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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 26.1896 (Nr. 288-300)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16564#0017
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M e g g e n d o r fe r s H u ni o r i st i sch e B I ä t t e r.

Zm weißen Kleide.

weißen Kleide standest Du nor mir,

Zur ksochzeit Deiner Freundin stold geschmnckt,
lNan sah aus uns — und förmlich hab' ich Dir
Und dennoch glühend beiß die ksand gedrnckt.

Wie lästig doch der steise Zwang nur warl —
^sch bot Dir kiihl und freundlich „guten Tag,"
Und nur die Augen sprachen, — sprachen klar
Uon dem, was tief in nns verborgen lag.

Zur Kirche ging's l — Sie reichten sich die ksand,
Um treu vereint durch Leid und Freud zn gch'n,
Und als der priester sie sürs Leben band,

Da hab' ich Dich, — nur Dich allein geseh'n . . !

Wie standest Du so tief ergriffen dort,

Im weißen Aleide, mit dem Kranz im ksaar,
Aus treuem kserzen drang zu Dir mein wort:
„vielleicht steh'n wir einst sel ber am Altar l"

Nur ein Lrröten war die Antwort draus,

Ein Thränchen, das Dir aus dem Augc floß.

^sn Deinem Blick ging eine welt mir auf,

Die Dich und mich und unser Gliick umschloßl —

I. Pauer.

Kübner Vergtcich.

Unteroffizier: „lvarum haben Sie geznckt,
Linjähriger?"

Linjähriger: „Ls saß mir eine Fliege auf
der Nase."

Unteroffizier: „Donnerwetter noch 'n mal!
wenn „Stillgestanden" kommandiert ist,
haben Sie ruhig zu halten und wenn Ihiien
cine kjeerde Tlefanten auf der Nase
sitzen sollte."

(Lin Sountagnachmittags-Aöeuleuer.

in herrlicher Sonntag Nachmittag!

Allc Nirchenthüren stehen wcit offen, aber die Leute
gehen alle vorbei. vor dem Airchlein in der ^akobs-
vorstadt bleiben jetzt zwei stehen; freilich, der eine, hagere, ist
der Nachmittagsprediger, der andere, dicke, der Vrganist des
Airchspiels. Sie lugen ins Znnere und scheinen cnttäuscht,
schmerzlich jener, dieser angenehm.

„Ulir däucht, heute bleiben wir sehr unter uns. Za, ja,
je gottvollcr der Tag, je gottloser die Leutel" meint der Drganist.
Herr Schmusbart. Der kange aber, Ljerr Diakonus j?apel, blickt
jenen strafend an und näselt: „Und diesc Gottlosigkeit, sie
unterjocht selbst Grganistenherzen. Vdcr schielt man nnr so
zufällig nach der Lcke drüben, wo die cinsame Droschke harrt?"

„Ich wette, es ist die letzte innerhalb dcr Stadtmauern l"
platzt der Dicke herans. „kjoffentlich entwischt mir die nicht. —"

„Na, heute sind wir ja am Anfang schon fertig, oder rechnen
Sie wirklich noch auf Inzng, verehrtester?"

Der vcrehrtcsle biickt indeß still lächelnd auf etwas müh-
sam Beranhumpelndes. Tin ganz altes Ulütterchen ist's, das
der hcrrliche Sommernachmittag vcrlockt hat, den liebcn Gott
^ zu besuchen.

„Ach, meine schönen kjerren," sagt sie, „möchten Sie nicht
> so gnt sein und mir helfen aufs Lhor hinauf. Da sitzt sich's
doch am schönsten. Aber die diistcre Treppc und die alten Augcn,
mein Gott, nnd die Leine — ach ja, die Beinc — I"

Schmusbart sieht nicht gcrade frohgemut auf dic Alte;
jdapel aber mahnt mit sanfter Ironie: „Bitte, bester Aollegc,
den andern Arm. vergessen wir nicht das erstc Gebot eines
l Thristen: Liebe Dcinen Nächsten wie Dich selbst! Fiirwahr,
! diese einc fromme Seelc ist ein tausendköpfiges Auditorium wert I"
 
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