Meggendorfers y u in o c i stis ch e Biätter.
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Zekui>däröahn-,,stoß"-Scuftzer
tdagab und: „Uee, dat weeß ick, uf der Lisenbahn fahr ick niuiinerl"
Der Reiherftrch der Nrau ^Najorin.
tzumorrskc vou Aug. Klotz.
war Frühling geworden! Das mcrkte nian an den
wäriner werdenden Sonnenstralilcn, an dom lauon Lüftchen,
das durch die feuchten, schinutzigen Straßen weßte, an
den alten, lebensmüden Kastanienbäuiiien auf deui Marktplatz,
welche noch einuial sich entschlossen chatten, Unospen zn
treiben, an den vielen Ainderiiiädchen, die angethan init blendeud
weißen Schürzen die jüngsten Meltbürger an die frische Luft
brachtcn, an den Stutzern, deren offeuer Paletot mit deui crsten
reilchensträußchen paradierte, an eitlen Damen, welche troh dcn
zeitweise drohenden Regenschauern ihre allerneuesten Toilctten
zur Schau trugen und an vielem, vielem andern noch. Ganz
besonders aber bemerkte man es im Salon von Fräulein Amalie
Mutzcnbacher, der ersten tonangcbenden Nurelianäs äs Noäss
des Städtchens, da war nicht nur der Frülsiing, sondern bereits
anch der Sommer in voller jdracht eingezogenl Auf hochbeinigen
Ständern standen sie da, in all' ihrer Schönheit und bserrlichkeit,
die entzückendsten hochmodernsten Damenhüte, so appart, so eliie,
so kleidsam, wie sie vor dieser glücklichen Saison noch niemals
orschienen waren. Da prangten sie mit ihren Zierden aus dem
tbier-, pflanzen- und Mineralreich; bescheidene veilchen, mächtige
Tentifolien, Vergißmeinnicht und rotes kserbstlaub, Maiglöckchen
»nd Dogelbeeren, Kornähren und lfagebutten, stolze Rosenbüsche,
anspruchslose Gänseblümchen, Miesengras und Weintrauben,
Erd- und Iohannisbeeren, Rabenfedern und Aolibri, gesärbte
Taubenflügel und Tisvogelbrüste, Spielhahn und Gamsbart,
Käfer, Schmettcrlinge, bnnte Steine, Similibrillanten u. s. w.,
s- w. bildeten mit Spitzen und Bändern, mit Tüll und Gaze
die bezauberndsten Arrangements und harrten ihrer Bestimmung,
die holdc weiblichkcil möglichst „reizend" vor der bcwundcrir
dcn Mitwelt crschcinen zu lassen.
Ls war in dcn ersten Stundcn des Rachmittags, nm
die Zeit, da Fräulein Amalie Mutzenmacher in der Regel
kcine Kunden zu erwarten hatte; sie benntzte deshalb
diese Ruhepause, um in das Lhaos, wclches die zahlreichen
Besucheriniien ihres Geschäfls am Dormittag hervorgcbracht
hattcn, wieder einigc Grdnung zn bringen. Mit ihren
zierlichen Fingern drückte sie gewandt vcrbogene Drähte zu-
recht, glättete zerknitterte Bänder, zwang rebcllische Blumen
an ihren platz und dachte eben senfzend, ob wohl ihre
Sorgenkinder, die tcuren Pariser Modelle, Uäufcrinnen
finden würden, als es auffallcnd kräftig draußcn an die
Thüre pochte.
„lhereinl" rief sie laut und alsobald stampfte ein
junger Urieger in's Zimmer.
„Grüß Gott, Fräulein Ammlil" sagte er vertraulich
und legte die lsand an dic lllütze „Eine Empfelsiung
von der Frau Major von Moldau und sie schicke dem
Fräulein Ammli den Reiherstntz für den neueu lsut."
Dabei zog er eiu zusammcngcwickcltcs Seidenpapier
oben aus dcm llebcrschlag scines doppelreilsigcn llniform-
rockes und reichte es grinsend der Modistin.
Fräulein Amalie Mutzenbacher war eine rundlichc,
lcbhaste Dame in den fünfziger Iahren, welche — böse
Zungen behaupteten aus Neugierdc -- in leutseligster
lveise mit den zu ihr gesaudtcn Dienstboten verkehrle.
