Neggendorfers Hurnoristische Blätter.
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Siörende Äegemvart.
Photcigraph kzu cincr Dainc, !>eren Schwie^crsostn stch xhotograxlsteren losten will): „Ich bitte gnädige Frau, sich setzi ein wenig zu entfernen,
der therr muß jetzt ein frcundlicheres Gesicht inachenl"
dcn Lenden und kein Glaube im lherzen, so bcgann der Greis
sein Wandern in die lheimat.
!sei, wie er vor zwälf Monden jauchzend und jubelnd in
die lvclt gezogen! Da war er ein junger Gesell mit leichtem
5inn und frischem lllut, bestrebt,es allenMenschen recht zu machen.
Ihm sollte man ein treu Gedenkcn bewahren noch in spciter
Zeit und sich in schlechten Iahren noch nach ihm zuriicksehnen.
5o hatte cr sich seine Ljerrschaft gedacht. Und wie wars ge-
kommen! Lin alter Nann, gebeugt von Sorgen nnd Undank,
schlich er sich triibselig aus der Welt. Die Ulenschen weinten
ihm keine Thräne nach. Alles jubelte seinem Nachfolger ent-
gegen.
Wankenden Schrittes, auf dcn langen Stab gestützt, don er
mit sich fiihrte, bahnte er sich den U)eg durch den Schnee. Der
weite, graue Mantel siatterte um ihn, und die Winde wehten
ihm die kalten Flocken ins Gesicht und setzten ihm mit Stößen
und Sausen noch hart zu.
Am Rand des Maldes, der nun begann, machte er Rast.
Dort saß ein greiser Ulensch auf einem Stein und grub
das faltenreiche Gesicht in seine dürren bjände.
„U)er bist Du?" sprach ihn das alte Iahr an, „und was
treibst Du da allein in Sturm und wetter, wo doch alles in
eitel Freude und Ulonne schwelgt?"
„Ich warte auf den Tod," erwiderte ihm der Alte mit ge-
brocheuer Stimme, „schon lange sehne ich ihn herbei, — er scheiut
vergessen zu haben, daß ich noch auf der Ulelt weile."
„Der Tod? Und warum bist Du dem Leben feind? Teil'
mir deinen Aummer mit, vielleicht kann ich Dir helfcn?"
„Du?" sagte ungläubig dor Greis. „Wer bist Du denn,
daß Du das känntest?"
„Das alte Iahr bin ich, und meine Ljerrschaft geht zu Lnde."
„Du bist das alte Iahr?" rief der Alte verwundert, und
ein leiser bjoffnungsschimmer tauchte in seinen verwitterten
Zügen auf. „So Du bist es, der mir soviel Schmerz gebracht,
der meine Ainder zu verworfenen Uerbrechern werden ließ, die
unter dem Galgen noch Gott lästerten, — Du also bist esl Ich
hatte wohl Grund, Dir zu fluchen, doch gieb meiner einzigen,
meiner letzten Bitte die Erfüllung, — Du hast ja noch die
Macht, — gieb mir den Tod, und ich bin Dir dankbar."
Gerührt lauschte das scheidende Iahr den Worten des Alten.
„Du bist der erste Mensch, der mir Dank verspricht. All
das Ljarte, das ich Dir angethan, will ich wieder gut machen,
indem ich Dir deinen Wunsch erfülle."
Und das alte — Iahr legte seine kalten Ljände auf das
weiße Ljaupt des Greises, der in friedlicher Ruhe entschlief.
Dann wanderte es weiter.
Noch nicht lange war es gegangen, als ein klagendes
Schlnchzen an sein Dhr drang. Ein junger Gesell, schmuck und
schlank, lehnte mit seinem Lockenkopf an einer hohen Tanne
und weinte und stöhnte ganz herzerbarmend.
Das alte Iahr wollte vor seinem Scheiden noch recht viel
Gutes thun und fragte das junge Blut nach seinem Schmerz.
