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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 26.1896 (Nr. 288-300)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16564#0113
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rileggendorfers L)umoristische Blätter.

Doppeltcr ^rlmor.

„Jch komme doch ous deni Schuldenmcichen nicht lreruus;
weun ich keinen Lhampagncr trinke, habe ich keinc Lourage
j inaiideu auzupumpen, trink'ich wclchen, so ist das Gcpumptc
wieder lpnl"

Äin Greiy-Tarock.

Humoreske von Arthur Achleitner.

o l;art der Dienst des Grcnzivachpcrsonals ist, so lang-
weilig ist er anch. Das tagelangc kscrumstelrcn auf
ptostcn l;erunten an der Landstraße verdirbt den bsunior
genau so wie das auf dcr passe liegen oben im Gebirg
und die Aost, der häufige Fleischmangel, ist anch nicht dazu
angethan, dio Lanne zn einer frölfiichen zu niachcn. Der einzige
Lichtblirk im Grcnzerdaseiii in dienstfreien Stunden, deren es
wenige gibt, wärc das Aartenspiel, ein richtiger Tarock; doch
hapert cs anch lfierin, da zu einem solennen Tarock drei Sxieler
gchöreti. Nun besteht das Personal des bayrischen Nebenzoll-
anikcs in Glasbiitte an der bayrisch-tirolischen Grenze gegen
Achenpas; zu zivar aus drci Aufsehern, die aber begreisiicher-
iveise nicmals zu glcicher Ieit dienstfrei sein können. Es felsit
also immcr der drittc INann znm Tarock und das ist siir richtige
Aartlcr ein beklagenswerter Aebelstand, der sich nnr höchst selten
beseitigen läsit, ivcnn zufällig cin Bekannter ans Tegernsee oder
Areuth des kvcges kommt, dem es nicht pressiert und der ein
Stiindchen im kvirtshause weilend sich zu einem Tarock herbei-
läßt. Gft passiert das nicht; cs heuchelt sogar mancher Passant
große Lile, um dcm Spiel mit den Stationsaufsehern auszu-
weichen, weil nämlich die Grenzer im Geruche außergewöhnlich
guter Tarocker stehen und als fcrme Spielcr fast regelmäßig ge-
winnen. Das verlieren mit Sicherheit ist aber nicht jedermanns
Geschmack und boi den „Landhechten" schon gar nicht. Daher
konimt es, daß die zwei ksaupttarocker oft wochenlang vergeblich
auf den dritten partner lauern iniissen, zumal sie ja doch nicht
mit jedem Baucrnburschen spielen wollen. Leider ist es der
großen Tntferniing der Station von Tegernsee wegen auch nicht
angängig, in dienstfreicn Stuuden der Tarockleidenschaft in
Tegernsee selbst zu fröhnen und an einen Spielurlaub ist nicht
zu denken, ganz abgesehen von den Regiekosten einer solchen
Luxuspartie. wegen ihres Lauerns auf den dritten Mann,
das Aehulichkeit hat mit der Spiune, die auf eine Fliege wartet,
nannte der volksmund die Tarocker in Glashiitte schlankweg

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die „Spinnen" und in der ganzen Gegend bedicnte man sich
dieses Spitznamens, wcnn von dcn Grcnztarockern die Rede war.
Sonst waren die „Spiuuen" wohl gelitten, besonders wohl des-
halb, weil es noch zu keineni Grenzkonflikt gekommcn ist, der
das Personal in die Lage versetzt, dicnstlich nnangeiiehm sein
zn niüsscn. Uebermäßig scharf in dcr Grcnzkontrolle sind die
„Spinncn" nicht; sie sehen nnr zu gcwissen Zciten dcn passanten
näher auf den Leib. Line solche „Saison" ist die Ieit des
Ankaufes von tirolischen winterloden. Die Grenzbewohncr
pflegen ihrcn Bcdarf an guten Lodenstoffcn in Tirol zu decken
uud selbstvcrständlich auf die Lutrichluug des gesetzlichen Zolles
zu vergessen. Bei einem Iollsatz von!Nk. t,Z5 pro Ailogramm
würden die tiroler Lodcn entschieden zu teuer, dahcr inan be-
strebt ist, das gediegeno tiroler Fabrikat zollfrei über dic Grcnze
zu bringen. Das hat nnn spcziell im lherbst seinc Schwierig-
kcitcn, wcil die Stoffc dicker als im Frühjahr, daher schwcrcr
zu vcrbcrgen sind. llianche Grenzbewohner helfen sich dadnrch,
daß sie gleich fertige Lodenkleider kaufen, selbe anziohcn uud bei
Gelegenheit dio alten Aleider holcn. wer frcilich die Stoffe
dahcim vom eigenen Leibschneider verarbeitcn lasson will, muß
die Lodcn meterweisc über die Grenze schaffen und das hat
scine Schwierigkcitcn, weil die Aufseher über jegliche Art des
Schmuggcls sehr gut informiert siud.

