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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 26.1896 (Nr. 288-300)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16564#0023
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Bleggendorfers t) u in o r i st i s ch e Blatter.

Kchade.


Lientcnant: „Schndc, schade, dnß ich Sie ersl jetzt kenncn lernc — Sie
tzätten verdient, iiieinc crste Liebc zn scin."

Die Versramrte/

tzunwreskc von F. von Minca.

^ ch niöchtc, ineine Schwiegerinntter känie znm Besuch",

H satztc der Botar Ivalter zu seinem F'rennde, dem Land-
gcrichtsrat 'Noll.

„Abcr ich bitte Oich, wie kannst ?u Vir nnr das iviinschcn? l"
crividerle dicser crregt, „sei doch frotz, daß die Alte Ench bis
jetzt allein gelassen hat nnd hctze sic Oir nicht nnnütz auf den
lsals."

„Ia, das sagst Dn wohl, licber Frennd; Du hast kcine
jnnge, achtzchnjährige Fran, die nicht kochcn kann, und die,
wo jetzt das Frnhjahr herannaht, keine Idec voin Gartenpflegcn
n. dergl. hat. Irmas Mntter sagte mir gleich, ich sollc noch
cin Iahr init dcr lsochzeit warten, dainit »icine Braut dies
noch alles lernen könne, aber das wollte ich nicht."

„ksast nicht ganz rccht daran gcthan, tvalter; nnn hat dic
Altc eincn vorwand, allc Angcnblicke hierhcr zn koinmen und
veiner kleinen Frau das Szepter aus dcr bsand zn nehnicn;
dabei koinint nichts Gutes heraus."

„Aber Irnia bedarf durchans noch dcr Anlcitnng nnd sehnt
sich außerdein nach der Atania."

„Das giebt sich; las; sie sich nnr allcin dnrchschlagcn nnd
lade Dir um alles in der welt keine Schwiegerinutter auf."

„T>n hast gut reden, Moll; du branchst die versalzenen Snppen
und die sogenannten Beefsteaks, die nach Schuhleder schinccken,
nicht mit zu cssen."

„Zuin Glück nicht, aber das ist nun Deine
Sache, waruiii hast Dn gehciratctl Ich habe
Dich umsonst gewarnt, sieh, wie gnt ich's dagegen
habe. !Nit totägigem Bster-Urlanb fahrc ich
jctzt in die Besidenz, um die Frcnden dcrselben
so recht auszntosten, wie man cs mit einer Fran
niemals kann."

„Bun, viel vergnügen, Moll I Solche Sachcn
locken mich nicht mchr; ich bin ja sonst so glück-
lich mit meiner Irma."

„Ba ja, ja, laß nnr gnt sein, halte Dir
nnr die Mutter fern, damit Dn auch glücklich
bleibst! Und nun leb' wohl bis nach Bsternl"
wohlgemut fnhr dcr Rat Moll nach der
Residenz nnd genos; die vcrgnügnngcn dcrselbcn
im vollstcn Matze, bis so allmählich doch eine
Art Uebersättigung eintrat. war er das Buni-
mcllebcn nicht mchr so recht gcwöhnt, oder
sprach wirklich scin Alter, er zählte -to Iahre,
schon mit?

Lr ivntzte nicht mehr rccht, was cr anfangen
solltc. Dic tsanptschcnswürdigkeiten waren ab-
solviert, nnd er fühlte sich anch körpcrlich etwas
müde.

„wcnn man nur nicht allcs so allein ge-
nictzen mützte," dachte er. „Bb ich nicht lieber
nach lsaus fahre? Aber da bin ich auch allcin;
in dieser lfinsicht ist Freund walter doch besser
daran wie ich."

Zwei Tage qnälte er sich noch so hin, dann
abcr nahm cr seincn Rcisesack nnd fuhr z»»i
Bahnhof; da cr nicmals ranchte, snchte er das
Bichtrauchcr-Toupö anf. Eine Dame satz schon
darin; weiter kam anch nicmand hinzn.

lfalb in Gedankcn, halb ans Langeweilc lies;
Moll seine Angcn über dic schlankc Gesialt
gleiten. Ein modcrnes grancs Frühjahrskostüm
hob den eleganten wnchs vorteilhast hcrvor. Lin schwarzcs,
rnndes lsütchen, mit Blnmen garniert, beschattete das feinc
Gesicht, in dem trotz seincs geivinnendcn Ansdrucks ein leiser
Zug von Rcsignation sich bcmcrkbar machtc. Zwci blanc
Angen, die den Rat an irgend jemand erinnerten, blickten ge-
rade und freundlich in die welt hinans. „welch cine anmntige
Erscheinung l" dachtc der Rat. „In der Rcsidenz ist mir wähi cnd
der ganzen Zeit nicht ein so feines, liebenswürdiges Gesicht
anfgcfallcn."

Da er die Dame aber doch nicht iminerzu anschauen konnte,
ohne zn reden, begann er eine Unterhaltung, auf welche diese
artig und unbefangen einging. Das Gespräch kam auf die
Residcnz; die Frcmde wohnte anch dort nnd reiste jetzt zu vcr-
wandten. Sie zeigte eine hohe Bildung in Bezug auf allcs
Zchönc, was die Grotzstadt nnd das Leben in ihr bietetl

Dem Rat Moll vergieng die Zeit bei dicser anregenden
Unterhaltung so rasch, daß er sich wunderte, als der Schaffner
kam ihm sein Billet abzufordern, da in fünf Ninuten sein
wohnort erreicht war. Auch die Fremdc reichte ihr Billct hin.

„Sie steigen anch in w. aus, mcin Fräulein, also Ihre
Verwandten wohnen dort?" Scine Stinime klang frcudig erregt
bci dicscn worten.

„Iawohl, doch ich bin kein Fräulein, ich bin Witwel"
„was Sie sagen — schon Witwe? Aber ich habe bei
nnserer lebhaften Unterhaltnng ganz verabsäumt, mich Ihnen
vorznstellen. Lrlauben Sic —" „Bitte, mcin lserr, nachher.
Ich bcmcrke dort mcinc Aindcr anf dem Bahnsteig; schen Sie,
dort kommen sic heran nnd winken mir zu."
 
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