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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 26.1896 (Nr. 288-300)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16564#0103
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e g g en do r f e r s t) u 11> o r i sti s ch L Biätler.

99

A Ä'späßte.

(Schwäbisch)

c^a lnagat mal die Weible a(n).

tvie s' schmunzlc' thuan und lachle',
tvas thuan da in der Ieitung stah'n
Fiir ganz verriickte Sächle'?

Ls lachet cbe' alle bcid',

Dic alte Lies und 's Resle

Und händ äll' zwoi die großte Freud':

's ist ebe halt a' G'späßlel

So kam er denn anch in eincn Buchhändlcrladen oon
ehrwiirdigem Aussehen; da stand ein schöngelocktcr Lehr-
knabe zu obcrst auf eincr Leiter, und zwei andere schriebcn
mit ernsten Gesichtern an einem pult.

Lr wird zum Lhef gefiihrt, der ihn ruhig an-
hörte, das lNanuskript durchblätterte und nach einigem
Besinneu also zu sprechen anhub:

„Mein lieber kserr, ich will's mal wagen."

Der Lyriker verlor fast Atem nnd Stimme.

„d. h. unter der selbstverständlichen voraussetzung, daß Sie
drei viertel streichen nnd die Gesamtherstellungskosten
bestreiten." Dem Lyriker kam Atem und Stiinme wieder-
Lr zögerte erst ein wenig, und dann verhaudelten
sie in einer geschäftsmäßigen tveise und ganz vergniiglich.

„Die Druckkosten", so sagte der edle Nann, „werden
sich auf beiläufig hundert Atark belanfen. Sehen wir den
Ladenpreis des Lxemplars auf eine INark sest uud die
Auflage auf . . . ."

„Tausend?" lisxelte der Lyriker.

„lvas fällt Istnen ein, Bester; sagen wir zwei-
hundert."

„Ach ja, und von dem Gesammtertrag ziehen Sie
dann also hundert lNark ab und scnden mir das zweite
Hundert möglichst bald. lNeine Adresse ist . . ."

„lfalt, verehrtesterl Bevor Sie nicht die Druckkosten
bereinigt staben, kann ich die „Abendröten" nicht in die
Deffentlichkeit bringen. Und dann, bedenkcn Sie die pro-
visionenl — Also, ich teile Ihnen den Tag des Lrscheinens
mit, Sie nbermitteln mir die Rosten und der Ruinmel kann
losgehen . . . ."

*

*

Der erwischie Lyriker.

s war cinmal ein lyrischer Dichter, der wohnte nach alter
Dichtcrart in einer lllansardenstube. Dort hielt er lsaus
mit einem große» Tintenkolben, einem Taschenfedern-
halter,der auch einen Bleistift entlsiolt (fiirlNai- nnd andereSxazier-
gänge), ferner mit viel Papier, cinom Theekessel, einer kleinen
pfeife uud einem ungeheuren Beutel Rauchtabak.

All das schöne Papier dichtete er voll; denn, wenngleich
nicht viel durch seinen lllagen wanderte, zogen doch durch seinen
Ropf die allerschönsten Gedanken in klingenden Reimen. Er
lsielt das fnr eine schlagcnde lviderlegung aller Art von
Materialismus und war glücklich dabci.

Aber eines felsite zu seines Gliicks vollkommenheit: liebens-
ivnrdige Redakteure hatten zwar schon verse unseres pooten
abgedruckt (unentgeltlichl); doch höher ging des Iiinglings
Strcben; durch einen Sammelband wollte cr seinem Namen
Glanz verleihen, — auch verschwieg er sich keineswegs die Reize
eines schier unausbleiblichen Goldertrags.

So saß er dcnn im Dämmerlicht des Abends über seinen
jdapieren, sichtete und stellte zusammen; und siehe da, ein
stattlich Papiergebäude erhob sich, dem or den Namen „Abend-
röten" gab, und darauf legte er sich zur Ruhe.

Andern Tags stülpte er den kjut auf und begann ent-
schlossen und wohlgemut eine lvanderschaft bei den vcrlegern
)er Stadt herilm.

Da wurdcn ihur die schrecklichstcn Dinge über Liederdichtung
und publikiim berichtet, und nicht jeder der Herren war des
lvohlwollens voll. Doch thatkräftig und unbeirrt zog der poet
seinem Ziele zu. Als er ein Paar Stiefel durchgelaufen hatte,
ließ er sie kaltblütig frisch sohlen (denn kein zweites stand ihm
znr verfügung), vertröstete den Schuster auf die Iukunft und
zog fürbaß.

Der große Tag war gekommcn und der verleger hatte dem
Lyriker ein Bricfchen geschrieben. Der aber ließ sich nicht
blicken, und als in seiner lllansardenstube nach ihm gefragt
wurde, lsieß es: „Der Schreiber? der ist grad ausgezogen."

Dic ganzc Buchhandlung raste. Denn der Buchdruckcr hatte
zweihundert feinbroschierte Lxemplare abgcliefert und wollte sein
Geld. lvas war zu thun?

Da begann dcr schängelockte Lehrknabe teuflisch zu lächelu;
denn trotz seines herrlichen ljaarschmucks war er ein sehr früh-
verdorbener lllensch. Ihm also kam ein tiefsinuiger Gedanke,
den er dem Lhef ins Vhr raunte.

Lin Lxemplar der „Abendröten" wurde im Schaufenstcr
ausgelegt, mit einem roten, lockcnden Vucrstreifen geziert. Im
ljintergrund des Ladens ward eine merkwürdige lllaschinerie
aufgestellt, die mit unhelinlichen Reflexlichteru aus der Däiiiinerung
hervorlugte. lfinter die Thiiren des Ladens und Hauses
sclbst duckten sich dic ernstblickenden Gelsilfcn sprungbereit.

So verging ein langer Nachmittag und der Abend kam,
und allenthalben schon wnrden Lichter angezündet.

Doch des Schöngelockten lllcnschenkenntnis war kcin leerer
lvahn gewesen.

Leise, auf langen Beinen schlich sich ein lvescn an das cr-
leuchtete Schaufenster heran; den Rockkragen hatte es in die
lföhe geschlagen, den lsiit in die Stirn gezogen, Untorlippe
und ljände vibrierten.

vorsichtig blickte es nach links und nach rechts uud dann
geradeaus in das Uleer von Papier und Licht hinein und geriet
alsbald in eine frcudige und fast leidenschaftlicho llufregung,
die jedoch sehr rasch in ein Stadium der Ratalepsie überging,
in welchem das lvesen die Nase fast durchs Fenster bohrte.

Dies daucrte freilich kurze Ieit; denn mit der Geschmeidig-
keit von Tigerkatzen schlichen sich die beiden ernsthaften Jüng-
linge heran und umfaßten den Starrsüchtigen.
 
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