„So, Uäferle," fragte sie teilnchmend, „Sie sind jetzt
nicht mehr beim lhauptmann lllaicr, sondern beim lserru
Major von Moldau? . . lvie gefällt es Ihnen denu da?"
„ksa, was soll i sage?" meinte etwas verlegen der
Bursche, „lDisset Se, Fräulein Ammli, s'ift halt wic übcralll . . .
L r wär' scho' recht, aber . . . Snil . . . wisset Sc . . ."
„Uäferlel" unterbrach ihn plötzlich ganz crschrockon die
Putzmacherin, „in dem Paxier ist ja gar nichts driu l"
„S' muß 'was drin seil" lachte in voller Gemütsruhe der
biedere Aelbler.
Es rvar aber nichts drinl Die beiden mochten es drehen
und wcndcn wie sie wollteu.
„Uäferle, Sie haben den Reiherstutz vcrlorenl" ricf vor-
wurfsvoll das Fräulcin. „lDarnm haben Sie ihn so gleichgültig
in den Rock gesteckt?"
Der Soldat war eine lveile sprachlos und machte cin gauz
stuxides Gesicht. Plötzlich jedoch erhelllc sich seine sorgenschwere
Micne und mit dem Zcigefinger auf seine breite Lrust deutend,
rief er hoffnungsfroh:
„vielleicht ist es da inna nunter'grulschtl"
Fräulein Amalie lächelte. „Das wäre möglich! . . . gehen
Sie da hinein, in das Uabinet, . . . da können Sie nachseheu,"
sagte sie und öffnete eine Thüre.
Line geraume weile verstrich, ehe der Bursche und zwar
mit verstörtem Gesicht wieder erschien.
„Fräulcin Ammli I ... bis aufs lscmmed hab' i' älles
durchsuchtl" jammcrte er uud das weinen stand ihm offenbar
sehr nahe. „was wird die Gnädige sage'? . . . VHI wenn i'
dui Feader nemme find I"
„Das wäre allerdings recht fatall" meinte die Modistin.
„Aber gehen Sie jotzt rasch nach lsause und sehen Sie dort und
auch unterwegs genan nach . . . vielleicht köniien Sie sie wieder-
findenl . . . Ich möchte es Ihnen gönnen, Uäferlel . . . Diescn
Abend müssen Sie mir jedoch noch Nachricht bringen, . . . die
Frau Major will ihren lsut morgen vormittag habenl"
* * »
Rccht schweren lserzens trat Uäserle den lseimweg an und
seine suchenden Blicke verließen kaum den Boden, so daß er
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tdagab und: „Uee, dat weeß ick, uf der Lisenbahn fahr ick niuiinerl"
Der Reiherftrch der Nrau ^Najorin.
tzumorrskc vou Aug. Klotz.
war Frühling geworden! Das mcrkte nian an den
wäriner werdenden Sonnenstralilcn, an dom lauon Lüftchen,
das durch die feuchten, schinutzigen Straßen weßte, an
den alten, lebensmüden Kastanienbäuiiien auf deui Marktplatz,
welche noch einuial sich entschlossen chatten, Unospen zn
treiben, an den vielen Ainderiiiädchen, die angethan init blendeud
weißen Schürzen die jüngsten Meltbürger an die frische Luft
brachtcn, an den Stutzern, deren offeuer Paletot mit deui crsten
reilchensträußchen paradierte, an eitlen Damen, welche troh dcn
zeitweise drohenden Regenschauern ihre allerneuesten Toilctten
zur Schau trugen und an vielem, vielem andern noch. Ganz
besonders aber bemerkte man es im Salon von Fräulein Amalie
Mutzcnbacher, der ersten tonangcbenden Nurelianäs äs Noäss
des Städtchens, da war nicht nur der Frülsiing, sondern bereits
anch der Sommer in voller jdracht eingezogenl Auf hochbeinigen
Ständern standen sie da, in all' ihrer Schönheit und bserrlichkeit,
die entzückendsten hochmodernsten Damenhüte, so appart, so eliie,
so kleidsam, wie sie vor dieser glücklichen Saison noch niemals
orschienen waren. Da prangten sie mit ihren Zierden aus dem
tbier-, pflanzen- und Mineralreich; bescheidene veilchen, mächtige
Tentifolien, Vergißmeinnicht und rotes kserbstlaub, Maiglöckchen
»nd Dogelbeeren, Kornähren und lfagebutten, stolze Rosenbüsche,
anspruchslose Gänseblümchen, Miesengras und Weintrauben,
Erd- und Iohannisbeeren, Rabenfedern und Aolibri, gesärbte
Taubenflügel und Tisvogelbrüste, Spielhahn und Gamsbart,
Käfer, Schmettcrlinge, bnnte Steine, Similibrillanten u. s. w.,
s- w. bildeten mit Spitzen und Bändern, mit Tüll und Gaze
die bezauberndsten Arrangements und harrten ihrer Bestimmung,
die holdc weiblichkcil möglichst „reizend" vor der bcwundcrir
dcn Mitwelt crschcinen zu lassen.
