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Meggendorfers humoristische Blätter: Zeitschr. für Humor u. Kunst — 27.1896 (Nr. 301-313)

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https://doi.org/10.11588/diglit.16565#0095
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Nieggenöorsers Humoristische Ltatlel.

9s


c>lles klappt und deswegen ist da alles „um" und „bei" auf
dem platze — hauptsächlich aber ist jederinann in dein Rostüin/
in dem das Stück aufgefiihrt wird . . . für Sie, Iohann, ist
also die Sache sehr einfach, Sie müssen, wenn Sie bei „Bussi"
Generalprobe tzalten sollen, auch das Reitkleid anziehen!"

Iohann staunte. Das Uleid anziehenl Darauf wäre er
iin Leben nicht gekominen. Lr segnete die Stunde immer mehr,
in der er Guste kennen lernte — mit der war einer nicht
angeschmiertl

Natürlich hatte er noch Bedenken. Anziehen war gleich
gesagt — aber das tvie? Atan denke nur seine Taillel
Guste wechselte einen lächelnden, aber verschämten Blick mit
tsanne und ließ dabei, die Achseln zuckend, ihre Augen kokett
an dem eigenen hübschen Figürchen hinabgleiten und umspannte
ihre Taille.

isanne hatte verstanden. Sie, die viel voller war und es
vorhin schon unangenehm empsunden hatte, daß die viel jüngere
Aollegin ihr im NAssen bedeutend über war, konnte hier mit
praktischem Rate zur kjand sein und Iohann konnte dann gleich
sehen, daß Wissen ohne jdraxis doch nur eine halbe Sache wäre.
Sie warf sich also in die Brust und sagte: „Das geht ganz
gut Iohann! Nur nicht verzagen — ich bin dal Die gnädige
Frau Rittmeister Durow, deren altes Reitkleid Sie unten haben,
hat so ungefähr meine Ligur, wir kriegen Sie schon hinein,
haben Sie keine Sorgcl" darauf verschwand sie auf ein paar
llkinuten, welche von den Liebenden durch süße Blicke ausge-
füllt ivurden, um nach verlauf derselben mit einem Schniir-
leibchen wieder einzutreten.

„Da," sagte sie mit roten Wangen, „da müssen Sie 'reinl"
Iohann machte ein bedenkliches Gesicht, aber auch Guste
erklärte, daß das unbedingt nötig sei. Lndlich sügte er sich
und man begab sich, nachdem man die Wohnung verschlop'eu
hatte, was man ganz gut thun konnte, da um diese Zeit kein
Besuch zu kommen pflegte und die Rückkehr der lferrschaft vor H
oder 5 Uhr ganz uudcnkbar schien, in den Stall, wo
man das schöne jdferd, welchem Iohann das prächtige
Sattel- und Zaumzeug auflegte, in gebühreuder weise bewundertc.
Nachdem „Bussi" vollständig bereit gemacht war und, verkehrt
im Stande stehend, auf der Stange abkaute, ging man an
Iohanns Toilette. Lr mußte sich seines Rockes entledigen —
was seinerseits eigentlich die einzige vorbereitung war — dann I
wurde ihm das Aorsett kunstgerecht umgelegt und die beiden
Ukädchen zogen, jede auf einer Seite, aus Leibeskräften an den
Schnüren nm ihm „Taille zu geben."

Die Sache war insofern sehr schwierig, als sie direkt nach
der Ukahlzeit stattfand und Iohann bei einer solchcn nach
Appetit, das heißt viel zu essen pflegte; sein Gesicht war, bei
der andauernden Beflissenheit seiner Freundinnen seinem Aörper
die nnbedingt nötige Form zu geben, welche es allein ermög-
lichen konnte, ihn in das Aleid zu „kriegen," denn auch all-
mählig von dem gesnndcn Rot, das es gewöhnlich aufwies,
in ein tiefes pensee und schließlich sogar in leichtes violett
iibergegangen.

Aber eine Aonstitution von der Iohanns, vertrug ohne
Nachteil ihren jduff. Das Aorsett war, nachdem sich die bciden
Mädchen zum Schlusse je mit den Füßen gegen eine Standsäule
gesteinnit hatten, um die letzten Schwierigkeiten zu überwinden,
eben doch zugegangen und nun vollzog sich der übrige Teil der
Toilette verhältnismäßig leicht. Ukan stülpte ihm die Robe
eiufach über den Aopf und nähte ein paar Lsacken, die bei der
jdrocedur des Linhäkelns abgesprungen waren, doppelt fest, half
dagegen bei anderen, die sich zu leicht schließen wollten durch
ctwas Wattierung nach, setzte ihm den Lylinder, der ihm, wie
der Rittmeister schon bemerkt hatte, sehr gut saß, auf den Aopf,
und, als auch das nicht leichte Linknöpfen der Ljandschuhe

beendet war, blickten die Mädchen mit wahrem Stolze aus ihr
werk, das allerdings noch unter bedeutendenAthniungsbeschwerden
zu leiden hatte — welche sich aber nach einigen promenaden in
der Stallgasse zu legen begannen.

