjenigen, welche unbewnß-
terweisc Zwar, aber darum nicht niinder
gründlich, dem gnten Lsilmar bforst den
Ropf verdreht hatte. Sie beugto noch
cinmal ihr Ruie uud neigte das Röpfchen
tief hernicdcr.

Antlitz der jüngeren

Äiir treuer Diener seines öserrcn.

Bedaktion: Ntcix Schreiber. Druck und Verlag vou I. F. Schreiber, beide iu Lßliugeu bei Stuttgart.

Geschüftoikelle in München: Lorneliusjkrulje 19.
 
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