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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 26.1896 (Nr. 288-300)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16564#0124
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^20

Meggendorfers huinoristische Blätter.

Dic Nnch? dor Grsrpptrir

Ich meldete mich.

„G»t, ich nbergebe Ihnc» die Mache. Lsabe» Sie mich
vcrstande» ?"

„Iawohl, lserr Sergcant."

„Nahlzeitl" llnd daniit ging er schiverfällig in das kleine
Nebengelaß, warf sich lang anf seine Pritsche »nd entschlief
angenblicklich.

So war ich also lvachhabender.

Der kleine lfcischke ging nicht mehr von meiner Seite, und
mit eincm wehleidigen Ton redcte er nnaufhörlich anf mich
ein. „Ach d» lieber lfimmel, was soll das werden? Sie haben
ja keinc Ahnnng. — Sie miissen »ns instrnieren. — Sie »üissen
die Postcn revidieren. — lvas machen Sie nnn, wcnn der
Bffizicr der Ronde kommt? — lvissen Sic denn, nm wie viel
llhr die Seitengewchre anfgepflanzt werden miissen?"

„lfcrrgott, lassen Sie mich in Friedenl" antwortete ich
endlich ärgerlich. „Sie machen ja einen ganz konfns."

va ging er kopfschiittelnd zur Seite und murmelte: „Ls
passicrt ganz gewiß etivas."

Ls xassierte aber bis znm Abend garnichts. Der Sergcant
schliek zwar noch, aber die alten Lente, die mit »ns aufgczogcn
ivaren, wußten gcnau Lescheid und nahmen sich dor Renlinge
an. Ls ging allcs ganz glatt. Allcin das vermochtc iiiiseren
klcincn llngliicksraben nicht zu beruhigen. Als es dnnkel wiirde,
hatte er nirgends mehr Ruhe. lvährcnd dic andern auf der
pritschc lagcn oder »m den Tisch saßen, lasen nnd Aarten
spielten, lief er iinermndlich auf nnd ab und deklamierte die
einzelncn Paragraphcn der rvachinstruktion vor sich hin. lvcnn
eine Ablosnng hereinkam, besturmte er sie mit Fragen: „Ist

Auf Zuchtlfcniswache.

nichts passiert? — haben Sie n chts verdächtiges bcmerkt?" —
llnd dann crging cr sich in dcr Aiismalung aller möglichc»
schrecklichen Lventualitätcn. — „lvenn die Sträflinge revoltier-
tcn — was dann? — lvenn Feuer in der Anstalt ansbrächc?"

Zncrst lachten wir allc iiber ihn, dann schimpftcn rvir, »nd
da ihn das alles nicht störte, iiberließcn wir ihn znletzt seiner
lllanie.

Die Racht rückte vor. von clf bis oin Uhr stand ich posten
anf pof 2. Ls war cine mcrkwnrdig warme Racht »nd ich
ivar so miide und schläfrig geworden, daß ich cs rvie eine Lr-
lösnng bcgrüßie, als ich endlich abgelöst wurde. lfcischke trat
an meine Stelle.

„lfaben Sie ctwas gemerkt?" flüsterte er anfgeregt, als
ich ihm den Rahmen mit den fünf scharfen Patronen übergab.

„llein, scicn Sie nnr rnhig," konnte ich gcrade noch er-
wicdern, da crscholl auch schon wicdcr das Aommando des anf-
führenden Gefreiten nnd wir maschierten weiter, die übrigen
Posten abznlösen, dnrch die dnnklen, schwcigendcn lsöfe der
Anstalt, in denen nnr hier nnd da cine trübe Gaslaterne brannte.

Als wir in die lvachstnbe znrückkehrten, war dcr Sergeant
iinmcr noch nicht crwacht. Die abgelösten Lcnte snchten schleu-
nigst die pritschcn anf. Ich allein durfte nicht schlafcn. Ich
setzte mich an dcn Tisch nnd stützte den llopf in die lfände,
krampfhaft bemüht, die Angen offcn zn halten. Ich hatte noch
nicht zehn lUinutcn gescsscn, als die Alingcl an der Thüre gc-
zogen wnrdo. Anfschreckend, rvie ein Alarmsignal klang der
schrille Ton in die Stille der lvachstnbc hinein. Ich sprang
auf, lief znr Thüre nnd öffnetc. Line dnnkle Gestalt, von der
ich nur das mit dom anfgepflanzten Seitcngewehr hoch in die
Luft ragcnde Goivchr unterscheiden konnte, stand davor.

„Nanu?" fragte ich.

„Der postcn anf lsof 2 mcldct, daß cr einen vcrdächtigen
lNcnschen iiber den l?of hat schleichen schcn, der auf Anrnfon
nicht stand. Der Postcn denkt, daß cin Sträfling ausgebrochen ist."

„Anf lsof 2? Das ist ja lseischke. lllso doch?"

Nnn galt es, den Sergcantcii zn wecken. Das war nicht
leicht. Lrst als wir ihn fünf lNinuten lang gerüttolt nnd ge-
schüttelt hatton, schlng er langsam die Angen auf.

„lvas ist denn los?"

Ich meldete. Lr verstand nicht gleich. Ich mußte meine
lNeldung wiederholen. Da erhob er sich schwcrfällig nnd ging
zum Patronenkasten. „Nehmen Sio Ihr Gewehr nnd kommcn
Sie mitl" sagte er zu mir und reichte mir eincn Patronen-
rahmen. — „Ladcn Siel"

Ich lnd und wir traten hinans.

Anf lsof 2 trafcn wir dcn kleinen lseischke, der sich wie
ein verrückter gcbärdete in dem Nestrebcn, nns scin Lrlebnis
so anschaulich wie möglich zu schildern. Der Sergeant fuhr ihn
grob an »nd befahl ihm zu schweigen, bis or gefragt würdc.

lvir besahen zunächst dic Bcrtlichkeit. von lsof 2 führte
ein etwa 5 lNctcr brciter Dnrchgang zwischen dem verwaltnngs-
gebände und einem Gefangenenhans hindurch nach lsof 5 hin-
über. Nach obcn war diescr Dnrchgang dnrch einen cisernen
Brückenbau abgcschlossen, welcher dic beiden lsäuser verband.
Beide ksöfe waren gepflastert, cbcnso der Dnrchgang, nnd unserc
Schritte hallten in der nächtlichen Stille von den hohen, kahlcn
lvänden wieder. (SHiuß folgt.)

Vrakiifch.

„lsast D» schon Fräulein Llse zu ihrer verlobung
gratuliert?"

„Ich habe ihr im vorhinein für alle ihro verlobnngcn
gratnliertl"

Verantivortlicher Redaktenr: lliap Schreiber. Drnck und verlag I. Schreiber, beide in Lßlingen bei Stnttgart.

Grlchäftvstell»: in M ii n ch r n: Tnriteliusstrnste 19.
 
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