Line helle Freude war es, „Bussi's" musterhafte Auf-
fiihrung zu beobachten. Nichts hatte sie geniert, wedcr die
Toilette Iohanns, noch dessen rasches kserantreten an sie,
als er „angekleidet" war — sie war entschieden ferm.

was Auguste betraf, so wurde ihre Freude allmählich eine
kindische, sie kam aus dem Lachen und Aichern nicht heraus
und als Iohann, wie er das schon oft auf der Reitbahn von
den Mffiziersdamen gesehen hatte, die Schleppe seines Reit-
kleides über den linken Arm warf, mit der Rechten, in die er
eine Reitpeitsche genommen hatte, den Schleier herabzog und
dann den Schimmel auf den Ljof führte, behauptote sie, keiu
Mensch wäre im stande, ihn von einer echten Dame wegzu-
kenneu, „und", duschelte sie kjanne ein- nms andcremal ins
Ghr, „sieh nur das bildhiibsche Gesichtchen, das er hinter dem
Schleicr hervormachtl Lr ist zum küssenl"

Iohann hatte den Schimmel mittlerweile an dcn Brunncn-
trog geführt, bestieg diesen und es gelang ihm, allerdings unter
Ziemlichem Schnaufen, in den ungewohnten Sitz zu kommen.
Die Mädchen zupften ihm das Aleid zurecht und als er dann
Bussi an den vier Seiten des Ljofes im Schritte herumgehen
ließ, mußte sich selbst die skeptischere ksanne eingcstehen, daß
Iohann wirklich sehr chic aussah und sich in seiue Rolle sand,
daß man nur so staunen mußte. Ia, Iohann wnrde kcckl
Auf dcn Schritt folgte der Trab und — er war einer der
besseren Reiter der Schwadron — da er sich nun in den Damen-
sitz eingewöhnt hatte, ließ er seiner fröhlichcn Laune den Zügel
schießen und begann sich als Ziikusdaine zu gerieren. Auf
jedes beifällige wort und Anerkennungslachen der Mädchcn
folgten seinerseits verbeugiingen nnd Außhändchenwerfen.
„Ganz wie im Iirkus", meinte denn auch Auguste, welchc sofort
wußte, wo Iohann hinaus wollte, nnd klatschte vor vergnügen
in die kiände, „aber nun xassen Sie auf, nun spendet auch das
Publikum Blumen, da sollen Sie mal sehenl" wie der wind
war sie fort, aber ebenso rasch kam sie, beide Arme voll von
welkeii Bouquets, welche die jnnge gnädige Frau vor > Tagen
frisch von dcr Lsochzeitsreise mitgcbracht hatte. „Nun passcn
Sie anf," rief sie, indem sie die kjälfte ihrer Aollegin ksanne
einhändigte, „nun koinmt die Belohnungl Also etwas recht
ksübschesl" Iohann setzte die Stute in kurzen Gallopp, ver-
beugte sich, wars Außhändchen, die Stnte schnob und die Mädchen
begannen das Bombardement mit den Bouquets: „Bravo,
Bravo" rufend. Das wurde dem Pserde, welches sich bis jetzt
musterhaft benommen hatte, abcr doch zu viel, es begann zu
lanxadieren. Iohann, der die Situation sofort begrisf, winkte
den MLdchen ab, aber diese glaubten es sei das nur ein neucr
Sxaß und verwarfeu ihre letzten Geschoße, wobci eiues „Bussi"
derb an den Aoxf flog — da war aber auch schon das Miglück
geschehen; der Schimmel machte cine scharfe wendung nach
rechts, wobei Iohann fast aus dem Sitz flog, dann schien er
einen Moment zwischen lhof- und Stallthor zu wählen, uni gleich
darauf vsntrs ü .terrs, mit dem armen Iohann anf seinem
Rücken, durch das erstere zu verschwindcn. Die Akädchcn hörten
das klirre Aufschlagen der ksufe im vorderhofe, daun auf dem
Straßenpflaster und dann war alles ruhig. Bleich und mit
osfenem Munde stunden sie, sich gegenseitig schreckensvoll an-
starrend, da, bis sie wieder cinigermaßcn zur Besinnung kamen,
kaum aber war das geschehen, so liesen sie hculend, als ob es
brenne, gegen das vorderhaus, jedenfalls um sich möglichst
unsichtbar zu machen. — —

Die Lserren von Schmatter und Schmetter, erst kürzlich zu
Lieutenants im Dragonerrcgiment, dem Rittmeister von Tedden
 
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