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Siörende Äegemvart.
Photcigraph kzu cincr Dainc, !>eren Schwie^crsostn stch xhotograxlsteren losten will): „Ich bitte gnädige Frau, sich setzi ein wenig zu entfernen,
der therr muß jetzt ein frcundlicheres Gesicht inachenl"
dcn Lenden und kein Glaube im lherzen, so bcgann der Greis
sein Wandern in die lheimat.
!sei, wie er vor zwälf Monden jauchzend und jubelnd in
die lvclt gezogen! Da war er ein junger Gesell mit leichtem
5inn und frischem lllut, bestrebt,es allenMenschen recht zu machen.
Ihm sollte man ein treu Gedenkcn bewahren noch in spciter
Zeit und sich in schlechten Iahren noch nach ihm zuriicksehnen.
5o hatte cr sich seine Ljerrschaft gedacht. Und wie wars ge-
kommen! Lin alter Nann, gebeugt von Sorgen nnd Undank,
schlich er sich triibselig aus der Welt. Die Ulenschen weinten
ihm keine Thräne nach. Alles jubelte seinem Nachfolger ent-
gegen.
Wankenden Schrittes, auf dcn langen Stab gestützt, don er
mit sich fiihrte, bahnte er sich den U)eg durch den Schnee. Der
weite, graue Mantel siatterte um ihn, und die Winde wehten
ihm die kalten Flocken ins Gesicht und setzten ihm mit Stößen
und Sausen noch hart zu.
Am Rand des Maldes, der nun begann, machte er Rast.
Dort saß ein greiser Ulensch auf einem Stein und grub
das faltenreiche Gesicht in seine dürren bjände.
„U)er bist Du?" sprach ihn das alte Iahr an, „und was
treibst Du da allein in Sturm und wetter, wo doch alles in
eitel Freude und Ulonne schwelgt?"
„Ich warte auf den Tod," erwiderte ihm der Alte mit ge-
brocheuer Stimme, „schon lange sehne ich ihn herbei, — er scheiut
vergessen zu haben, daß ich noch auf der Ulelt weile."
„Der Tod? Und warum bist Du dem Leben feind? Teil'
mir deinen Aummer mit, vielleicht kann ich Dir helfcn?"
„Du?" sagte ungläubig dor Greis. „Wer bist Du denn,
daß Du das känntest?"
„Das alte Iahr bin ich, und meine Ljerrschaft geht zu Lnde."
„Du bist das alte Iahr?" rief der Alte verwundert, und
ein leiser bjoffnungsschimmer tauchte in seinen verwitterten
Zügen auf. „So Du bist es, der mir soviel Schmerz gebracht,
der meine Ainder zu verworfenen Uerbrechern werden ließ, die
unter dem Galgen noch Gott lästerten, — Du also bist esl Ich
hatte wohl Grund, Dir zu fluchen, doch gieb meiner einzigen,
meiner letzten Bitte die Erfüllung, — Du hast ja noch die
Macht, — gieb mir den Tod, und ich bin Dir dankbar."
Gerührt lauschte das scheidende Iahr den Worten des Alten.
„Du bist der erste Mensch, der mir Dank verspricht. All
das Ljarte, das ich Dir angethan, will ich wieder gut machen,
indem ich Dir deinen Wunsch erfülle."
Und das alte — Iahr legte seine kalten Ljände auf das
weiße Ljaupt des Greises, der in friedlicher Ruhe entschlief.
Dann wanderte es weiter.
Noch nicht lange war es gegangen, als ein klagendes
Schlnchzen an sein Dhr drang. Ein junger Gesell, schmuck und
schlank, lehnte mit seinem Lockenkopf an einer hohen Tanne
und weinte und stöhnte ganz herzerbarmend.
Das alte Iahr wollte vor seinem Scheiden noch recht viel
Gutes thun und fragte das junge Blut nach seinem Schmerz.