Mit der Absicht, für die Gattin einen karricrten Lodeustoff aus
ein winterkleid mitzubringen, ist der Bräumeistcr von Tegernsee
auf flottem Steirerwägel mit eincm tüchtigeu Gaul voran die
Straßc znm Achenpaß gefahren und dann hinnntcr nach Ienbach.

Leim passicren der Zollstation in Glashiitte rief er dcn
„Spinnen" zu, er werde auf dem Rückwcg zukehren, es sollen
dio lferren für neuc Tarockkartcn inzwischen sorgen und das
Spielgeld znm auszahlen herrichtcu.

verguügt haben die „Spinnen" das zur Aeuntniß ge-
nommcn nnd dem Bräumeister nachgerufen, er solle ja nicht zu
spät kommen. Daß der Biersicdcr lediglich um Loden zu holen
nach Tirol fährt, ist dcn „Spinuen" klar; unklar sind sie sich abcr
nur, ob sie den Lräuer, falls er nicht sreiwillig seine lvare
zur verzollung bringt, dienstlich „fürifangen" sollen, denn wcun
sie ihn als Aontcrbandistcn behaudeln, dann wird der !1!ann
sicher eklig werdcn und nicht tarocken. Die „Spinnen" haben
nun aber schon scit s lvochen keine Aarte mehr in dcr ljand
gehabt l Line Dienstvcrnachlässigung ist abcr auch nicht angängig.
Dcr eine Aufseher meint, nian könne schon ein Auge zudrückcn,
wcnn von Aonterbandc nichts zu sehcn ist; nur müsse unbediugt
in das Sitztrücherl dcs lvagcns gesehcn werden. lfat dcr Bräuer
den Loden uicht dariu, so solle er unbchelligt bleiben; weiin
aber ja, dann muß cr deu Stoff vcrzollen, weil's nicht anders geht.

Gcdauken an das Zollamt beschäftigen auch den Bräuer
beim Liukanf des Lodenstoffes, der absolut nicht im lvagen
uutergebracht wcrden darf, da die Spiiinenfinger ihn sonst wicder
an das zollamtliche Tageslicht ziehen werdcn. wo aber dann
den Stoff verbergen? Die Leibeshülle ist an sich schon so stark,
daß der Stoff unmöglich noch um den Bauch des Brciuers ge-
wickelt werdcn kann. Line lveile sinniert dcr Bräuer vor sich
hin, dann fällt ihm bci, den Stoff an sein lferz zu drücken
und die Ioppe sest bis zum lfals hinauf znzuknöpfen. Frostig
ist's ja anf der kfeimfahrt, es wird also nicht sonderlich auffallen,
daß der Bräner plätzlich luftempfindlich geworden. Gedacht
gcthan l Der Gaul keucht den steilen !veg zum Achensee hinauf,
pustet znr lfähc des Achenpasses hinan und zieht das leichte
Wägelchen spiclend hinunter auf bayrisches Gebiet.

vie „Sxinnen" lauern schon auf den Bräuer, der einen
nichts wcniger denn christlichfrominen wuiisch für die Zöllner
und pharisäer auf den Lippcn hat, den Fluch aber im Bcwußt-
sein seiner lferzenskonterbande hiiiuuteischlnckt. Die „Spinnen"
begrüßcn dcn anfahrendcn Lräuer und drängen zum Spiel-
 
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