Ls war in dcn ersten Stundcn des Rachmittags, nm
die Zeit, da Fräulein Amalie Mutzenmacher in der Regel
kcine Kunden zu erwarten hatte; sie benntzte deshalb
diese Ruhepause, um in das Lhaos, wclches die zahlreichen
Besucheriniien ihres Geschäfls am Dormittag hervorgcbracht
hattcn, wieder einigc Grdnung zn bringen. Mit ihren
zierlichen Fingern drückte sie gewandt vcrbogene Drähte zu-
recht, glättete zerknitterte Bänder, zwang rebcllische Blumen
an ihren platz und dachte eben senfzend, ob wohl ihre
Sorgenkinder, die tcuren Pariser Modelle, Uäufcrinnen
finden würden, als es auffallcnd kräftig draußcn an die
Thüre pochte.
„lhereinl" rief sie laut und alsobald stampfte ein
junger Urieger in's Zimmer.
„Grüß Gott, Fräulein Ammlil" sagte er vertraulich
und legte die lsand an dic lllütze „Eine Empfelsiung
von der Frau Major von Moldau und sie schicke dem
Fräulein Ammli den Reiherstntz für den neueu lsut."
Dabei zog er eiu zusammcngcwickcltcs Seidenpapier
oben aus dcm llebcrschlag scines doppelreilsigcn llniform-
rockes und reichte es grinsend der Modistin.
Fräulein Amalie Mutzenbacher war eine rundlichc,
lcbhaste Dame in den fünfziger Iahren, welche — böse
Zungen behaupteten aus Neugierdc -- in leutseligster
lveise mit den zu ihr gesaudtcn Dienstboten verkehrle.
„So, Uäferle," fragte sie teilnchmend, „Sie sind jetzt
nicht mehr beim lhauptmann lllaicr, sondern beim lserru
Major von Moldau? . . lvie gefällt es Ihnen denu da?"
„ksa, was soll i sage?" meinte etwas verlegen der
Bursche, „lDisset Se, Fräulein Ammli, s'ift halt wic übcralll . . .
L r wär' scho' recht, aber . . . Snil . . . wisset Sc . . ."
„Uäferlel" unterbrach ihn plötzlich ganz crschrockon die
Putzmacherin, „in dem Paxier ist ja gar nichts driu l"
„S' muß 'was drin seil" lachte in voller Gemütsruhe der
biedere Aelbler.
Es rvar aber nichts drinl Die beiden mochten es drehen
und wcndcn wie sie wollteu.
„Uäferle, Sie haben den Reiherstutz vcrlorenl" ricf vor-
wurfsvoll das Fräulcin. „lDarnm haben Sie ihn so gleichgültig
in den Rock gesteckt?"
Der Soldat war eine lveile sprachlos und machte cin gauz
stuxides Gesicht. Plötzlich jedoch erhelllc sich seine sorgenschwere
Micne und mit dem Zcigefinger auf seine breite Lrust deutend,
rief er hoffnungsfroh:
„vielleicht ist es da inna nunter'grulschtl"
Fräulein Amalie lächelte. „Das wäre möglich! . . . gehen
Sie da hinein, in das Uabinet, . . . da können Sie nachseheu,"
sagte sie und öffnete eine Thüre.
Line geraume weile verstrich, ehe der Bursche und zwar
mit verstörtem Gesicht wieder erschien.
„Fräulcin Ammli I ... bis aufs lscmmed hab' i' älles
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sehr nahe. „was wird die Gnädige sage'? . . . VHI wenn i'
dui Feader nemme find I"
„Das wäre allerdings recht fatall" meinte die Modistin.
„Aber gehen Sie jotzt rasch nach lsause und sehen Sie dort und
auch unterwegs genan nach . . . vielleicht köniien Sie sie wieder-
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* * »
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seine suchenden Blicke verließen kaum den Boden, so daß er